21.11.2024
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Bundesfinanzhof Urteil10.05.2017

Kind darf nach Pflege der Eltern bei anschließender Erbschaft Pflege­frei­betrag in Anspruch nehmenGesetzliche Unter­halts­pflicht steht Gewährung des Pflege­frei­betrags nicht entgegen

Hat ein Kind einen pflege­be­dürftigen Elternteil zu Lebzeiten gepflegt, ist es berechtigt, nach dem Ableben des Elternteils bei der Erbschaftsteuer den sogenannten Pflege­frei­betrag in Anspruch zu nehmen. Dies entschied der Bundesfinanzhof und verwies darauf, dass die allgemeine Unter­halts­pflicht zwischen Personen, die in gerader Linie miteinander verwandt sind, dem nicht entgegensteht.

Im zugrunde liegenden Streitfall war die Klägerin Miterbin ihrer Mutter. Diese war ca. zehn Jahre vor ihrem Tod pflegebedürftig geworden (Pflegestufe III, monatliches Pflegegeld von bis zu 700 Euro). Die Klägerin hatte ihre Mutter auf eigene Kosten gepflegt. Das Finanzamt gewährte den Pflegefreibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 des Erbschaft­steu­er­ge­setzes (ErbStG) in Höhe von 20.000 Euro nicht. Das Finanzgericht gab der hiergegen erhobenen Klage statt.

Begriff "Pflege" ist grundsätzlich weit auszulegen

Der Bundesfinanzhof bestätigte die Vorentscheidung des Finanzgerichts. Der Begriff "Pflege" ist grundsätzlich weit auszulegen und erfasst die regelmäßige und dauerhafte Fürsorge für das körperliche, geistige oder seelische Wohlbefinden einer hilfs­be­dürftigen Person. Es ist nicht erforderlich, dass der Erblasser pflegebedürftig i.S. des § 14 Abs. 1 des Elften Buchs Sozial­ge­setzbuch (SGB XI a.F.) und einer Pflegestufe nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI a.F. zugeordnet war.

Gewährung des Pflege­frei­betrags für gesetzlich Unter­halts­ver­pflichtete entspricht Sinn und Zweck der Vorschrift

Eine gesetzliche Unterhaltspflicht steht der Gewährung des Pflege­frei­betrags nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG nicht entgegen. Dies folgt aus Wortlaut, Sinn und Zweck sowie der Historie der Vorschrift. Der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG schließt gesetzlich Unter­halts­ver­pflichtete nicht von der Anwendung der Vorschrift aus. Weder aus der gesetzlichen Unter­halts­pflicht nach §§ 1601 ff., § 1589 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) noch aus der Verpflichtung zu Beistand und Rücksicht zwischen Kindern und Eltern nach § 1618 a BGB folgt eine generelle gesetzliche Verpflichtung zur persönlichen Pflege. Damit entspricht die Gewährung des Pflege­frei­betrags auch für gesetzlich Unter­halts­ver­pflichtete dem Sinn und Zweck der Vorschrift, ein freiwilliges Opfer der pflegenden Person zu honorieren. Zudem wird der generellen Intention des Gesetzgebers Rechnung getragen, die steuerliche Berück­sich­tigung von Pflege­leis­tungen zu verbessern. Da Pflege­leis­tungen üblicherweise innerhalb der Familie, insbesondere zwischen Kindern und Eltern erbracht werden, liefe die Freibe­trags­re­gelung bei Ausschluss dieses Personenkreises nahezu leer.

Die Höhe des Freibetrags bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Vergütungssätze von entsprechenden Berufsträgern können als Vergleichsgröße herangezogen werden. Bei Erbringung langjähriger, intensiver und umfassender Pflege­leis­tungen - wie im Streitfall - kann der Freibetrag auch ohne Einzelnachweis zu gewähren sein.

Entscheidung des Bundes­fi­nanzhofs kommt große Praxisrelevanz zu

Der Entscheidung des Bundes­fi­nanzhofs kommt im Erbfall wie auch bei Schenkungen große Praxisrelevanz zu. Die Finanz­ver­waltung hat bislang den Freibetrag nicht gewährt, wenn der Erbe dem Erblasser gegenüber gesetzlich zur Pflege oder zum Unterhalt verpflichtet war (Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011 R E 13.5 Abs. 1 Satz 2). Auf dieser Grundlage hatte das Finanzamt die Gewährung des Freibetrags auch im Streitfall verwehrt. Dem ist der Bundesfinanzhof entge­gen­ge­treten. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass der Erbe den Pflege­frei­betrag nach dem Urteil des Bundes­fi­nanzhofs auch dann in Anspruch nehmen kann, wenn der Erblasser zwar pflegebedürftig, aber z.B. aufgrund eigenen Vermögens im Einzelfall nicht unter­halts­be­rechtigt war.

Quelle: Bundesfinanzhof/ra-online

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