15.11.2024
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Bundesfinanzhof Urteil29.01.2008

Keine Erstattung von Kapita­l­er­trag­steuer an ausländische "Briefkästen"

Der Bundesfinanzhof hat die Ausnutzung von Steuervorteilen durch zwischen­ge­schaltete, aber funktionslose ausländische Zwischen­ge­sell­schaften erschwert.

Aus der Mutter/Tochter-Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften (EG) ergeben sich für verbundene Unternehmen innerhalb der EG bestimmte Steue­r­ent­las­tungen, die aber nur in einem EG-Mitgliedstaat ansässigen Kapital­ge­sell­schaften zugute kommen. Um auch dann in den Vorteil dieser Steue­r­ent­las­tungen zu gelangen, wenn sie einer Gesellschaft mangels Ansässigkeit eigentlich nicht zustehen, entspricht es einer weit verbreiteten Praxis, in den Mitgliedstaaten ‚Briefkasten’-Gesellschaften zu gründen und ‚zwischen­zu­schalten’. Man spricht von Treaty shopping. Da solche Gestaltungen oftmals missbräuchlich sind, schließen einzelne Regelungen des deutschen Steuerrechts die Inanspruchnahme der besagten Steue­r­ent­las­tungen aus (§ 42 der Abgabenordnung, § 50 d Abs. 3 des Einkom­men­steu­er­ge­setzes).

Der Bundesfinanzhof versteht unter einem zwischen­ge­schalteten ‚Briefkasten’ "rein künstliche Gestaltungen" ohne Büroräume, Personal oder Kommu­ni­ka­ti­o­ns­mittel. Bei Kapitalanlage- und Finan­zie­rungs­ge­sell­schaften können solche Substan­zer­for­dernisse zwar verzichtbar sein. Die Anlage- und Finan­zie­rungs­ent­schei­dungen müssen jedoch auch dann von der Zwischen­ge­sell­schaft selbst getroffen werden, nicht aber von deren Mutter­ge­sell­schaften oder von anderen ‚Hintermännern’.

Im Urteilsfall ging es um eine luxemburgische Aktien­ge­sell­schaft in der Rechtsform der SOPARFI, die als ‚Mantel’ durch ein luxemburgisches Treuhan­d­un­ter­nehmen für eine auf den Britischen Jungferninseln ansässige ‚Briefkasten’-Ltd. und auf Veranlassung einer in der Schweiz ansässigen Person gegründet worden war. "Eigentlicher" Gesellschafter und auch Verwal­tungs­rats­mitglied der SOPARFI war ein Gesellschafter des luxemburgischen Treuhan­d­un­ter­nehmens, unter dessen Anschrift die SOPARFI auch residierte. Die SOPARFI hielt Anteile an Kapital­ge­sell­schaften in Deutschland, in der Schweiz, in der Dominikanischen Republik, in Rumänien und in Ungarn. Eine der deutschen Tochter­ge­sell­schaften schüttete in den Jahren 1994 bis 1996 an die SOPARFI Dividenden in Höhe von 13,6 Mio. DM aus. Die SOPARFI beantragte, ihr in Einklang mit der Mutter/Tochter-Richtlinie der EG die auf diesen Dividenden lastende Kapita­l­er­trag­steuer zu erstatten, was die Finanzbehörde ablehnte, dem das angerufene Finanzgericht aber entsprach. Der Bundesfinanzhof sah es hingegen als erforderlich an, die wirtschaftliche Existenz der SOPARFI und die Aktivitäten ihrer ‚Hintermänner’ noch weiter aufzuklären.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 45/08 des BFH vom 23.04.2008

der Leitsatz

EStG 1990 i.d.F. des StMBG § 50 d Abs. 1a

AO § 42

1. § 42 AO wird durch die spezielle Vorschrift zur Vermeidung von Missbräuchen in § 50 d Abs. 1a EStG 1990 i.d.F. des StMBG abschließend verdrängt (Anschluss an und Abgrenzung zum Senatsurteil vom 29. Oktober 1997 I R 35/96, BFHE 184, 476, BStBl II 1998, 235).

2. Die tatbe­stand­lichen Voraussetzungen dafür, die Erstattung von Kapita­l­er­trag­steuer nach § 50 d Abs. 1a EStG 1990 i.d.F. des StMBG zu versagen, müssen kumulativ vorliegen (Bestätigung des Senatsurteils vom 31. Mai 2005 I R 74, 88/04, BFHE 210, 117, BStBl II 2006, 118; Abweichung vom BMF-Schreiben vom 30. Januar 2006, BStBl I 2006, 166).

3. Werden im Inland erzielte Einnahmen zur Vermeidung inländischer Steuern durch eine ausländische Basis­ge­sell­schaft in der Rechtsform einer Kapital­ge­sell­schaft "durchgeleitet", so kann ein Gestal­tungs­miss­brauch vorliegen, der es rechtfertigt, eine Erstattung von Kapita­ler­s­trag­steuer gemäß § 50 d Abs. 1a EStG 1990 i.d.F. des StMBG zu versagen, wenn es sich um eine rein künstliche Gestaltung handelt. Davon ist auszugehen, wenn die ausländische Gesellschaft weder über Büroräume oder Personal noch über Kommu­ni­ka­ti­o­ns­mittel verfügt und es an objektiven, von dritter Seite nachprüfbaren Anhaltspunkten fehlt, die Rückschlüsse auf ein "greifbares Vorhandensein" der ausländischen Gesellschaft und für eine "wirkliche" eigen­wirt­schaftliche Tätigkeit zulassen, und wenn --wie allerdings regelmäßig bei Kapitalanlage- und Finan­zie­rungs­funk­tionen-- auch keine Umstände ersichtlich sind, welche vorhandene Substanz­de­fizite im konkreten Einzelfall ersetzen können.

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