21.11.2024
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Dokument-Nr. 32123

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Bundesarbeitsgericht Urteil25.08.2022

Nachver­trag­liches Wettbe­wer­bs­verbot: Berechnung der Karenzent­entschädigung wegen Leistungen DritterKeine höhere Karen­zent­schä­digung wegen Leistungen Dritter

Der Begriff der „vertragsmäßigen Leistungen“ iSv. § 74 Abs. 2 HGB, auf deren Grundlage sich bei einem zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarten nachver­trag­lichen Wettbe­wer­bs­verbot die gesetzliche (Mindest-)Karen­zent­schä­digung berechnet, umfasst nur solche Leistungen, die auf dem Austausch­cha­rakter des Arbeitsvertrags beruhen und die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer als Vergütung für geleistete Arbeit schuldet. Deshalb sind, soweit der Arbeitnehmer eine Vereinbarung über die Gewährung von Restricted Stock Units (RSUs - beschränkte Aktie­n­er­wer­bs­rechte) nicht mit seinem Arbeitgeber, sondern mit der Oberge­sell­schaft der Unter­neh­mens­gruppe schließt, der sein Vertrags­a­r­beitgeber angehört, die dem Arbeitnehmer seitens der Oberge­sell­schaft gewährten RSUs bzw. die ihm - nach Wegfall bestimmter Restriktionen - zugeteilten Aktien grundsätzlich nicht Teil der „vertragsmäßigen Leistungen“ iSv. § 74 Abs. 2 HGB. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn der Vertrags­a­r­beitgeber im Hinblick auf die Gewährung der RSUs durch die Oberge­sell­schaft ausdrücklich oder konkludent eine eigene (Mit-)Verpflichtung eingegangen ist. Ob dies zutrifft, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls.

Der Kläger war von Januar 2012 bis Januar 2020 bei der Beklagten bzw. deren Rechts­vor­gän­ge­rinnen beschäftigt. Sein monatliches Grundgehalt belief sich zuletzt auf 10.666,67 Euro brutto. Die Beklagte ist Mitglied einer Unter­neh­mens­gruppe, deren Oberge­sell­schaft ein US-amerikanisches Unternehmen ist. Der im Dezember 2011 geschlossene Arbeitsvertrag des Klägers enthält unter § 15 die Vereinbarung eines neunmonatigen konzernweiten nachver­trag­lichen Wettbe­wer­bs­verbots. Im Gegenzug verpflichtete sich die Arbeitgeberin, an den Kläger „nach Ende der Anstellung eine Entschädigung zu zahlen, welche für jedes Jahr des Verbots die Hälfte der vom Angestellten zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht“. Ergänzend wurde die Geltung der §§ 74 ff. HGB vereinbart.

Kläger begehrte Berück­sich­tigung der „Restricted Stock Units" bei Karen­zent­schä­digung

Während seines Arbeits­ver­hält­nisses partizipierte der Kläger an dem „RSU-Programm“ der Oberge­sell­schaft und erhielt auf der Grundlage der von ihm mit dieser jeweils separat getroffenen „Global Restricted Stock Unit Award Agreements“ jährlich eine bestimmte Anzahl von RSUs. Mit seiner Klage hat der Kläger, der sich nach seinem Ausscheiden an das Wettbe­wer­bs­verbot gehalten hat, die Beklagte zuletzt noch auf Zahlung von Karenzentschädigung iHv. insgesamt 80.053,65 Euro brutto nebst Zinsen in Anspruch genommen. Er hat die Auffassung vertreten, ihm stehe für die Karenzzeit - über den von der Beklagten bereits gezahlten und den ihm erstinstanzlich rechtskräftig zuerkannten weiteren Betrag hinaus - eine weitere Karen­zent­schä­digung iHv. 8.894,85 Euro brutto monatlich zu. Bei der Berechnung der Karen­zent­schä­digung seien auch die ihm gewährten RSUs zu berücksichtigen. Darauf, wer Schuldner dieser Leistungen sei, könne es schon in Anbetracht der Möglichkeit der Einflussnahme der Oberge­sell­schaft auf die Vertrags­be­din­gungen im Arbeitsverhältnis der Parteien nicht ankommen. Die Vorinstanzen haben die Klage im noch streit­ge­gen­ständ­lichen Umfang abgewiesen.

BAG verneint Anspruch auf höhere Karen­zent­schä­digung

Die Revision des Klägers hatte vor dem Bundes­a­r­beits­gericht keinen Erfolg. Der Kläger hat - wie das Landes­a­r­beits­gericht zutreffend erkannt hat - keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Karen­zent­schä­digung. Ein solcher Anspruch hätte sich nur unter Berück­sich­tigung der dem Kläger seitens der Oberge­sell­schaft gewährten RSUs ergeben können. Bei diesen handelt es sich jedoch nicht um „vertragsmäßige Leistungen“ iS der unter § 15 des Arbeitsvertrags über die Höhe der Karen­zent­schä­digung getroffenen Vereinbarung. Diese Vereinbarung greift den Wortlaut von § 74 Abs. 2 HGB auf und ist mithin dahin zu verstehen, dass die Beklagte dem Kläger eine Karen­zent­schä­digung iH der gesetzlichen Mindes­tent­schä­digung zugesagt hat. Für die Auslegung des Begriffs der „vertragsmäßigen Leistungen“ in § 15 des Arbeitsvertrags gilt demnach nichts anderes als für die Auslegung des entsprechenden Rechtsbegriffs in § 74 Abs. 2 HGB. Der Begriff der „vertragsmäßigen Leistungen“ iSv. § 74 Abs. 2 HGB, auf deren Grundlage sich bei der Vereinbarung eines nachver­trag­lichen Wettbe­wer­bs­verbots die gesetzliche (Mindest-)Karen­zent­schä­digung berechnet, umfasst nur solche Leistungen, die auf dem Austausch­cha­rakter des Arbeitsvertrags beruhen und die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer als Vergütung für geleistete Arbeit schuldet. Da der Kläger die jeweiligen „Global Restricted Stock Unit Award Agreements“, also die Vereinbarungen über die Gewährung der RSUs, nicht mit der Beklagten bzw. deren Rechts­vor­gän­ge­rinnen, sondern mit der Oberge­sell­schaft getroffen hat, setzt die Berück­sich­tigung der RSUs bei der Berechnung der Karen­zent­schä­digung zumindest voraus, dass die Beklagte im Hinblick auf die Gewährung dieser RSUs - ausdrücklich oder konkludent - eine (Mit-)Verpflichtung übernommen hatte.

In Wettbe­wer­b­s­abrede vereinbarter Konzernbezug ändert nichts

Die Beklagte ist jedoch - wie das Landes­a­r­beits­gericht unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Einzelfalls rechts­feh­lerfrei angenommen hat - weder ausdrücklich noch konkludent eine solche (Mit-)Verpflichtung eingegangen. Insbesondere war eine andere Bewertung nicht deshalb geboten, weil die Parteien in § 15 des Arbeitsvertrags ein „konzernweites“ Wettbewerbsverbot vereinbart hatten. Selbst wenn die Wettbe­wer­b­s­abrede hinsichtlich ihres vereinbarten Konzernbezugs nicht dem Schutz berechtigter geschäftlicher Interessen der Beklagten gedient haben sollte, hätte dies nach § 74 a Abs. 1 HGB** „nur“ eine Rückführung der dem Kläger auferlegten Beschränkungen auf die zulässige Reichweite des Verbots bewirkt, nicht aber dazu geführt, dass der Kläger, soweit er sich auch des Wettbewerbs insbesondere im Geschäfts­bereich der Oberge­sell­schaft enthalten hat, eine Karen­zent­schä­digung unter Berück­sich­tigung der RSUs verlangen könnte.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/ab)

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