Dokument-Nr. 28485
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- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil12.04.2019, 6 Sa 1641/18
- Kabinenpersonal von Air Berlin hat keinen Anspruch auf NachteilsausgleichBundesarbeitsgericht, Urteil21.01.2020, 1 AZR 149/19 und 1 AZR 295/19
- Kündigungsschutzklagen von Beschäftigten der Air Berlin erfolglosLandesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil18.01.2019, 7 Sa 795/18, 15 Sa 814/18, 9 Sa 799/18
Bundesarbeitsgericht Urteil27.02.2020
Kündigungen des Cockpit-Personals von Air Berlin wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige unwirksamFrage eines etwaigen Betriebstriebs(teil)übergangs kann offen bleiben
Die Massenentlassungsanzeige nach der Bestimmung des § 17 Abs. 1 KSchG, die im Einklang mit Art. 3 der Richtlinie 98/59/EG auszulegen ist, ist bei der Agentur für Arbeit zu erstatten, in deren Bezirk die Auswirkungen der Massenentlassung auftreten. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hervor.
Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Fluggesellschaft Air Berlin unterhielt an mehreren Flughäfen sogenannte Stationen. Diesen war Personal für die Bereiche Boden (soweit vorhanden), Kabine und Cockpit zugeordnet. Der Kläger war bei der Air Berlin als Flugkapitän beschäftigt und der Station Köln zugeordnet. Die Arbeitsverhältnisse des gesamten Cockpit-Personals - einschließlich das des Klägers - wurden nach der am 1. November 2017 erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung wegen Stilllegung des Flugbetriebs Ende November 2017 gekündigt. Air Berlin erstattete die Massenentlassungsanzeige für den angenommenen "Betrieb Cockpit" bezogen auf das gesamte bundesweit beschäftigte Cockpit-Personal bei der für ihren Sitz zuständigen Agentur für Arbeit Berlin-Nord. Dieses Betriebsverständnis entsprach den bei der Air Berlin tarifvertraglich getrennt organisierten Vertretungen für das Boden-, Kabinen- und Cockpit-Personal (vgl. § 117 Abs. 2 BetrVG) und trug der zentralen Steuerung des Flugbetriebs Rechnung.
Kläger hält Massenentlassungsanzeige für fehlerhaft
Der Kläger bestritt die Stilllegungsentscheidung und machte die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung geltend. Der Flugbetrieb werde durch andere Fluggesellschaften (teilweise) fortgeführt, darunter auch das sogenannte Wet Lease für eine andere Fluggesellschaft. Angesichts dessen habe eine Sozialauswahl nach dem KSchG durchgeführt werden müssen. Die Massenentlassungsanzeige sei fehlerhaft.
Massenentlassungsanzeige für Personal der Station Köln hätte bei zuständiger Agentur für Arbeit in Köln erfolgen müssen
Die Vorinstanzen wiesen die Kündigungsschutzklage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Wie bereits der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden hatte, handelte es sich ausgehend von dem durch die Richtlinie 98/59/EG determinierten Betriebsbegriff bei den Stationen der Air Berlin um Betriebe i. S. d. § 17 Abs. 1 KSchG. Folglich hätte die Massenentlassungsanzeige für das der Station Köln zugeordnete Cockpit-Personal bei der dafür zuständigen Agentur für Arbeit in Köln erfolgen müssen. Die Anzeige hätte zudem nicht auf Angaben zum Cockpit-Personal beschränkt sein dürfen. Die nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG zwingend erforderlichen Angaben hätten vielmehr auch das der Station Köln etwa zugeordnete Boden-Personal und das dieser Station zugeordnete Kabinen-Personal erfassen müssen. Die Anzeige bei der örtlich unzuständigen Agentur für Arbeit Berlin-Nord, die zudem nicht die erforderlichen Angaben enthielt, bewirkt die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung nach § 17 Abs. 1 KSchG, § 134 BGB. Die Frage eines etwaigen Betriebs(teil)übergangs nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB, der im Einklang mit der Richtlinie 2001/23/EG auszulegen ist, sowie die sich ggf. anschließende Frage einer etwa erforderlichen Sozialauswahl nach dem KSchG kann deshalb offen bleiben. Allerdings ist nach den bisher vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen und dem unstreitigen Parteivorbringen im Übrigen nicht auszuschließen, dass die Kündigung auch mangels sozialer Rechtfertigung unwirksam ist. Es spricht zwar nichts dafür, dass die sogenannten Stationen "wirtschaftliche Einheiten" i. S. v. § 613 a BGB und der Richtlinie 2001/23/EG waren. Anderes könnte jedoch für das sogenannte Wet Lease für eine andere Fluggesellschaft in Betracht kommen, das von einer weiteren Fluggesellschaft fortgesetzt wurde.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.03.2020
Quelle: Bundesarbeitsgericht/ra-online (pm/kg)
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