23.11.2024
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Sie sehen Geld, auf dem das Wort „Insolvenz“ arrangiert wurde.
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Bundesarbeitsgericht Urteil13.07.2006

Ungültige Kündigung bei nicht rechtzeitiger Massen­ent­las­sungs­anzeigeBAG verweist Rechtsstreit an LAG zurück

Mit Urteil vom 27. Januar 2005 hat der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache „Junk“ die Massen­ent­las­sungs­richtlinie 98/59/EG (MERL), die durch die §§ 17 ff. KSchG in das deutsche Arbeitsrecht umgesetzt worden ist, dahin ausgelegt, dass die Kündi­gungs­er­klärung des Arbeitgebers als „Entlassung“ im Sinne der MERL anzusehen ist.

Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung hat das Bundes­a­r­beits­gericht mit Urteil vom 23. März 2006 die Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG richt­li­ni­en­konform ausgelegt und entschieden, dass die Anzeige bei der Agentur für Arbeit rechtzeitig vor Erklärung der Kündigungen erfolgen muss. Zumindest bis zum Bekanntwerden der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hätten die Arbeitgeber jedoch auf die ständige Rechtsprechung des Bundes­a­r­beits­ge­richts und die durchgängige Verwal­tung­s­praxis der Agenturen für Arbeit vertrauen dürfen, wonach die Anzeige auch noch nach Erklärung der Kündigungen erfolgen konnte.

Zur zeitlichen Grenze des zu gewährenden Vertrau­ens­schutzes hat nun der Sechste Senat des Bundes­a­r­beits­ge­richts entschieden, das schutzwürdige Vertrauen sei angesichts der noch im Urteil des Zweiten Senats des Bundes­a­r­beits­ge­richts vom 18. September 2003 (2 AZR 79/02) vertretenen Auffassung, § 17 KSchG könne nicht richt­li­ni­en­konform ausgelegt werden, nicht bereits mit Bekanntwerden der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes entfallen. Allerdings sei das Vertrauen des Arbeitgebers dann nicht mehr schutzwürdig, wenn die für die Anwendung und Ausführung der §§ 17 ff. KSchG zuständige Arbeits­ver­waltung ihre frühere Rechts­auf­fassung geändert hat und dies dem Arbeitgeber bekannt sein musste.

Die Klägerin war seit 1988 bei der Firma G. GmbH als Druck­vor­la­gen­her­stellerin beschäftigt. Über das Vermögen der G. GmbH wurde am 1. März 2005 das Insol­venz­ver­fahren eröffnet und der Beklagte wurde zum Insol­venz­ver­walter bestellt. Dieser vereinbarte am 18. März 2005 mit dem Betriebsrat einen Inter­es­sens­aus­gleich mit Namensliste. Gegenstand war die Perso­na­l­re­du­zierung um 13 Mitarbeiter von zu diesem Zeitpunkt insgesamt 75 Beschäftigten. Die Klägerin ist unter den zu kündigenden Arbeitnehmern in der Namensliste aufgeführt. Ende März 2005 kündigte der Beklagte die Arbeits­ver­hältnisse der dort namentlich benannten Arbeitnehmer. Mit Schreiben vom 25. April 2005 erstattete er die Massen­ent­las­sungs­anzeige.

Das Arbeitsgericht hat der Kündi­gungs­schutzklage stattgegeben. Das Landes­a­r­beits­gericht hat die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Sie führte zur Zurück­ver­weisung des Rechtsstreits an das Landes­a­r­beits­gericht. Ob im Zeitpunkt der Kündigung die Änderung der Rechts­auf­fassung der Arbeits­ver­waltung derart bekannt gegeben war, dass von dem Beklagten Kenntnisname erwartet werden konnte, bedarf noch der Aufklärung durch das Landes­a­r­beits­gericht.

Erläuterungen

Vorinstanz

Landes­a­r­beits­gericht Berlin, Urteil vom 20. Dezember 2005 - 12 Sa 1463/05 -

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 49/06 des BAG vom 13.07.2006

der Leitsatz

1. § 17 Abs. 1 KSchG ist im Hinblick auf die Richtlinie RL 98/59/EG vom 20. Juli 1998 richt­li­ni­en­konform dahin auszulegen, dass die Massen­ent­las­sungs­anzeige vor Erklärung der Kündigungen erstattet werden muss.

2. Wurde die Massen­ent­las­sungs­anzeige im Einklang mit der früheren Rechtsprechung und Verwal­tung­s­praxis erst nachträglich erstattet, kann sich der Arbeitgeber hinsichtlich der Wirksamkeit der Kündigungen auf Vertrau­ens­schutz berufen, solange er von der geänderten Rechts­auf­fassung der Arbeits­ver­waltung keine Kenntnis haben mußte.

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