21.11.2024
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Dokument-Nr. 33377

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Urteil18.10.2023Bundesarbeitsgericht5 AZR 22/23
Vorinstanz:
  • Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil29.11.2022, 6 Sa 200/22
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil18.10.2023

Arbeit auf Abruf: BAG stellt Beschäftigungs­zeiten klarBei Arbeit auf Abruf ohne vertragliche Regelung gelten 20 Wochenstunden als vereinbart

Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer Arbeit auf Abruf, legen aber die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht fest, gilt grundsätzlich nach § 12 Abs. 1 Satz 3 Teilzeit- und Befris­tungs­gesetz (TzBfG) eine Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich als vereinbart. Eine Abweichung davon kann im Wege der ergänzenden Vertrags­aus­legung nur dann angenommen werden, wenn die gesetzliche Regelung nicht sachgerecht ist und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, die Parteien hätten bei Vertragsschluss übereinstimmend eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit gewollt.

Die Klägerin ist seit dem Jahr 2009 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Druckindustrie, als „Abrufkraft Helferin Einlage“ beschäftigt. Der von ihr mit einer Rechts­vor­gängerin der Beklagten geschlossene Arbeitsvertrag enthält keine Regelung zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit. Die Klägerin wurde - wie die übrigen auf Abruf beschäftigten Arbeit­neh­me­rinnen - nach Bedarf in unter­schied­lichem zeitlichen Umfang zur Arbeit herangezogen. Nachdem sich der Umfang des Abrufs ihrer Arbeitsleistung ab dem Jahr 2020 im Vergleich zu den unmittelbar vorangegangenen Jahren verringerte, hat die Klägerin sich darauf berufen, ihre Arbeitsleistung sei in den Jahren 2017 bis 2019 nach ihrer Berechnung von der Beklagten in einem zeitlichen Umfang von durch­schnittlich 103,2 Stunden monatlich abgerufen worden. Sie hat gemeint, eine ergänzende Vertrags­aus­legung ergebe, dass dies die nunmehr geschuldete und von der Beklagten zu vergütende Arbeitszeit sei. Soweit der Abruf ihrer Arbeitsleistung in den Jahren 2020 und 2021 diesen Umfang nicht erreichte, hat sie Vergütung wegen Annahmeverzugs verlangt. Das Arbeitsgericht hat, ausgehend von der gesetzlichen Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG angenommen, die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit im Abruf­a­r­b­eits­ver­hältnis der Parteien betrage 20 Stunden. Es hat deshalb der Klage auf Zahlung von Annah­me­ver­zugs­ver­gütung nur in geringem Umfang insoweit stattgegeben, als in einzelnen Wochen der Abruf der Arbeitsleistung der Klägerin 20 Stunden unterschritten hatte. Das Landes­a­r­beits­gericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin, mit der sie an ihren weitergehenden Anträgen festgehalten hat, blieb vor dem Bundes­a­r­beits­ge­richts erfolglos.

Ohne vertragliche Regelung gelten 20 Wochenstunden als vereinbart

Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf), müssen sie nach § 12 Abs. 1 Satz 2 TzBfG arbeits­ver­traglich eine bestimmte Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit festlegen. Unterlassen sie das, schließt § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG diese Reglungslücke, indem kraft Gesetzes eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden als vereinbart gilt. Eine davon abweichende Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit kann im Wege der ergänzenden Vertrags­aus­legung nur dann angenommen werden, wenn die Fiktion des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG im betreffenden Arbeits­ver­hältnis keine sachgerechte Regelung ist und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten bei Vertragsschluss bei Kenntnis der Regelungslücke eine andere Bestimmung getroffen und eine höhere oder niedrigere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbart. Für eine solche Annahme hat die Klägerin jedoch keine Anhaltspunkte vorgetragen.

Abrufverhalten des Arbeitgebers nicht ausschlaggebend

Wird die anfängliche arbeits­ver­tragliche Lücke zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit bei Beginn des Arbeits­ver­hält­nisses durch die gesetzliche Fiktion des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG geschlossen, können die Parteien in der Folgezeit ausdrücklich oder konkludent eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbaren. Dafür reicht aber das Abrufverhalten des Arbeitgebers in einem bestimmten, lange nach Beginn des Arbeits­ver­hält­nisses liegenden und scheinbar willkürlich gegriffenen Zeitraum nicht aus. Allein dem Abrufverhalten des Arbeitgebers kommt ein rechts­ge­schäft­licher Erklärungswert dahingehend, er wolle sich für alle Zukunft an eine von § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG abweichende höhere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit binden, nicht zu. Ebenso wenig rechtfertigt allein die Bereitschaft des Arbeitnehmers, in einem bestimmten Zeitraum mehr als nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG geschuldet zu arbeiten, die Annahme, der Arbeitnehmer wolle sich dauerhaft in einem höheren zeitlichen Umfang als gesetzlich vorgesehen binden.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/ab)

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