Auslöser der durch das BAG im Jahr 1993 entschiedenen Streitigkeit war ein seltenes Phänomen im rheinischen Karneval: Als im Jahr 1991 der Karneval ausfiel, mussten Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes arbeiten. Wegen des Golfkriegs nämlich sagten in jenem Jahr zahlreiche rheinische Karnevalsgesellschaften ihre traditionellen Rosenmontagszüge ab. Auch der Rosenmontagszug der Stadt Bonn fiel aus. Daraufhin teilte der Kanzler der Universität Bonn seinen Mitarbeitern mit, dass für dieses Jahr die (in den vorausgegangenen Jahren übliche) Dienstbefreiung zum Karneval entfalle. Gegen diese Entscheidung erwirkte ein Mitarbeiter beim Arbeitsgericht Bonn eine einstweilige Verfügung, wonach ihm für den Rosenmontag Dienstbefreiung zu gewähren sei. Der Arbeitgeber - das beklagte Land Nordrhein-Westfalen - kam der Anordnung nach, kündigte jedoch schriftlich an, für den Tag der Dienstbefreiung keine Vergütung gewähren zu wollen. Dagegen wiederum wehrte sich der betroffene Mitarbeiter mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht Bonn, welches ihm Recht gab. Das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) hingegen wies in der Berufung die Klage ab. Das BAG - damals noch mit Sitz in Kassel (seit 1999 in Erfurt) - bestätigte das Berufungsurteil und wies die Revision ab.
Das BAG begründete die Revisionsabweisung wie folgt: Die Vertragsbeziehungen der Parteien könnten sich nur aufgrund betrieblicher Übung zu einem Anspruch auf bezahlte Freizeit am Rosenmontag ausgestaltet haben. Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Ein solches als Willenserklärung des Arbeitgebers zu wertendes Verhalten begründe vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend bei der Anspruchsentstehung sei, so das BAG, nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers, sondern nur die Frage, wie die Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durften.
Diese Grundsätze gelten für die Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes jedoch nur mit Einschränkung. Es sei davon auszugehen, dass der Arbeitgeber im Zweifeil nur die von ihm zu beachtenden gesetzlichen und tarifvertraglichen Normen vollziehen will. Daher müssen selbst bei langjährigen Vergünstigungen besondere zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes über das gewährte tarifliche Entgelt hinaus weitere Leistungen einräumen will, die auf Dauer gewährt und damit Vertragsbestandteil werden sollten.
Das LAG hatte bereits zuvor in seinem Berufungsurteil hervorgehoben, das beklagte Land habe im Streitfall Jahr für Jahr die Dienstbefreiung im voraus ausdrücklich und immer wieder aufs neue angeordnet. Weiter habe es in den jährlichen Rundschreiben ausdrücklich auf Ausnahmen von der Dienstbefreiung "im Interesse des Dienstbetriebs" hingewiesen. Aus diesen Umständen hatte das LAG gefolgert, der Arbeitgeber habe sich für die Arbeitnehmer erkennbar gerade nicht zu einer uneingeschränkten Leistung bereit erklärt und verpflichten wollen. Ein entsprechender Anspruch auf bezahlte Freistellung sei für den Rosenmontag und für eine bestimmte Zeit des folgenden Karnevalsdienstags daher nicht entstanden.
Dieser Begründung schloss sich das BAG an. Irgendwelche für den Bereich des öffentlichen Dienstes zur Anspruchsentstehung aus betrieblicher Übung zu verlangenden besonderen Umstände hätten auf Arbeitgeberseite nicht vorgelegen, beschied das BAG. Gerade das Gegenteil folge aus der Tatsache, dass die Dienstbefreiung in jedem Jahr ausdrücklich und mit besonderer Regelung des Dienstbetriebs im medizinischen Bereich gewährt worden sei. Unter diesen Umstände habe kein Vertrauen der beteiligten Arbeitnehmer darauf entstehen können, dass ihnen die Arbeitsbefreiung am Rosenmontag auf Dauer und uneingeschränkt als besondere Vergünstigung gewährt werden würde.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 23.02.2009
Quelle: ra-online, Bundesarbeitsgericht (vt/we)