21.11.2024
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Dokument-Nr. 7443

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Urteil24.03.1993Bundesarbeitsgericht5 AZR 16/92
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BAGE 73, 1Sammlung: Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAGE), Band: 73, Seite: 1
  • DB 1993, 1882Zeitschrift: Der Betrieb (DB), Jahrgang: 1993, Seite: 1882
  • MDR 1993, 990Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 1993, Seite: 990
  • NZA 1993, 749Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA), Jahrgang: 1993, Seite: 749
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Vorinstanz:
  • Landesarbeitsgericht Köln, Urteil08.11.1991, 13 (6) Sa 532/91
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil24.03.1993

Rosenmontag: Kein Anspruch auf Freistellung von Arbeit im öffentlichen DienstGrundsätze der betrieblichen Übung gelten für öffentlichen Dienst nur eingeschränkt

Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes müssen in der Regel davon ausgehen, dass ihnen ihr Arbeitgeber nur die Leistungen gewähren will, zu denen er rechtlich verpflichtet ist. Ohne besonderen Anhalt darf der Arbeitnehmer deshalb auch bei langjähriger Gewährung einer zusätzlichen Vergünstigung nicht darauf vertrauen, sie sei Vertragsinhalt geworden. Dies entschied das Bundes­a­r­beits­gericht (BAG).

Auslöser der durch das BAG im Jahr 1993 entschiedenen Streitigkeit war ein seltenes Phänomen im rheinischen Karneval: Als im Jahr 1991 der Karneval ausfiel, mussten Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes arbeiten. Wegen des Golfkriegs nämlich sagten in jenem Jahr zahlreiche rheinische Karne­vals­ge­sell­schaften ihre traditionellen Rosen­mon­tagszüge ab. Auch der Rosenmontagszug der Stadt Bonn fiel aus. Daraufhin teilte der Kanzler der Universität Bonn seinen Mitarbeitern mit, dass für dieses Jahr die (in den voraus­ge­gangenen Jahren übliche) Dienstbefreiung zum Karneval entfalle. Gegen diese Entscheidung erwirkte ein Mitarbeiter beim Arbeitsgericht Bonn eine einstweilige Verfügung, wonach ihm für den Rosenmontag Dienstbefreiung zu gewähren sei. Der Arbeitgeber - das beklagte Land Nordrhein-Westfalen - kam der Anordnung nach, kündigte jedoch schriftlich an, für den Tag der Dienstbefreiung keine Vergütung gewähren zu wollen. Dagegen wiederum wehrte sich der betroffene Mitarbeiter mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht Bonn, welches ihm Recht gab. Das Landes­a­r­beits­gericht Köln (LAG) hingegen wies in der Berufung die Klage ab. Das BAG - damals noch mit Sitz in Kassel (seit 1999 in Erfurt) - bestätigte das Berufungsurteil und wies die Revision ab.

Betriebliche Übung löst Ansprüche im privaten Arbeitsrecht aus

Das BAG begründete die Revisi­ons­ab­weisung wie folgt: Die Vertrags­be­zie­hungen der Parteien könnten sich nur aufgrund betrieblicher Übung zu einem Anspruch auf bezahlte Freizeit am Rosenmontag ausgestaltet haben. Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhal­tens­weisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Ein solches als Willen­s­er­klärung des Arbeitgebers zu wertendes Verhalten begründe vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend bei der Anspruch­s­ent­stehung sei, so das BAG, nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers, sondern nur die Frage, wie die Erklä­rungs­emp­fänger die Erklärung oder das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berück­sich­tigung aller Begleitumstände verstehen durften.

Im öffentlichen Dienst gelten im Zweifel nur gesetzliche und tarif­ver­tragliche Normen

Diese Grundsätze gelten für die Arbeits­ver­hältnisse des öffentlichen Dienstes jedoch nur mit Einschränkung. Es sei davon auszugehen, dass der Arbeitgeber im Zweifeil nur die von ihm zu beachtenden gesetzlichen und tarif­ver­trag­lichen Normen vollziehen will. Daher müssen selbst bei langjährigen Vergünstigungen besondere zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes über das gewährte tarifliche Entgelt hinaus weitere Leistungen einräumen will, die auf Dauer gewährt und damit Vertrags­be­standteil werden sollten.

Öffentlicher Arbeitgeber hatte sich nicht zu unein­ge­schränkter Leistung bereit erklärt

Das LAG hatte bereits zuvor in seinem Berufungsurteil hervorgehoben, das beklagte Land habe im Streitfall Jahr für Jahr die Dienstbefreiung im voraus ausdrücklich und immer wieder aufs neue angeordnet. Weiter habe es in den jährlichen Rundschreiben ausdrücklich auf Ausnahmen von der Dienstbefreiung "im Interesse des Dienstbetriebs" hingewiesen. Aus diesen Umständen hatte das LAG gefolgert, der Arbeitgeber habe sich für die Arbeitnehmer erkennbar gerade nicht zu einer unein­ge­schränkten Leistung bereit erklärt und verpflichten wollen. Ein entsprechender Anspruch auf bezahlte Freistellung sei für den Rosenmontag und für eine bestimmte Zeit des folgenden Karne­vals­dienstags daher nicht entstanden.

BAG schließt sich Begründung des LAG an

Dieser Begründung schloss sich das BAG an. Irgendwelche für den Bereich des öffentlichen Dienstes zur Anspruch­s­ent­stehung aus betrieblicher Übung zu verlangenden besonderen Umstände hätten auf Arbeit­ge­berseite nicht vorgelegen, beschied das BAG. Gerade das Gegenteil folge aus der Tatsache, dass die Dienstbefreiung in jedem Jahr ausdrücklich und mit besonderer Regelung des Dienstbetriebs im medizinischen Bereich gewährt worden sei. Unter diesen Umstände habe kein Vertrauen der beteiligten Arbeitnehmer darauf entstehen können, dass ihnen die Arbeits­be­freiung am Rosenmontag auf Dauer und uneingeschränkt als besondere Vergünstigung gewährt werden würde.

Quelle: ra-online, Bundesarbeitsgericht (vt/we)

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