23.11.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil15.04.2015

BAG zur Anwendung des Günstigkeits­vergleichs bei Ansprüchen aus TarifvertragBei nicht feststellbarer günstigerer individual­vertraglicher Regelung bleibt es bei Geltung der tariflichen Bestimmungen

Die Regelungen eines auf ein Arbeits­ver­hältnis aufgrund vertraglicher Bezugnahme anwendbaren Tarifvertrags kommen nach dem in § 4 Abs. 3 TVG verankerten Günstig­keits­prinzip nur zum Tragen, soweit sie gegenüber dem kraft beiderseitiger Tarif­ge­bun­denheit geltenden Tarifvertrag für den Arbeitnehmer günstiger sind. Dies ist im Wege des sogenannten Sach­gruppen­vergleichs zu ermitteln. Ist nach diesen Maßstäben nicht zweifelsfrei feststellbar, dass die individual­vertragliche Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist, verbleibt es bei der zwingenden Geltung der tariflichen Bestimmungen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­arbeits­gerichts hervor.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens, Mitglied der Gewerkschaft ver.di, ist bei der Beklagten beschäftigt. Der Arbeitsvertrag verweist auf die Tarifverträge für die Angestellten/Arbeiter der Deutschen Bundespost TELEKOM (Ost) in ihrer jeweiligen Fassung. 1995 wurde das Arbeits­ver­hältnis auf die Deutsche Telekom AG (DT AG) übergeleitet. Am 25. Juni 2007 erfolgte ein Betrie­bs­übergang auf die Beklagte. Am selben Tag schloss diese mit der Gewerkschaft ver.di Hausta­rif­verträge ab, die insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeiten (Erhöhung der betrieblichen Arbeitszeit von 34 auf 38 Stunden) sowie der Zusammensetzung und Höhe der Vergütung von den bei der DT AG geltenden Tarifverträgen abweichen. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die Arbeitszeit- und Entgelt­re­ge­lungen der letztgenannten Tarifverträge mit Stand des letzten Betrie­bs­übergangs aufgrund der vertraglichen Bezugnahme auf sein Arbeits­ver­hältnis weiter anzuwenden seien. Diese Bestimmungen seien günstiger als die kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit geltenden Tarifverträge der Beklagten. Er begehrte deshalb die Beschäftigung mit einer Woche­n­a­r­beitszeit von 34 Stunden sowie - für mehrere Monate des Jahres 2011 - insbesondere die Vergütung von wöchentlich vier weiteren Stunden nebst Zuschlägen.

Arbeitszeit und regelmäßig geschuldetes Arbeitsentgelt können im vorzunehmenden Sachgrup­pen­ver­gleich nicht isoliert betrachtet werden

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landes­a­r­beits­gericht hat der Berufung des Klägers überwiegend stattgegeben. Die Revision der Beklagten vor dem Bundes­a­r­beits­gericht war weitgehend erfolgreich, während die Revision des Klägers zurückzuweisen war. Zwar finden die Tarifverträge der DT AG mit Stand vom 24. Juni 2007 aufgrund der arbeits­ver­trag­lichen Bezug­nah­me­klausel auf das Arbeits­ver­hältnis der Parteien weiter Anwendung. Deren Arbeitszeit- und Entgelt­be­stim­mungen sind aber im maßgebenden Zeitraum nicht günstiger als die für das Arbeits­ver­hältnis der Parteien unmittelbar und zwingend geltenden Tarifverträge der Beklagten. Bei dem vorzunehmenden Sachgrup­pen­ver­gleich können Arbeitszeit und das regelmäßig geschuldete Arbeitsentgelt nicht isoliert betrachtet werden. Sie bilden vielmehr eine einheitliche Sachgruppe. Ändert sich eine der zu vergleichenden Regelungen, ist für den betreffenden Zeitabschnitt ein erneuter Vergleich durchzuführen. Ist danach - wie im Entschei­dungsfall - im maßgebenden Zeitraum nach den normativ geltenden Tarifverträgen sowohl die Arbeitszeit länger als auch das dem Arbeitnehmer hierfür zustehende Monatsentgelt höher, ist die einzel­ver­tragliche Regelung nicht zweifelsfrei günstiger iSv. § 4 Abs. 3 TVG.

Quelle: Bundesarbeitsgericht/ra-online

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