15.11.2024
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Dokument-Nr. 29298

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Urteil13.10.2020Bundesarbeitsgericht3 AZR 410/19
Vorinstanz:
  • Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil21.08.2020, 7 Sa 2/109
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Bundesarbeitsgericht Urteil13.10.2020

BAG: Änderung von Anpassungs­regelungen zum Abbau einer Überversorgung gerechtfertigtÖffentliche Haushaltslage kann Netto­li­mi­tierung beim Ruhegeld rechtfertigen

Liegt ein Fall der planmäßigen Überversorgung vor, können im öffentlichen Dienst die Anforderungen der sparsamen und wirtschaft­lichen Haushalts­führung die Anpassung von Versor­gungs­re­ge­lungen, wie etwa die Einführung einer sog. Netto­li­mi­tierung, rechtfertigen. Die Grundsätze des Vertrau­ens­schutzes und der Verhält­nis­mä­ßigkeit können die Änderung einer Anpas­sungs­re­gelung stützen. Versor­gungs­ordnung – der Einwand der Verwirkung aus § 242 BGB nicht entge­gen­ge­halten werden kann.

Dem Kläger war von seinem früheren Arbeitgeber - einer Handelskammer - eine betriebliche Alters­ver­sorgung in Form einer Gesamtzusage (VO I) zugesagt worden. Im Jahr 1995 wurde die VO I überarbeitet (VO I 1995) und für Neueintritte geschlossen. Zugesagt war hiernach eine Gesamt­ver­sorgung iHv. max. 75 vH des zuletzt bezogenen Bruttogehalts unter Anrechnung der gesetzlichen Rente. Im Versorgungsfall wurde der Gesamt­ver­sor­gungs­betrag jeweils entsprechend der Erhöhung der Tarifgehälter aufgrund einer betrieblichen Übung angepasst. Seit 1991 lag - bei einer Brutto­ver­sorgung von 75 vH bezogen auf einen Durch­schnitts­ver­dienst - eine sog. Überversorgung iHv. 107,4 vH vor, in den Jahren 1995 und 2015 iHv. 113,1 vH.

Einführung einer Netto­li­mi­tierung zum Abbau der Überversorgung

Zum Abbau der Überversorgung schloss die ehemalige Arbeitgeberin 2017 mit ihrem Personalrat eine Dienst­ver­ein­barung (DV 2017). Hierdurch wurde für die Versor­gungs­emp­fänger eine sog. Netto­li­mi­tierung eingeführt. Um eine Reduzierung des bisher gezahlten Ruhegeldes zu vermeiden, ist ein Ausgleichs­betrag vorgesehen. Gleichzeitig wurde die Regelung über die Anpassung der laufenden Ruhegelder dahin geändert, dass keine Anpassung der Gesamt­ver­sorgung an die Tarif­ent­wicklung mehr erfolgt, sondern nur noch des gezahlten Ruhegeldes. Die Renten­stei­ge­rungen in der gesetzlichen Renten­ver­si­cherung werden nicht mehr angerechnet. Der Ausgleichs­betrag, der an der Tarifsteigerung ebenfalls nicht teilhat, wird über einen Zeitraum von in der Regel 10 Jahren abgeschmolzen.

Kläger begehrte Altersruhegeld nach alter Regelung

Für den Kläger bedeutet dies, dass sich das zuletzt gezahlte Ruhegeld tatsächlich nicht vermindert hat, ihm allerdings im Vergleich zur Rechtslage nach der VO I 1995 ab dem 1. April 2017 Steigerungen seines Ruhegeldes entgangen sind. Er begehrt mit seiner Klage ein Altersruhegeld nach den bisherigen Regelungen der VO I 1995. Die Ablösung der VO I 1995 und der Anpas­sungs­re­gelung durch die DV 2017 sei ihm gegenüber nicht wirksam erfolgt.

BAG: Änderung von Anpas­sungs­re­ge­lungen gerechtfertigt

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landes­a­r­beits­gericht hat ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Bundes­a­r­beits­ge­richts Erfolg. Die DV 2017, die die Beklagte gegenüber dem Kläger als Ruhegel­d­emp­fänger auch bei einer ggf. vorliegenden Teilun­wirk­samkeit wegen Überschreitung der Regelungsmacht der Dienst­ver­ein­ba­rungs­parteien umsetzen konnte, war geeignet, die VO I 1995 und die auf betrieblicher Übung beruhende Anpas­sungs­re­gelung abzulösen.

Eingriffe ausreichend sachlich gerechtfertigt

Die damit verbundenen Eingriffe hielten einer rechtlichen Überprüfung stand. Sie konnten auf das gesetzliche Gebot der sparsamen und wirtschaft­lichen Haushalts­führung des öffentlichen Dienstes bzw. die Ablösungs­of­fenheit der Versor­gungs­re­ge­lungen unter Berück­sich­tigung der Grundsätze des Vertrau­ens­schutzes und der Verhält­nis­mä­ßigkeit gestützt werden. Sowohl die Einführung der sog. Netto­li­mi­tierung zum Abbau einer planmäßigen Überversorgung als auch die Änderung der Anpas­sungs­re­gelung waren ausreichend sachlich gerechtfertigt.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/ab)

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