18.10.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil16.02.2010

Nach über 15 Jahren weiterhin Anspruch auf Zahlung von "Rentner­weih­nachtsgeld"Rechtsanspruch auf Weihnachtsgeld kann aus betrieblicher Übung entstehen

Zahlt ein Unternehmen seinen aus dem Arbeits­ver­hältnis ausgeschiedenen Mitarbeitern über längere Zeit ein Weihnachtsgeld, ohne einen ausdrücklichen Freiwil­lig­keits­vor­behalt zu formulieren, kann daraus ein Rechtsanspruch der ehemaligen Mitarbeiter auf Fortführung der Zahlung entstehen. Dies geht aus einem Urteil des Bundes­a­r­beits­ge­richts hervor.

Eine Rentnerin erhielt von ihrem ehemaligen Arbeitgebers seit ihrem Ausscheiden aus dem Arbeits­ver­hältnis im Jahr 1985 Versor­gungs­leis­tungen in Form von Weihnachtsgeld. Ohne Berück­sich­tigung der Dauer der Betrie­bs­zu­ge­hö­rigkeit und der Höhe des zuvor bezogenen Arbeits­ent­geltes zahlte das Unternehmen an alle Betriebsrentner jeweils im November eines jeden Jahres einen Betrag in Höhe von zunächst 500 Euro, später in Höhe von 250 Euro. Im Januar 2002 teilte das Unternehmen der Rentnerin schriftlich mit, dass die freiwillige Zahlung, die sie bislang gemeinsam mit ihrer Rentenzahlung erhalten habe, nur noch bis 2004 geleistet werde. Der Arbeitgeber stellte dann auch wie angekündigt im Jahr 2005 die Zahlung des Weihnachts­geldes ein. Daraufhin klagte die Rentnerin und forderte die Zahlung des seit 2005 ausgebliebenen Weihnachts­geldes.

Unternehmen beruft sich auf sein Widerrufsrecht

Das Unternehmen gab an, der erbrachten Leistung in Form der Weihnachtsgratifikation stehe ein immanenter Freiwilligkeitsvorbehalt entgegen. Im Gegensatz zur Zahlung an aktive Arbeitnehmer verfolge die Zahlung von Weihnachtsgeld an Betriebsrentner nicht den Zweck, Arbeits­leis­tungen zu honorieren oder Betriebstreue zu fördern. Mit der Entscheidung, diese Leistung für die Zukunft einzustellen, übe das Unternehmen lediglich sein ihm zustehendes Widerrufsrecht aus.

Versor­gungs­ver­pflichtung aus betrieblicher Übung ist Versor­gungs­ver­pflichtung aus einer ausdrücklichen Versor­gungs­zusage gleichzusetzen

Das Bundes­a­r­beits­gericht stellte einen Anspruch der Klägerin auf Fortführung der Zahlung des Weihnachts­geldes fest. Hierbei ergebe sich das Recht der Klägerin vor allem aus der "betrieblichen Übung". Die betriebliche Übung sei ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, das geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung zu begründen, wenn die Leistungs­emp­fänger aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen dürfen, ihnen werde die Leistung auch künftig gewährt. Durch die dreimalige vorbehaltlose Gewährung einer Weihnachts­gra­ti­fi­kation werde eine Verpflichtung des Arbeitgebers begründet, von der er sich nicht mehr einseitig lossagen kann. Im Bereich der betrieblichen Alters­ver­sorgung habe der Gesetzgeber die betriebliche Übung ausdrücklich als Rechtsquelle anerkannt (§ 1 b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG). Danach sei die Verpflichtung aus einer ausdrücklichen Versor­gungs­zusage einer auf betrieblicher Übung beruhenden Versor­gungs­ver­pflichtung gleichzusetzen.

Entstehen einer betrieblichen Übung kann durch hinreichend deutlichen Vorbehalt des Arbeitgebers vermieden werden

Im vorliegenden Fall sei aufgrund der über mehr als zehn Jahre geleisteten Weihnachts­gra­ti­fi­kation an die Rentnerin ein vertraglicher Anspruch auf Zahlung des Weihnachts­geldes entstanden, da das Rentnerweihnachtsgeld der Alters­ver­sorgung der Versor­gungs­emp­fänger diene. Der Arbeitnehmer selbst habe es in der Hand, das Entstehen einer betrieblichen Übung zu vermeiden, indem er mit der Zahlung des Weihnachts­geldes einen hinreichend deutlichen Vorbehalt verbindet. Den einschränkenden Vorbehalt müsse er zwar nicht ausdrücklich formulieren, aber klar und deutlich zum Ausdruck bringen. Im vorliegenden Fall sei die Zahlung des Weihnachts­geldes seit 1992 jedoch ohne Vorbehalt eines Widerrufs der Leistung erfolgt.

Quelle: ra-online, Bundesarbeitsgericht (vt/st)

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