Bundesarbeitsgericht Urteil16.02.2010
Nach über 15 Jahren weiterhin Anspruch auf Zahlung von "Rentnerweihnachtsgeld"Rechtsanspruch auf Weihnachtsgeld kann aus betrieblicher Übung entstehen
Zahlt ein Unternehmen seinen aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Mitarbeitern über längere Zeit ein Weihnachtsgeld, ohne einen ausdrücklichen Freiwilligkeitsvorbehalt zu formulieren, kann daraus ein Rechtsanspruch der ehemaligen Mitarbeiter auf Fortführung der Zahlung entstehen. Dies geht aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts hervor.
Eine Rentnerin erhielt von ihrem ehemaligen Arbeitgebers seit ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis im Jahr 1985 Versorgungsleistungen in Form von Weihnachtsgeld. Ohne Berücksichtigung der Dauer der Betriebszugehörigkeit und der Höhe des zuvor bezogenen Arbeitsentgeltes zahlte das Unternehmen an alle Betriebsrentner jeweils im November eines jeden Jahres einen Betrag in Höhe von zunächst 500 Euro, später in Höhe von 250 Euro. Im Januar 2002 teilte das Unternehmen der Rentnerin schriftlich mit, dass die freiwillige Zahlung, die sie bislang gemeinsam mit ihrer Rentenzahlung erhalten habe, nur noch bis 2004 geleistet werde. Der Arbeitgeber stellte dann auch wie angekündigt im Jahr 2005 die Zahlung des Weihnachtsgeldes ein. Daraufhin klagte die Rentnerin und forderte die Zahlung des seit 2005 ausgebliebenen Weihnachtsgeldes.
Unternehmen beruft sich auf sein Widerrufsrecht
Das Unternehmen gab an, der erbrachten Leistung in Form der Weihnachtsgratifikation stehe ein immanenter Freiwilligkeitsvorbehalt entgegen. Im Gegensatz zur Zahlung an aktive Arbeitnehmer verfolge die Zahlung von Weihnachtsgeld an Betriebsrentner nicht den Zweck, Arbeitsleistungen zu honorieren oder Betriebstreue zu fördern. Mit der Entscheidung, diese Leistung für die Zukunft einzustellen, übe das Unternehmen lediglich sein ihm zustehendes Widerrufsrecht aus.
Versorgungsverpflichtung aus betrieblicher Übung ist Versorgungsverpflichtung aus einer ausdrücklichen Versorgungszusage gleichzusetzen
Das Bundesarbeitsgericht stellte einen Anspruch der Klägerin auf Fortführung der Zahlung des Weihnachtsgeldes fest. Hierbei ergebe sich das Recht der Klägerin vor allem aus der "betrieblichen Übung". Die betriebliche Übung sei ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, das geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung zu begründen, wenn die Leistungsempfänger aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen dürfen, ihnen werde die Leistung auch künftig gewährt. Durch die dreimalige vorbehaltlose Gewährung einer Weihnachtsgratifikation werde eine Verpflichtung des Arbeitgebers begründet, von der er sich nicht mehr einseitig lossagen kann. Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung habe der Gesetzgeber die betriebliche Übung ausdrücklich als Rechtsquelle anerkannt (§ 1 b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG). Danach sei die Verpflichtung aus einer ausdrücklichen Versorgungszusage einer auf betrieblicher Übung beruhenden Versorgungsverpflichtung gleichzusetzen.
Entstehen einer betrieblichen Übung kann durch hinreichend deutlichen Vorbehalt des Arbeitgebers vermieden werden
Im vorliegenden Fall sei aufgrund der über mehr als zehn Jahre geleisteten Weihnachtsgratifikation an die Rentnerin ein vertraglicher Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes entstanden, da das Rentnerweihnachtsgeld der Altersversorgung der Versorgungsempfänger diene. Der Arbeitnehmer selbst habe es in der Hand, das Entstehen einer betrieblichen Übung zu vermeiden, indem er mit der Zahlung des Weihnachtsgeldes einen hinreichend deutlichen Vorbehalt verbindet. Den einschränkenden Vorbehalt müsse er zwar nicht ausdrücklich formulieren, aber klar und deutlich zum Ausdruck bringen. Im vorliegenden Fall sei die Zahlung des Weihnachtsgeldes seit 1992 jedoch ohne Vorbehalt eines Widerrufs der Leistung erfolgt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 31.01.2012
Quelle: ra-online, Bundesarbeitsgericht (vt/st)