18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 17853

Drucken
Urteil20.06.2013Bundesarbeitsgericht2 AZR 546/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2014, 720Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 720
  • ZD 2014, 260Zeitschrift für Datenschutz (ZD), Jahrgang: 2014, Seite: 260
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanz:
  • Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil18.04.2012, 18 Sa 1474/11
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil20.06.2013

Verdacht eines Diebstahls durch Arbeitnehmer: Arbeitgeber darf nicht heimlich Spind des Arbeitnehmers durchsuchenKeine Berück­sich­tigung der durch heimliche Schrank­kon­trolle gewonnenen Erkenntnisse

Ein Arbeitgeber darf trotz bestehenden Diebstahl­ver­dachts gegen einen Arbeitnehmer nicht dessen Spind heimlich durchsuchen. Dadurch gewonnene Erkenntnisse dürfen angesichts der in der heimlichen Durchsuchung liegenden Schwere der Persönlich­keits­verletzung nicht als Begründung für eine fristlose Kündigung herangezogen werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­arbeits­gerichts hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im März 2011 wurde angesichts eines bestehenden Diebstahl­ver­dachts gegenüber einem Verkäufer sein verschlossener Spind von der Arbeitgeberin und einem Betrie­bs­rats­mitglied durchsucht. Dabei wurde laut Arbeitgeberin vom Verkäufer entwendete Damen­un­ter­wäsche gefunden. Daraufhin erstattete die Arbeitgeberin Strafanzeige. Die darauf folgende Wohnungs­durch­suchung des Verkäufers sowie der erneuten Durchsuchung seines Spinds verliefen jedoch ergebnislos. Dennoch wurde der Verkäufer fristlos gekündigt. Da seiner Meinung nach die Schrank­durch­suchung rechtswidrig gewesen sei und daher die dadurch gewonnenen Erkenntnisse unverwertbar gewesen seien, erhob er Kündi­gungs­schutzklage.

Landes­a­r­beits­gericht gab Klage statt

Das Hessische Landes­a­r­beits­gericht gab der Klage statt und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Spindkontrolle unverhältnismäßig und daher rechtswidrig gewesen sei. Daher seien die dadurch gewonnenen Erkenntnisse nicht verwertbar und die fristlose Kündigung unwirksam gewesen. Gegen diese Entscheidung legte die Arbeitgeberin Revision ein.

Diebstahl­s­verdacht rechtfertigt grundsätzlich fristlose Kündigung

Das Bundes­a­r­beits­gericht bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Zwar sei es richtig, dass selbst der Verdacht eines Diebstahls und eine somit schwerwiegende Pflicht­ver­letzung einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für eine fristlose Kündigung darstellen kann. Voraussetzung dafür sei, dass der Verdacht auf konkrete objektive Tatsachen gestützt sei, die Verdachts­momente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeits­ver­hältnis erforderliche Vertrauen zu zerstören, sowie der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat. Dies erfordere insbesondere die Anhörung des Arbeitnehmers. Jedoch sei zu beachten gewesen, dass die durch die heimliche Schrankkontrolle gewonnenen Beweismittel nicht verwertbar waren (sog. Beweis­ver­wer­tungs­verbot).

Durchsuchung eines Schranks unter Beachtung der Verhält­nis­mä­ßigkeit

Das Bundes­a­r­beits­gericht verwies darauf, dass der persönliche Schrank des Abreitnehmers und dessen Inhalt Teil dessen Privatsphäre sei. Ein Arbeitnehmer dürfe also darauf vertrauen, dass der Schrank nicht ohne Einwilligung geöffnet und durchsucht wird. Kommt es dennoch dazu, liege regelmäßig ein schwerwiegender Eingriff in die Privatsphäre vor. Ein solcher Eingriff könne zwar durch zwingende Gründe gerechtfertigt sein, wie etwa durch einen konkreten Diebstahl­s­verdacht. Jedoch müsse die Art und Weise der Durchsuchung verhältnismäßig sein.

Heimliche Spindkontrolle war unver­hält­nismäßig

Die von der Arbeitgeberin im Beisein eines Betrie­bs­rats­mit­glieds durchgeführte heimliche Spindkontrolle sei nach Ansicht des Bundes­a­r­beits­ge­richts unver­hält­nismäßig gewesen. Die Arbeitgeberin hätte den Arbeitnehmer bei der Kontrolle hinzuziehen müssen. Dies hätte im Gegensatz zur heimlichen Durchsuchung ein milderes Mittel dargestellt. Denn nur dadurch hätte der Arbeitnehmer die Möglichkeit gehabt auf die Art und Weise der Durchsuchung Einfluss zu nehmen oder effektiv Rechtsschutz suchen können. Zudem sei als milderes Mittel die Durchführung einer Personen- bzw. Taschen­kon­trolle beim Verlassen des Marktes sowie einer daran anschließenden offenen Spindkontrolle in Betracht gekommen. Zwar könne auch eine heimliche Durchsuchung zulässig sein. Gründe, die für eine Zulässigkeit gesprochen hätten, haben aber nicht vorgelegen.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil17853

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI