Bundesarbeitsgericht Urteil15.12.2016
BAG zur "Druckkündigung": Rechtswidrige Arbeitsniederlegung von Beschäftigten zwecks Erreichens einer unberechtigten Kündigung eines Arbeitnehmers kann dessen Kündigung rechtfertigenArbeitgeber muss aber Belegschaft durch zumutbare Maßnahmen von Arbeitsniederlegung abbringen
Drohen Beschäftigte mit einer Arbeitsniederlegung, um somit die Kündigung eines unliebsamen Kollegen zu erreichen, ist dessen Kündigung als sogenannte "Druckkündigung" nur dann zulässig, wenn der Arbeitgeber die drohenden wirtschaftlichen Nachteile durch den Hinweis auf die Rechtswidrigkeit der Arbeitsniederlegung und durch Drohung mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen zu verhindern versucht. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Hafenfacharbeiter wurde im September 2011 von seiner Arbeitgeberin gekündigt, da der Hafenfacharbeiter außerdienstlich ein Kind missbraucht hatte. Die Kündigung hatte vor Gericht jedoch keinen Bestand. Im April 2012 versuchte die Arbeitgeberin erneut das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung zu beenden, da Mitarbeiter eine weitere Zusammenarbeit mit dem Hafenfacharbeiter ablehnten. Auch diese Kündigung wurde von den Gerichten als unwirksam angesehen. Im Juli 2013 eskalierte die Situation erneut. Mehrere Mitarbeiter sowie Arbeiter von Drittfirmen weigerten sich ihre Tätigkeit aufzunehmen, solange sich der Hafenfacharbeiter auf dem Betriebsgelände aufhalte. Die Arbeitgeberin kündigte daraufhin erneut das Arbeitsverhältnis. Auch gegen diese Kündigung erhob der Hafenfacharbeiter Kündigungsschutzklage.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht bejahten Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung
Sowohl das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven als auch das Landesarbeitsgericht Bremen hielten zwar eine fristlose Kündigung für unzulässig. Sie bejahten aber die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung. Gegen diese Entscheidung legte der Hafenfacharbeiter Revision ein.
Bundesarbeitsgericht verneint Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung
Das Bundesarbeitsgericht entschied zu Gunsten des Hafenfacharbeiters und hob daher die Entscheidung der Vorinstanz auf. Die Kündigung des Arbeitnehmers sei auch nicht als ordentliche Kündigung wirksam gewesen. Die Voraussetzungen einer Druckkündigung haben nicht vorgelegen.
Zulässige Druckkündigung bei Versuch Arbeitsniederlegung zu verhindern und bei drohenden wirtschaftlichen Nachteilen
Das ernstliche Verlangen von Mitarbeitern, die unter Androhung einer Arbeitsniederlegung die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen, könne nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts selbst dann einen betriebsbedingten Grund zur Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 des Kündigungsschutzgesetzes bilden, wenn die Arbeitsniederlegung rechtswidrig sei. Eine solche Druckkündigung sei jedoch nur dann wirksam, wenn der Arbeitgeber alles Zumutbare versucht habe, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen und durch die in Aussicht gestellte Arbeitsniederlegung schwere wirtschaftliche Nachteile drohen. Ein Arbeitgeber dürfe nicht ohne weiteres dem Verlangen der Belegschaft nachgeben. Er habe sich vielmehr schützend vor den Betroffenen zu stellen.
Unzulässige Druckkündigung
Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sei die Druckkündigung des Hafenfacharbeiters unzulässig gewesen, da die Arbeitgeberin nicht in ausreichender Weise versucht habe, den auf sie ausgeübten Druck anders als durch die Kündigung abzuwehren. Es sei zu beachten, dass durch eine Arbeitsverweigerung zwecks Erreichens einer unberechtigten Kündigung eines Kollegen die arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht verletzt werde. Es sei dem Arbeitgeber stets zuzumuten, die Beschäftigten darauf hinzuweisen, dass ihr Verhalten einen schwerwiegenden, nach Abmahnung und Kündigung berechtigenden Vertragsbruch darstelle und dass ihnen für die ausfallende Arbeit kein Entgelt zustehe.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.08.2017
Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)