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Bundesarbeitsgericht Urteil19.04.2012
Zukleben von Kindermündern mit Tesafilm berechtigt zu einer ordentlichen LehrerkündigungAbmahnung wegen schwerwiegenden Pflichtenverstoß nicht erforderlich
Klebt eine Grundschullehrerin zu Disziplinarzwecken die Münder ihrer Schüler zu, so darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ordentlich kündigen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Im zugrunde liegenden Fall stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Die Klägerin war beim beklagten Land als Lehrerin angestellt. Während einer Unterrichtsstunde hat die Klägerin zwei Schülern den Mund mit einem durchsichtigen Tesafilm zugeklebt. Das beklagte Land war der Meinung es habe eine unzulässige Erziehungsmaßnahme vorgelegen und kündigte daher das Arbeitsverhältnis fristgemäß. Gegen diese Kündigung erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage. Sie meinte, das Zukleben der Münder geschah nicht zu Disziplinarzwecken, sondern scherzhaft. Sie habe sogar auf Wunsch der Schüler das Zukleben wiederholt. Alle Schüler hätten die Angelegenheit als Spaß empfunden. Beide Vorinstanzen gaben der Klage statt. Daraufhin legte das beklagte Land Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt ein.
Zukleben der Münder als Erziehungsmaßnahme unzulässig
Das Bundesarbeitsgericht sah in dem Zukleben der Schülermünder mit Tesafilm zu Disziplinierungszwecken einen geeigneten Grund zur fristgemäßen, ordentlichen Kündigung. Denn in einem solchen Fall liege ein massiver Verstoß gegen die Pflichten einer Erzieherin vor. Es bedürfe in Anbetracht eines so schwerwiegenden Pflichtenverstoßes auch keiner vorherigen Abmahnung.
In dem Zukleben eines Kindermundes liege nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes eine entwürdigende Maßnahme. Die Kinder werden dadurch zum Gespött anderer Personen, insbesondere von Freunden und Klassenkameraden. Sie seien deren Verachtung ausgesetzt. Damit werden die Selbstachtung und das Ehrgefühl des betroffenen Kindes erheblich beeinträchtigt. Zum Erziehungsauftrag einer Grundschullehrerin gehöre aber, dass die Schüler zur Achtung der Würde des Menschen, zur Selbstbestimmung, zur Anerkennung und Bindung an ethische Werte, zum verantwortlichen Gebrauch der Freiheit und zu friedlicher Gesinnung zu erziehen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 SchulG LSA). Danach stelle das Zukleben eines Schülermundes kein zulässiges Erziehungsmittel dar.
Objektiver Maßstab ist anzuwenden
Weiterhin sei nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes zu beachten, dass es nicht darauf ankomme, ob die entwürdigende Maßnahme vom betroffenen Kind tatsächlich als Verletzung aufgefasst und gefühlt oder ob sie als "spaßig" empfunden werde. Entscheidend sei vielmehr die objektive Eignung als entwürdigend.
Endgültige Entscheidung war nicht möglich
Das Bundesarbeitsgericht verwies die Sache zur neuen Entscheidung an das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt zurück. Die Klägerin habe den Sachverhalt anders geschildert als das beklagte Land und es sei nicht ersichtlich gewesen welchen der beiden Geschehensabläufe das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe. Dies sei aber wegen § 559 Abs. 1 und 2 ZPO erforderlich.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.11.2012
Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)
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