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Bundesarbeitsgericht Urteil25.04.1996

Eine per Einschreiben verschickte Kündigung geht mit Aushändigung des Einschreibens zuDer Zugang erfolgt nicht schon mit Einwerfen des Benach­rich­ti­gungs­zettels in den Hausbriefkasten

Eine fristlose Kündigung geht im Sinne des § 130 BGB dann zu, wenn sie in den Bereich des Empfängers gelangt ist. Der Zugang der Kündigung ist regelmäßig mit dem Einwurf in den Hausbriefkasten anzunehmen, weil der Empfänger dann im Anschluss an die üblichen Zustellzeiten vom Inhalt der Willen­s­er­klärung Kenntnis nehmen kann. Dies entschied das Bundes­a­r­beits­gericht.

Im zugrunde liegenden Fall wurde einen Arbeitnehmer am 20.07.1993 die fristlose Kündigung des Arbeits­ver­hält­nisses erklärt und ihm mitgeteilt, die Kündigung werde noch schriftlich bestätigt. Mit einem Schreiben vom 20. Juli 1993, das der Arbeitgeber als Einschreiben mit Rückschein versandte, "wiederholte" er "die gestrige mündliche fristlose Kündigung".

Bei einem Zustel­lungs­versuch der Post am 22. Juli 1993 wurde der Arbeitnehmer in seinem Haus nicht angetroffen und der Postbote hinterließ im Briefkasten einen Benach­rich­ti­gungs­zettel. Am 23. Juli 1993 reiste der Arbeitnehmer mit seiner Familie in Urlaub. Ursprünglich war beabsichtigt, dass die Familie ohne ihn fahren sollte, weil er zwar für diese Zeit bei seinem Arbeitgeber Urlaub beantragt hatte, dieser aber nicht bewilligt worden war. Erst nach dem Gespräch vom 20. Juli 1993 entschloss sich der Arbeitnehmer mitzufahren. Er übergab vor seiner Abreise den Benach­rich­ti­gungs­zettel nebst einer entsprechenden Vollmacht einem Bekannten, dem der Brief am 28. Juli 1993 von der Post ausgehändigt wurde.

Am 17. August 1993 reichte der Arbeitnehmer gegen die Kündigung eine Kündigungsklage beim Arbeitsgericht ein und machte geltend, dass ihm die Kündigung erst am 28. Juli 1993 zugegangen sei.

Das Arbeitsgericht und das Landes­a­r­beits­gericht wiesen die Klage als verfristet ab. Das Bundes­a­r­beits­gericht hob in der Revisi­ons­instanz diese Urteile auf und verwies die Sache an das Landes­a­r­beits­gericht zurück.

Das Bundes­a­r­beits­gericht führte aus, dass die Klagefrist nicht bereits dadurch versäumt sei, dass die Kündigung dem Kläger durch die mündliche Erklärung der Beklagten vom 20. Juli 1993 zugegangen ist und der Kläger nicht innerhalb von 3 Wochen seit dem 20. Juli 1993 Klage erhoben hat.

Zugegangen im Sinne des § 130 BGB sie eine Willen­s­er­klärung dann, wenn sie "in den Bereich des Empfängers gelangt ist. Dies sei regelmäßig bei Einwurf in den Hausbriefkasten anzunehmen, da der Empfänger dann im Anschluss an die üblichen Zustellzeiten vom Inhalt der Willen­s­er­klärung Kenntnis nehmen kann. Bei der Versendung per Einschreiben stecke jedoch der Postbote nicht die Willen­s­er­klärung, sondern nur den Benach­rich­ti­gungs­zettel in den Hausbriefkasten. Durch den Benach­rich­ti­gungs­zettel werde der Empfänger lediglich in die Lage versetzt, das Einschreiben in seinen Machtbereich zu bringen. Die Niederlegung des Einschreibens bei der Post und die Benach­rich­tigung des Empfängers von der Niederlegung könnten deshalb den Zugang der Willen­s­er­klärung nicht ersetzen. Zugegangen ist das Einschreiben erst mit der Aushändigung des Origi­nal­schreibens durch die Post (BAG Urteil vom 15. November 1962 - 2 AZR 301/62 -; BGHZ 67, 271, 275).

Auch wenn der Empfänger den Zugang des Einschreibens dadurch verzögere, dass er den Einschrei­bebrief nicht unverzüglich beim Postamt abholt, rechtfertige dies noch nicht, einen anderen Zugangs­zeitpunkt, etwa den der frühest­mög­lichen Abholung des Einschrei­be­briefs, zu fingieren (BGHZ 67, 271, 277). Bis zu ihrem Zugang bleibt der Absender Herr seiner Erklärung. Geht etwa das per Einschreiben versandte Kündi­gungs­schreiben an den Absender zurück, so unterliegt es seiner freien Entscheidung, ob er einen neuen Zustel­lungs­versuch bewirken oder überhaupt von seiner Kündi­gungs­absicht Abstand nehmen will. Es leuchtet nicht ein, durch eine Zugangsfiktion den Absender an seine ursprüngliche Erklärung schon zu binden, bevor diese den Adressaten erreicht hat. Auch im Fall der Zugangs­ver­zö­gerung werde die Erklärung damit grundsätzlich nur wirksam, wenn der Erklärende nach der Kenntnis dessen, dass die Erklärung den Empfänger nicht erreicht hat, unverzüglich erneut den Zugang bewirkt.

Eine Versäumung der Klagefrist lasse sich mit der durch das Berufungs­gericht gegebenen Begründung auch nicht daraus herleiten, dass sich der Kläger nach Treu und Glauben so behandeln lassen müsse, als sei ihm das Kündi­gungs­schreiben spätestens am 26. Juli 1993 zugegangen.

Quelle: ra-online, Bundesarbeitsgericht (vt/pt)

der Leitsatz

Geht dem Arbeitnehmer eine Arbeit­ge­ber­kün­digung per Einschreiben zu, so ist die Klagefrist des § 4 KSchG auch dann grundsätzlich ab der Aushändigung des Einschrei­be­briefs zu berechnen, wenn der Postbote den Arbeitnehmer nicht antrifft und dieser das Einschreiben zwar nicht alsbald, aber noch innerhalb der ihm von der Post mitgeteilten Aufbe­wah­rungsfrist beim zuständigen Postamt abholt oder abholen läßt.

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