Im zugrunde liegenden Fall wurde einen Arbeitnehmer am 20.07.1993 die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt und ihm mitgeteilt, die Kündigung werde noch schriftlich bestätigt. Mit einem Schreiben vom 20. Juli 1993, das der Arbeitgeber als Einschreiben mit Rückschein versandte, "wiederholte" er "die gestrige mündliche fristlose Kündigung".
Bei einem Zustellungsversuch der Post am 22. Juli 1993 wurde der Arbeitnehmer in seinem Haus nicht angetroffen und der Postbote hinterließ im Briefkasten einen Benachrichtigungszettel. Am 23. Juli 1993 reiste der Arbeitnehmer mit seiner Familie in Urlaub. Ursprünglich war beabsichtigt, dass die Familie ohne ihn fahren sollte, weil er zwar für diese Zeit bei seinem Arbeitgeber Urlaub beantragt hatte, dieser aber nicht bewilligt worden war. Erst nach dem Gespräch vom 20. Juli 1993 entschloss sich der Arbeitnehmer mitzufahren. Er übergab vor seiner Abreise den Benachrichtigungszettel nebst einer entsprechenden Vollmacht einem Bekannten, dem der Brief am 28. Juli 1993 von der Post ausgehändigt wurde.
Am 17. August 1993 reichte der Arbeitnehmer gegen die Kündigung eine Kündigungsklage beim Arbeitsgericht ein und machte geltend, dass ihm die Kündigung erst am 28. Juli 1993 zugegangen sei.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage als verfristet ab. Das Bundesarbeitsgericht hob in der Revisionsinstanz diese Urteile auf und verwies die Sache an das Landesarbeitsgericht zurück.
Das Bundesarbeitsgericht führte aus, dass die Klagefrist nicht bereits dadurch versäumt sei, dass die Kündigung dem Kläger durch die mündliche Erklärung der Beklagten vom 20. Juli 1993 zugegangen ist und der Kläger nicht innerhalb von 3 Wochen seit dem 20. Juli 1993 Klage erhoben hat.
Zugegangen im Sinne des § 130 BGB sie eine Willenserklärung dann, wenn sie "in den Bereich des Empfängers gelangt ist. Dies sei regelmäßig bei Einwurf in den Hausbriefkasten anzunehmen, da der Empfänger dann im Anschluss an die üblichen Zustellzeiten vom Inhalt der Willenserklärung Kenntnis nehmen kann. Bei der Versendung per Einschreiben stecke jedoch der Postbote nicht die Willenserklärung, sondern nur den Benachrichtigungszettel in den Hausbriefkasten. Durch den Benachrichtigungszettel werde der Empfänger lediglich in die Lage versetzt, das Einschreiben in seinen Machtbereich zu bringen. Die Niederlegung des Einschreibens bei der Post und die Benachrichtigung des Empfängers von der Niederlegung könnten deshalb den Zugang der Willenserklärung nicht ersetzen. Zugegangen ist das Einschreiben erst mit der Aushändigung des Originalschreibens durch die Post (BAG Urteil vom 15. November 1962 - 2 AZR 301/62 -; BGHZ 67, 271, 275).
Auch wenn der Empfänger den Zugang des Einschreibens dadurch verzögere, dass er den Einschreibebrief nicht unverzüglich beim Postamt abholt, rechtfertige dies noch nicht, einen anderen Zugangszeitpunkt, etwa den der frühestmöglichen Abholung des Einschreibebriefs, zu fingieren (BGHZ 67, 271, 277). Bis zu ihrem Zugang bleibt der Absender Herr seiner Erklärung. Geht etwa das per Einschreiben versandte Kündigungsschreiben an den Absender zurück, so unterliegt es seiner freien Entscheidung, ob er einen neuen Zustellungsversuch bewirken oder überhaupt von seiner Kündigungsabsicht Abstand nehmen will. Es leuchtet nicht ein, durch eine Zugangsfiktion den Absender an seine ursprüngliche Erklärung schon zu binden, bevor diese den Adressaten erreicht hat. Auch im Fall der Zugangsverzögerung werde die Erklärung damit grundsätzlich nur wirksam, wenn der Erklärende nach der Kenntnis dessen, dass die Erklärung den Empfänger nicht erreicht hat, unverzüglich erneut den Zugang bewirkt.
Eine Versäumung der Klagefrist lasse sich mit der durch das Berufungsgericht gegebenen Begründung auch nicht daraus herleiten, dass sich der Kläger nach Treu und Glauben so behandeln lassen müsse, als sei ihm das Kündigungsschreiben spätestens am 26. Juli 1993 zugegangen.