21.11.2024
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Landesarbeitsgericht Berlin Urteil11.12.2003

Zugang einer Kündigung durch Einwurf in den Briefkasten um 16 UhrAuch am Nachmittag kann eine Kündigung zugestellt werden, wenn der Arbeitnehmer mit der Kündigung rechnen musste

Wenn ein Arbeitnehmer mit seiner Kündigung rechnen muss, so ist ein Kündi­gungs­schreiben, das am letzten Tag der Kündigungsfrist gegen 16 Uhr durch einen Boten in den Briefkasten geworfen wird, fristgemäß zugestellt. Dies hat das Landes­a­r­beits­gericht Berlin entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall befand sich eine Arbeitnehmerin (Klägerin) noch in der Probezeit. Der Arbeitgeber (Beklagter) bot der Frau einen Aufhe­bungs­vertrag an, weil er das Arbeitsverhältnis beenden wollte. Die Arbeitnehmerin bat sich Bedenkzeit aus. Als sie dann erkrankte und den Aufhe­bungs­vertrag noch nicht unterzeichnet hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeits­ver­hältnis am letzten Tag der Probezeit. Er ließ die Kündigung durch einen Boten überbringen. Dieser warf den Brief gegen 16.00 Uhr am 31.03.2003 in den Briefkasten der Arbeitnehmerin ein.

Arbeitnehmerin will Kündigung erst am 01.04. erhalten haben

Gegen diese Kündigung ging die Arbeitnehmerin gerichtlich vor. Sie trug vor, die Kündigung erst am 1.4.2003 erhalten zu haben. Das Landes­a­r­beits­gericht entschied, dass die Kündigung wirksam und der Klägerin am 31.03.2003 zugegangen sei.

Gericht: Kündigung ist am 31.03 zugegangen

Eine schriftliche Kündigung gehe dem Empfänger nach § 130 BGB zu, sobald er sie entweder tatsächlich in Händen halte oder sobald sie so in seinen Machtbereich gelangt sei, dass unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Das war hier am 31.03.2003 nach 16.00 Uhr der Fall.

Klägerin musste mit Kündigung rechnen

Erreiche das Kündigungsschreiben den Briefkasten des Empfängers zu einer Tageszeit, zu der nach den Gepflogenheiten des Verkehrs eine Entnahme nicht mehr erwartet werden kann, so ist die Willen­s­er­klärung an diesem Tag nicht mehr zugegangen. Das Bundes­a­r­beits­gericht habe dies auch in dem Fall angenommen, in dem das Schreiben deutliche Zeit "nach den allgemeinen Postzu­stell­zeiten" in den Briefkasten gelangt (vgl. BAG 2 AZR 337/82 vom 08.12.1983, NJW 1984, 1651 ). Ob dies unter heutigen Verhältnissen, insbesondere nach der Privatisierung der Post und dem Auftreten anderer Anbieten einschließlich zahlreicher Kurierdienste noch in dieser Allgemeinheit aufrecht­zu­er­halten sei, könne vorliegend dahingestellt bleiben. Denn nach den unstreitigen Umständen des vorliegenden Falles musste die Klägerin ganz konkret am Nachmittag des 31.03.2003 mit einer Überbringung des Kündi­gungs­schreibens durch Boten rechnen, und nach Überzeugung der Kammer habe sie damit auch tatsächlich gerechnet. Der Beklagte hatte die Klägerin - nach deren Behauptung überraschend - am 26.03.2003 mit seiner Kündi­gungs­absicht konfrontiert für den Fall, dass die Klägerin einer juristisch nicht anfechtbaren "Verlängerung der Probezeit" nicht zustimmt. Da die Sechs­mo­natsfrist des § 1 Abs. 1 KSchG nicht verlängerbar ist, war diese "Verlängerung der Probezeit", wenn nicht sogleich eine Kündigung (zum 30.04.) ausgesprochen wurde, nur in der vom Personalleiter des Beklagten vorgeschlagenen Weise möglich, nämlich durch einen Aufhe­bungs­vertrag oder eine Kündigung mit geräumiger Auslauffrist und dem - rechtlich unverbindlichen - Inaus­sicht­stellen einer späteren Vertrags­ver­län­gerung.

Klägerin hatte sich nicht bezüglich des Aufhe­bungs­ver­trages geäußert

Dies hätte der Klägerin zwar die - normalerweise ab Beginn des siebten Beschäf­ti­gungs­monats eintretende - relative Arbeits­platz­si­cherheit zunächst vorenthalten, ihr andererseits aber die sofortige Kündigung mit kurzer Frist erspart und eine Chance auf dauerhaften Erhalt des Arbeitsplatzes gegeben, war also eindeutig ein Entgegenkommen des Beklagten. Die Klägerin sollte sich zu diesem Angebot bis zum 31.03.2003 erklären, und zwar selbst­ver­ständlich nicht bis 24.00 Uhr, sondern, da die Klägerin auch an diesem Tage zur Arbeit erwartet wurde, bis zum Vormittag dieses Tages. Wenn die Klägerin sich nun krankmeldete, konnte sie nicht erwarten, dass der Beklagte tatenlos hinnahm, dass man nun die Frist für eine "kündi­gungs­schutzfreie" Kündigung bereits versäumt habe.

Quelle: ra-online, Landesarbeitsgericht Berlin (vt/pt)

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