21.11.2024
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Arbeitsgericht Eberswalde Urteil10.09.2013

Lohnwucher: Stundenlöhne von 1,59 € bis 3,46 € für Pizzaboten sittenwidrigAuffälliges Missverhältnis zwischen Lohn und Arbeitsleistung / Arbeitgeber muss bei Zahlung sittenwidriger Löhne die vom Jobcenter gezahlten Auf­stockungs­beiträge zurückerstatten

Zahlt ein Pizzalieferant seinen Angestellten nur Stundenlöhne von 1,59 € bis 3,46 € brutto, sind diese Löhne wegen Sitten­wid­rigkeit nichtig. Denn es liegt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Lohn und Arbeitsleistung vor. Der Arbeitnehmer hat daher Anspruch auf Zahlung der üblichen Vergütung. Müssen die Arbeitnehmer Auf­stockungs­leistungen nach dem Sozial­ge­setzbuch Zweites Buch in Anspruch nehmen, weil ihr Arbeitgeber sittenwidrig geringe Löhne zahlt, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Jobcenter die gezahlten Auf­stockungs­beiträge zu erstatten, wenn die Arbeitnehmer bei einem angemessenen Lohn nicht oder nur teilweise hilfebedürftig gewesen wären. Dies geht aus einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Eberswalde hervor.

Im zugrunde liegenden Fall beschäftigte ein Pizza Lieferservice in der Uckermark Angestellte für 1,59 € bis 3,46 brutto die Stunde. Die zu diesem Lohn arbeitenden Angestellten erhielten Aufsto­ckungs­leis­tungen des JobCenters. Nachdem die Versuche gescheitert sind, den Arbeitgeber zur Erhöhung der Löhne zu bewegen, erhob das JobCenter Klage auf Zahlung der üblichen Vergütung. Denn seiner Meinung nach, seien die gezahlten Löhne wegen Sitten­wid­rigkeit nichtig.

Anspruch auf übliche Vergütung bestand

Das Arbeitsgericht Eberswalde gab dem JobCenter recht. Ihm habe die Ansprüche auf Zahlung der üblichen Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB zugestanden. Das JobCenter sei auch Inhaber der Ansprüche gewesen. Denn nach § 115 Abs. 1 SGB X gehe der Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt gegen seinen Arbeitgeber auf den Leistungsträger über, soweit der Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt nicht erfüllt und deshalb der Leistungsträger Soziallleistung erbrachte.

Stundelöhne waren sittenwidrig

Die mit den Arbeitnehmern vereinbarten Löhne seien nach Auffassung des Arbeitsgerichts sittenwidrig und somit unwirksam gewesen (§ 138 BGB). Eine Vereinbarung sei nach § 138 Abs. 2 BGB insbesondere nichtig, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Dies werde etwa angenommen, wenn die Arbeits­ver­gütung nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Wirtschafts­region üblicherweise gezahlten Lohn erreicht (BAG, Urt. v. 22.04.2009 - 5 AZR 436/08). Dies sei hier der Fall gewesen. Denn das übliche Entgelt habe 6,78 € betragen.

Ausbeutung der Arbeitnehmer lag vor

Weiter führte das Arbeitsgericht aus, dass neben des großen Missver­hält­nisses von Leistung und Gegenleistung der Lohnwucher noch weitere sittenwidrige Umstände voraussetze, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung der Arbeitgebers. Eine solche Gesinnung sei hier ohne weiteres festzustellen gewesen, da der Arbeitgeber die Zwangslage seiner Angestellten, die eine angemessen bezahlte Arbeit in der Uckermark mit einer sehr hohen Arbeits­lo­senquote nicht finden, ausbeutete.

Erhalt von Trinkgeld unbeachtlich

Das Arbeitsgericht folgte zudem nicht der Ansicht des Arbeitgebers, wonach sich der Stundenlohn durch den Erhalt von Trinkgeldern erhöhte. Denn etwaige Trinkgelder, die durch Dritte gezahlt werden, dürfen auf Vergü­tungs­ansprüche des Arbeitnehmers nicht angerechnet werden. Es sei Sache des Arbeitgebers, den für die in Anspruch genommene Arbeitsleistung angemessenen Lohn mit einer für den Arbeitnehmer kalkulierbaren Sicherheit auszuzahlen.

Vergünstigte Speisen ebenso unbeachtlich

Darüber hinaus sei es unbeachtlich gewesen, so das Arbeitsgericht weiter, dass die Arbeitnehmer vergünstigt Speisen aus der Küche erwerben durften. Denn dies dürfe bei der Ermittlung des gezahlten Lohns nicht berücksichtigt werden. Das Arbeitsentgelt sei nämlich grundsätzlich in Euro zu berechnen und auszuzahlen (§ 107 Abs. 1 GewO). Zwar könne ein Teil des Arbeits­ein­kommens in Form von Sachbezügen entrichtet werden. Dies müsse aber im Interesse des Arbeitnehmers sein 8§ 107 Abs. 2 GewO). Genau dies verneinte aber das Gericht.

Berufung

Da das Unternehmen seine Berufung gegen dieses Urteil zurückgenommen hat, ist das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde damit rechtskräftig.

Quelle: Arbeitsgericht Eberswalde, ra-online (vt/rb)

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