03.12.2024
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Arbeitsgericht Lübeck Urteil13.04.2022

Ein­richtungs­bezogene Impfpflicht: Kündigung bei Vorlage einer Impf­unfähigkeits­bescheinigung aus dem InternetVorlage einer Bescheinigung ohne vorherige Untersuchung stellt schwere Neben­pflicht­verletzung dar

Wer seiner Arbeitgeberin eine aus dem Internet ausgedruckte ärztliche "Bescheinigung über die vorläufige Impfunfähigkeit" vorlegt, ohne dass eine Untersuchung durch die bescheinigende Ärztin erfolgt ist, riskiert die Kündigung seines langjährigen Arbeits­verhältnisses. Dies hat das Arbeitsgericht Lübeck entschieden.

Die Klägerin ist bei der beklagten Klinik seit 2001 als Krankenschwester beschäftigt. Auf die Anweisung der Arbeitgeberin im Zuge der Umsetzung der einrich­tungs­be­zogenen Impfpflicht, den Impf- bzw. Genesenenstatus nachzuweisen oder ein ärztliches Impfun­fä­hig­keits­zeugnis vorzulegen, hat die Klägerin ihrer Arbeitgeberin eine Bescheinigung vorgelegt, die eine sechsmonatige vorläufige Impfunfähigkeit ausweist und die Unterschrift einer Ärztin aus Süddeutschland enthält. Die Bescheinigung wurde aus dem Internet ausgedruckt. Eine - sei es digitale - Besprechung mit der Ärztin fand nicht statt. Die Beklagte hat das Gesundheitsamt informiert und außerdem der Klägerin im Januar 2022 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. Juli 2022 gekündigt.

Inhalt der Klage

In ihrer Kündigungsschutzklage führte die Klägerin u.a. aus, dass die Vorlage einer solchen Bescheinigung nicht zu beanstanden sei und § 20 a IFSG weitere arbeits­rechtliche Maßnahmen der Arbeitgeberin gegenüber ihren Beschäftigten ausschlösse. Allein das Gesundheitsamt könne in dieser Situation handeln und eine ärztliche Untersuchung der betroffenen Mitarbeiterin veranlassen. Dem ist das Arbeitsgericht, wie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, nicht gefolgt.

Hilfsweise ordentliche Kündigung ist aufgrund schwerer Neben­pflicht­ver­letzung wirksam

Die hilfsweise ordentliche Kündigung unter Einhaltung der geltenden Kündigungsfrist war aufgrund des Fehlverhaltens der Klägerin sozial gerechtfertigt und damit wirksam. Dagegen war die fristlose Kündigung angesichts der sehr langen Betrie­bs­zu­ge­hö­rigkeit unver­hält­nismäßig. Die Vorlage einer vorgefertigten ärztlichen Impfun­fä­hig­keits­be­schei­nigung, ohne dass vorher eine Untersuchung erfolgt ist, stellt eine sehr schwere Verletzung arbeits­ver­trag­licher Nebenpflichten dar, die das Vertrauen in eine ungestörte weitere Zusammenarbeit auch ohne vorherige Abmahnung zerstört. Es musste der Klägerin klar sein, dass die vorgelegte Bescheinigung zwar bei der Arbeitgeberin den Anschein eines ärztlichen Zeugnisses erwecken würde, aber in Wahrheit nicht auf einer ärztlichen Untersuchung beruhte. Aus § 20 a IFSG ergibt sich für eine solche Konstellation kein arbeits­recht­liches Kündi­gungs­verbot.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Quelle: Arbeitsgericht Lübeck, ra-online (pm/cc)

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