21.11.2024
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Amtsgericht Neumarkt Urteil20.08.2015

Für Wohnungs­ei­gentümer besteht keine Treuepflicht zur Teilnahme an einer Eigen­tümer­versamm­lung bis zum EndeWohnungs­ei­gentümer kann Versammlung jederzeit verlassen und somit Beschluss­unfähig­keit herbeiführen

Ein Wohnungs­ei­gentümer ist berechtigt, jederzeit eine Eigen­tümer­versamm­lung zu verlassen und somit absichtlich oder unabsichtlich die Beschluss­unfähig­keit herbeizuführen. Denn für Wohnungs­ei­gentümer besteht keine Treuepflicht dahingehend bis zum Ende einer Eigen­tümer­versamm­lung beizuwohnen. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Neumarkt hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Juni 2014 fand eine Wohnungseigentümerversammlung statt. Von den insgesamt 125 Wohnungs­ei­gen­tümern waren 67 anwesend bzw. vertreten. Nach der Gemein­schafts­ordnung war die Versammlung somit beschlussfähig, da mindestens die Hälfte der Eigentümer anwesend oder vertreten war. Bevor der erste Beschluss gefasst werden konnte, verließ jedoch ein Wohnungseigentümer aus Protest die Versammlung. Da er neben seinem eigenen Stimmrecht auch noch fünf weitere Stimmrechte vertrat, reduzierte sich die Zahl der anwesenden bzw. vertretenen Eigentümer auf 61. Obwohl die Eigen­tü­mer­ver­sammlung damit nicht mehr beschlussfähig war, fasste sie mehrere Beschlüsse. Dagegen erhob der Wohnungs­ei­gentümer Anfech­tungsklage.

Unwirksamkeit der Beschlüsse aufgrund fehlender Beschluss­fä­higkeit

Das Amtsgericht Neumarkt entschied zu Gunsten des klägerischen Wohnungs­ei­gen­tümers. Die auf der Eigen­tü­mer­ver­sammlung gefassten Beschlüsse waren für rechtswidrig und somit für ungültig zu erklären. Die Versammlung sei nach der Gemein­schafts­ordnung nicht beschlussfähig gewesen, da weniger als die Hälfte der Wohnungs­ei­gentümer anwesend bzw. vertreten war. Dieser formelle Mangel habe zu Anfechtbarkeit der Beschlüsse geführt.

Keine Treuepflicht zur Teilnahme an Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ver­sammlung

Soweit einige Wohnungs­ei­gentümer meinten, der Kläger könne sich nicht auf die Beschlus­s­un­fä­higkeit berufen, da er sie durch sein Verlassen der Versammlung selbst herbeigeführt habe und somit gegen seine Treuepflicht verstoßen habe, folgte das Amtsgericht dem nicht. Für einen Wohnungs­ei­gentümer bestehe keine Treuepflicht an einer Eigen­tü­mer­ver­sammlung teilzunehmen oder ihr bis zum Ende beizuwohnen. Ohnehin stelle das vorzeitige Verlassen einer Versammlung in der Regel die einzig effektive Möglichkeit dar, sich gegen rechtswidrig empfundene Beschlüsse zur Geschäfts­ordnung zu verteidigen.

Treuepflichten eines GmbH-Gesellschafters nicht auf Wohnungs­ei­gentümer übertragbar

Unzulässig sei es darüber hinaus nach Ansicht des Amtsgerichts die Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Hamburg zu den Treuepflichten eines GmbH-Gesellschafters heranzuziehen. Zwar entschied das Oberlan­des­gericht, dass sich ein Gesellschafter, der die Beschluss­fä­higkeit der Gesell­schaf­ter­ver­sammlung durch Boykott herbeigeführt habe, nicht im Rahmen einer Anfech­tungsklage gegen die getroffenen Beschlüsse auf die fehlende Beschluss­fä­higkeit berufen dürfe (OLG Hamburg, Urt. v. 09.11.1990 - 11 U 92/90 -). Die Entscheidung müsse aber nicht auf Wohnungs­ei­gentümer übertragen werden, da anders als im Gesell­schaftsrecht im Wohnei­gen­tumsrecht die Möglichkeit bestehe, eine Zweit­ver­sammlung einzuberufen, bei der auch ohne Erreichen des vorgesehenen Quorums an anwesenden oder vertretenen Wohnungs­ei­gentümer wirksam Mehrheits­be­schlüsse gefasst werden dürfe (vgl. § 25 Abs. 4 WEG).

Quelle: Amtsgericht Neumarkt, ra-online (vt/rb)

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