Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Mieter, der eine Wohnung in Halle bewohnt, eine Betriebskostenabrechnung von seiner zuständigen Berliner Hausverwaltung erhalten, die ein Büro in Leipzig hat und damit ca. 32 km Luftlinie von der Wohnung des Mieters entfernt war. Die Betriebskostenabrechnung wies einen Nachzahlungsbetrag von 1.159,42 Euro aus. Dieser Nachforderungsbetrag erschien dem Mieter viel zu hoch. Nach Überprüfung der Nebenkostenabrechnung durch die Hausverwaltung reduzierte diese die Nachzahlung um 104,55 Euro.
Der Nachzahlungsbetrag erschien dem Mieter aber immer noch zu hoch. Er bat daher die Hausverwaltung um Übersendung der Abrechnungsbelege. Pro Kopie sicherte er zu, 25 Cent Kosten für die Erstellung zu bezahlen. Die Hausverwaltung verlangte aber für die Erstellung einer Kopie 50 Cent, die im Voraus gezahlt werden sollten. Alternativ bot sie dem Mieter einen Termin zur Belegeinsicht an. Der Mieter wollte aber für die Belegeinsicht nicht von Halle nach Leipzig reisen. Er nahm in der Folge die Betriebskostennachzahlung nicht vor.
Die Hausverwaltung bzw. der Vermieter verklagte daher den Mieter vor dem Amtsgericht Halle auf Zahlung des noch offenen Betrages aus der Nebenkostenabrechnung.
Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die Klage sei zur Zeit unbegründet. Dem Mieter stehe gemäß § 273 Abs. 1 BGB ein Zurückbehaltungsrecht zu, solange der Vermieter ihm keine Überprüfung der Abrechnung ermögliche. Zwar habe ein Mieter grundsätzlich keinen Anspruch auf Belegkopien (vgl. BGH, Urteil v. 08.03.2006 - VIII ZR 78/05 = WuM 2006, 200). Von diesem Grundsatz gäbe es aber eine Ausnahme. Ein Mieter habe dann einen Anspruch auf Übermittlung von Fotokopien wenn ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen in den Räumen des Vermieters nicht zugemutet werden kann (vgl. BGH, Urteil v. 08.03.2006 - VIII ZR 78/05 = WuM 2006, 200). So läge der Fall hier, urteilte das Amtsgericht Halle.
Die Entfernung zwischen Halle (Wohnort des Mieters) und Leipzig (Sitz der Hausverwaltung) betrage ca. 32 km Luftlinie. Nach Meinung des Amtsgerichts Halle sei es dem Mieter nicht mehr zumutbar, zur Belegeinsicht nach Leipzig zu fahren. Das Amtsgericht Halle berief sich auf das Urteil des Amtsgericht Dülmen vom 30.08.2012 (Az. 3 C 121/10) und dem nachfolgenden Beschluss des Landgerichts Münster vom 25.11.2010 (Az. 3 S 160/10 = WuM 2011, 30) und urteilte, dass die Grenze für eine zumutbare Entfernung bei 30 km liege.
Die konkrete Entfernung zwischen Wohnung und Sitz der Hausverwaltung betrage sogar 44,86 km, wenn man die Strecke mit dem Auto zurücklegen wolle. Bei Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sei ein mindestens zweimaliges Umsteigen erforderlich.
Hinsichtlich der Kosten für die Kopien führte das Amtsgericht Halle aus, dass der Mieter wohl durchaus bereit gewesen wäre, 50 Cent pro Kopie zu bezahlen. Eine Vorauszahlung sei aber schwierig gewesen. Dazu hätte die Hausverwaltung dem Mieter mitteilen müssen, wie vielen Kopien überhaupt gefertigt werden müssten. Im Übrigen dürfe die Hausverwaltung pro Kopie nur ,25 Euro verlangen (AG Charlottenburg, Urteil vom 20.03.2013, Az. 213 C 371/12).
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 03.09.2014
Quelle: ra-online, Amtsgericht Halle (zt/WuM 2014, 337/pt)