Dokument-Nr. 18851
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- NJW 2002, 1060Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2002, Seite: 1060
Amtsgericht Grevenbroich Urteil26.09.2000
Flucht eines Fahrgastes berechtigt Taxifahrer zum notfalls gewaltsamen Festhalten des flüchtenden FahrgastesFestnahmerecht des Taxifahrers aufgrund Feststellung der Identität des Fahrgastes
Flüchtet ein Fahrgast ohne den Fahrpreis zu bezahlen, so darf der Taxifahrer zur Feststellung der Identität des Fahrgastes diesen gemäß § 127 Abs. 1 StPO und § 229 BGB notfalls mit Gewalt festhalten. Wehrt sich der Fahrgast gegen die Festnahme, so kann dies eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung nach sich ziehen. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Grevenbroich hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nach einem Diskothekenbesuch im August 1999 wollte ein alkoholisierter Mann mit dem Taxi nach Hause fahren. Nach seiner Schilderung wurde für die Fahrt ein Pauschalpreis von 40 DM vereinbart. Nach Erreichen des Zielortes verlangte der Taxifahrer hingegen den auf dem Taxameter angezeigten Fahrpreis von 80 DM. Der Fahrgast zahlte jedoch nur den seiner Meinung nach geschuldeten Pauschalpreis von 40 DM und flüchtete daraufhin. Da der Taxifahrer weiterhin den auf dem Taxameter angezeigten Fahrpreis beanspruchte, folgte er dem Fahrgast und hielt ihn fest. Daraufhin kam es zu einer Rangelei zwischen den Kontrahenten, wodurch der Taxifahrer eine Platzwunde am rechten Auge sowie Bisswunden an Armen und Händen erlitt. Die Staatsanwaltschaft sah darin ein strafbares Verhalten des Fahrgastes und erhob gegen ihn Anklage.
Strafbarkeit wegen Körperverletzung nach § 223 StGB bestand
Das Amtsgericht Grevenbroich bejahte eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB. Der Fahrgast habe sich rechtswidrig gegen die Festnahmeversuche des Taxifahrers zu Wehr gesetzt. Ein Notwehrrecht nach § 32 StGB habe ihm nicht zugestanden. Der Taxifahrer habe rechtmäßig versuchen dürfen den flüchtenden Fahrgast festzuhalten.
Festnahmerecht des Taxifahrers nach § 127 StPO
Dem Taxifahrer habe nach Auffassung des Amtsgerichts ein Festnahmerecht nach § 127 Abs. 1 StPO zugestanden. Nach dieser Vorschrift dürfe jedermann einen anderen vorläufig festnehmen, wenn dieser auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird, der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann. Dies sei hier der Fall gewesen. Es habe keine Möglichkeit bestanden die Identität des flüchtenden Fahrgastes anders als durch eine gewaltsame Festnahme festzustellen. Zudem sei der Fahrgast auf frischer Tat betroffen worden. So habe sich der Fahrgast befördern lassen ohne den auf dem Taxameter angezeigten Betrag zu bezahlen. Es habe daher der dringende Tatverdacht bestanden, dass sich der Fahrgast die Beförderung erschleichen und somit einen Betrug begehen wollte. In diesem Zusammenhang sei es unerheblich gewesen, ob ein Pauschalpreis für die Fahrt vereinbart wurde.
Festnahme ebenfalls durch Selbsthilferecht nach § 229 BGB gerechtfertigt
Der Versuch der Festnahme sei darüber hinaus nach Ansicht des Amtsgerichts durch das Selbsthilferecht nach § 229 BGB gerechtfertigt gewesen. Kommt es nämlich während oder nach der Fahrt zu Streitigkeiten zwischen dem Taxifahrer und dem Fahrgast, so müsse der Fahrgast als Nebenpflicht aus dem Beförderungsvertrag, dem Taxifahrer Auskunft über seine Personalien, mindestens jedoch seinen Namen erteilen. Andernfalls hätte der Taxifahrer keine Möglichkeit den Sachverhalt und die Rechtslage aufzuklären und seine Ansprüche gegenüber dem Fahrgast später geltend zu machen. Zur Durchsetzung des Auskunftsanspruchs habe der Taxifahrer den Fahrgast gewaltsam festhalten dürfen.
Kein Notwehrrecht selbst bei rechtswidriger Festnahme durch Taxifahrer
Dem Fahrgast hätte aber auch dann kein Notwehrrecht zugestanden, so das Amtsgericht weiter, wenn der Taxifahrer nicht zur Festnahme berechtigt gewesen wäre. Denn angesichts des Streits über den Fahrpreis und der anschließenden Flucht des Fahrgastes habe dieser den Festnahmeversuch fahrlässig herausgefordert. In einem solchen Fall sei es dem Fahrgast zuzumuten nach dem ersten Festhalteversuch stehen zu bleiben und auf die Polizei zu warten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.09.2014
Quelle: Amtsgericht Grevenbroich, ra-online (vt/rb)
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