21.11.2024
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Dokument-Nr. 28909

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Amtsgericht Frankenthal Beschluss25.06.2020

Entscheidung über Schulwahl für das Kind kann auf einen Elternteil übertragen werdenBei der Schulwahl ist in erster Linie dem Kindeswohl Rechnung zu tragen

Das Gericht hat die Entscheidungs­befugnis gem. §§ 1628 Satz 1 BGB, 49 ff. FamFG einstweilen auf die Mutter übertragen.

Im zugrunde liegenden Fall sind die Beteiligten die Eltern eines sechsjährigen Kindes. Sie sind und waren nicht miteinander verheiratet und üben die elterliche Sorge für das Kind S. gemeinsam aus. Das Kind soll zu Beginn des Schuljahres nach den Sommerferien 2020 in die erste Klasse einer Grundschule eingeschult werden. Die Eltern sind unter­schied­licher Auffassung, was den Schultyp angeht.

Eltern haben unter­schiedliche Schulwünsche für ihr Kind

Der Vater (Antragsteller) möchte das Kind auf einer Regel­grund­schule anmelden und bevorzugt hier die Regel­grund­schule, wo das Kind auch wohnt. Die Mutter möchte das Kind auf der Waldorfschule einschulen. Der Vater ist der Auffassung, dass die Waldorfschule für S. keine geeignete Schulform sei. Er hat grundsätzlich Bedenken gegen diese Schulform und meint, dass es besser für S. wäre, wenn sie gleich lernt, wie es in einer Regelschule abläuft, sich gegenüber anderen auch durchzusetzen und in Wettbewerb, um Noten zu treten. Die Mutter meint, das Konzept der Waldorf­päd­agogik sei für S. besonders sinnvoll. Zudem sei dort eine gute Nachmit­tags­be­treuung gewährleistet und S. wolle auch auf diese Schule..

Gericht muss Entscheidung nach Kindeswohl treffen

Gemäß § 1628 Satz 1 BGB kann das Familiengericht für den Fall, dass sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen hier vor. Die beteiligten Kindeseltern sind Inhaber der gemeinsamen elterlichen Sorge. Sie sind derzeit nicht in der Lage, sich in einer einzelnen Angelegenheit betreffend die elterliche Sorge - hier die Schulart für die Einschulung der Tochter S. - zu einigen. Bei der Frage des Schulwechsels und der Frage, welche Schule das Kind künftig besuchen soll handelt es sich auch um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind, die zunächst nicht der Allei­n­ent­schei­dungs­kom­petenz der Antragsgegnerin gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB unterfällt. Maßstab für die Entscheidung, welchem der beiden Elternteile die alleinige Entschei­dungs­be­fugnis des Schulbesuchs der Tochter übertragen wird, ist das Kindeswohl, § 1697 a BGB. Es ist in der Sache diejenige Entscheidung zu treffen, die dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

Gesetz ermächtigt Gerichte nur zur Herbeiführung einer Entscheidung

§ 1628 BGB ermächtigt die Gerichte unter Wahrung des Elternrechts aus Art. 6 II GG jedoch nur dazu, zur Herbeiführung einer notwendigen Entscheidung bei Uneinigkeit der Eltern einem Elternteil die Entschei­dungs­kom­petenz zu übertragen. Trifft das Gericht an Stelle dessen eine eigene Sachent­scheidung, verstößt es nicht nur gegen Gesetzesrecht, sondern greift in verfas­sungs­widriger Weise in das Recht der von der Entscheidung betroffenen Eltern aus Art. 6 II 1 GG ein. Vielmehr ist umfassend zu prüfen, welcher Elternteil am ehesten geeignet ist, eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen und dabei auch die Vorstellungen der Eltern über die gewünschte Schule an diesem Maßstab zu messen unter Einbeziehung der Frage, welche Auswirkungen die jeweilige Schulwahl auch auf das soziale Umfeld des Kindes haben könnte.

AG überträgt Mutter das alleinige Entschei­dungsrecht

Das Gericht hat deshalb zwischen den von den Kindeseltern vorgeschlagenen Entscheidungen für die regelungs­be­dürftige Angelegenheit abzuwägen, dabei die Interessen des Kindes im Einzelnen zu beachten und so festzustellen, welchem Entschei­dungs­vor­schlag zu folgen ist. Dabei sind auch die tatsächlichen Betreu­ungs­mög­lich­keiten der Elternteile zu berücksichtigen. Vor diesem Maßstab und im Rahmen dieser Gesamtabwägung ist der Antragsgegnerin die alleinige Entschei­dungs­be­fugnis über den Schulbesuch des Kindes zu übertragen, weil dies dem Wohl von S. am besten entspricht.

Waldorf­päd­agogik kann nicht per se als Gefahr für Kindeswohl angesehen werden

Das Gericht hat insofern ausdrücklich nicht darüber zu entscheiden, welche Schulart für S. die am besten geeignete ist, sondern welcher Elternteil in Ansehung obiger Maßstäbe am ehesten zur Entscheidung geeignet ist. Insofern hat das Gericht u. a. folgende Kriterien gewürdigt: Die Mutter ist als Haupt­be­zugs­person von der Entscheidung besonders betroffen und muss die Umsetzung überwiegend organisieren. Sie hat sich im Vorfeld tiefergehend mit der Frage beschäftigt als der Vater. Das soziale Umfeld des Kindes und der Schulweg sind zu berücksichtigen. Der Wille des erst sechsjährigen Kindes ist zu berücksichtigen, wenngleich diesem in aller Regel altersbedingt keine entscheidende Bedeutung zuzumessen ist. Kinder im Alter von sechs Jahren sind in der Regel nicht in der Lage die Folgen der Wahl eines bestimmten Schultyps abzusehen und eine Entscheidung hiernach auszurichten. Die Waldorfschule ist zudem eine staatlich anerkannte Ersatzschule. Die Waldorf­päd­agogik, der dahin­ter­stehende Gedanke der Anthroposophen, die besondere Schul­or­ga­ni­sation usw. sind zwar diskutabel, aber können nicht per se als Gefahr für das Wohl des Kindes angesehen werden.

Quelle: Amtsgericht Frankenthal, ra-online (pm/ku)

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