21.11.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.
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Amtsgericht St. Wendel Urteil27.05.2010

Branchen­ein­tra­gungs­antrag ist irreführend: www.branche100.eu täuscht arglistigAG St. Wendel weist Zahlungsklage des Branchen­buchan­bieters ab

Das Amtsgericht St. Wendel hat die Zahlungsklage des Branchen­buchan­bieters www.branche100.eu abgewiesen. Der von einem Unternehmer unterzeichnete, als "Branchen­ein­tra­gungs­antrag" bezeichnete Vertrag sei ersichtlich darauf angelegt, zu verschleiern, dass mit seiner Rücksendung ein entgeltlicher Vertrag hinsichtlich des Eintrags zustande kommen solle.

Damit habe der Branchen­buchan­bieter den beklagten Unternehmer durch arglistige Täuschung über den entgeltlichen Charakter des Antrags zum Vertragsschluss bestimmt. Die Übersendung des Formulars sei eine Täuschung.

Täuschung ist ein Verhalten, das objektiv irre führt

Die Täuschung müsse nicht ausdrücklich durch eine bewusst unwahre Behauptung begangen werden. Denn Täuschung sei jedes objektive Verhalten, das objektiv irre führe, oder einen Irrtum unterhalte, und damit auf die Vorstellung eines anderen einwirke. Die Täuschung könne auch konkludent (stillschweigend) erfolgen, nämlich durch ein irre führendes Verhalten, das nach der Verkehrs­an­schauung als still­schweigende Erklärung zu verstehen sei.

Täuschung ist auch durch konkludentes Verhalten möglich

Von einem solchen irre führenden Verhalten sei auszugehen, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringe, sie aber nach der Verkehrs­an­schauung durch sein Verhalten mit erkläre. Diese Rechtsansicht hat bereits das Landgericht Stuttgart mit Urteil vom 07.12.2009, Az. 13 S 183/09 zur Grundlage eines Urteils gemacht und in einem ähnlichen Fall die Klage des Branchen­buchan­bieters "TM-TeleMedia" abgewiesen.

Aufmachung des Branchen­ein­tra­gungs­antrags ist irreführend

Das Amtsgericht sah insbesondere in der Aufmachung des von www.branche100.eu verwendeten Formulars ein irreführendes Verhalten. Bereits die fett gedruckte Überschrift "Branchen­ein­tra­gungs­antrag Ort: Nohfelden" lasse eher an ein amtliches Schreiben denken als an ein Angebot oder an Werbung. Der Gebrauch des Wortes "Antrag" sei auch deshalb verwirrend, weil das Schreiben an den Beklagten adressiert sei, dieser nach der Konzeption des Schreibens aber offenbar als Antragsteller gegenüber der Klägerin auftreten solle.

www.branche100.eu versucht erst gar nicht, mit einer Leistung zu werben ...

Die gesamte Gestaltung des "Branchen­ein­tra­gungs­antrags", welche die Überprüfung der Eintra­gungsdaten ganz in den Vordergrund rücke, zeige deutlich, dass es dem Anbieter nicht darum ging, den beklagten Unternehmer von seinen Leistungen zu überzeugen und so zu einem Vertragsschluss zu bewegen. Andernfalls wären nämlich auch werbende Aussagen über die Internetseite www.branche100.eu zu erwarten gewesen, die jedoch komplett fehlen.

... sondern spekuliert darauf, dass die Entgeltklausel übersehen wird

Der Branchen­buchan­bieter spekuliere vielmehr gezielt darauf, dass der angeschriebene Unternehmer aufgrund der Gestaltung des Formulars und der teilweisen falschen Adressierung die Entgeltklausel übersehe. Eine andere Erklärung der Gestaltung gebe es nicht. Das Amtsgericht zog daraus den Schluss, dass eine Täuschung vorliege.

Urteile zugunsten des Branchen­buchan­bieters überzeugen nicht - sie zeigen nur die Vielzahl an getäuschten Kunden

Der Branchen­buchan­bieter konnte das Gericht auch nicht mit der Vielzahl von bereits ergangenen Gericht­s­ent­schei­dungen, die eine Täuschungs­handlung verneint hatten, überzeugen. Gerade das Gegenteil ergebe sich aus der großen Zahl der vorgelegten Entscheidungen. Denn aus dem Umstand, dass das Geschäfts­gebaren in großem Umfang als Täuschung empfunden werde, ergebe sich, dass das benutzte Formular gerade nicht leicht überschaubar hinsichtlich der Preisgestaltung sei, sondern dass es geradezu auf Verwirrung und Täuschung des flüchtigen Lesers angelegt sei.

Anbieter betreibt Vielzahl von Adressregistern - alle mit dem einzigen Zweck, irreführende Eintra­gungs­anträge zu versenden

Aus diesem Umstand ergebe sich auch die Arglist, nämlich das zielgerichtete Verhalten des Branchen­buchan­bieters, der ausweislich der von ihm vorgelegten Gerichtsurteile derartige Eintra­gungs­da­ten­banken unter anderem unter dem Namen www.branche100.eu", www.branche123.de und www.branche24.de betreibe. Aus den vorgelegten Urteilen ergebe sich weiter, dass die hinter den Seiten stehenden Gesellschafter eine Vielzahl von Gesellschaften betreiben, ohne dass inhaltlich ersichtlich wäre, was von diesen Firmen inhaltlich anderes betrieben würde als das Versenden irreführender "Branchen­ein­tra­gungs­anträge" unter verschiedenen Namen.

Anbieter von www.branche100.eu ist sich der Täuschungs­wirkung seines Formulars bewusst

All diese Firmen verwenden Angebo­ts­un­terlagen, die zu einer Vielzahl von Prozessen geführt haben, weil die angeschriebenen Gewer­be­trei­benden bzw. Freiberufler von einer Unent­gelt­lichkeit des Anschreibens ausgegangen seien. Dies unterstreiche, dass der Anbieter sich der Täuschungs­wirkung des Formulars bewusst sei, das in den verschiedenen Schwes­ter­un­ter­nehmen über Jahre nahezu unverändert benutzt worden sei, ohne Konsequenzen aus den dadurch verursachten Missver­ständ­nissen beim Adressaten zu ziehen.

Mangelnde Sorgfalt des Adressaten schließt Verantwortung des Anbieters für den Irrtum nicht aus

Dass www.branche100.eu mit den Schwes­ter­un­ter­nehmen dies seit Jahren unverändert tue, spreche für sich. Auch der Umstand, dass es sich bei dem Beklagten in hiesigem Fall um einen Notar handele, heiße nicht, dass dieser keinem Irrtum unterlegen sein könne. Denn wer bewusst unklare Formulierungen verwende, um einen Irrtum zu erzeugen, könne die Verantwortung für den Erfolg grundsätzlich nicht deshalb verlieren, weil der erfolgreich Getäuschte die Unklarheit bei Anwendung höherer Sorgfalt hätte erkennen können. Dies hat der Bundes­ge­richtshof mit Urteil vom 22.05.2005, Az. BGH X ZR 123/03 entschieden.

Branchen­buchan­bieter nutzt es aus, dass jeder Gewer­be­treibende an richtiger Veröf­fent­lichung seiner Daten interessiert ist

Der Branchen­buchan­bieter nutze bewusst den Umstand aus, dass jeder Gewer­be­treibende aus Werbezwecken grundsätzlich daran interessiert sei, in Branchen­ver­zeich­nissen vollständig und korrekt erfasst zu sein, und insofern eine gewisse Neigung habe, den "Branchen­ein­tra­gungs­antrag" vervollständigt und korrigiert zurück zu senden.

Quelle: ra-online, Amtsgericht St. Wendel

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