Die Täuschung müsse nicht ausdrücklich durch eine bewusst unwahre Behauptung begangen werden. Denn Täuschung sei jedes objektive Verhalten, das objektiv irre führe, oder einen Irrtum unterhalte, und damit auf die Vorstellung eines anderen einwirke. Die Täuschung könne auch konkludent (stillschweigend) erfolgen, nämlich durch ein irre führendes Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen sei.
Von einem solchen irre führenden Verhalten sei auszugehen, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringe, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten mit erkläre. Diese Rechtsansicht hat bereits das Landgericht Stuttgart mit Urteil vom 07.12.2009, Az. 13 S 183/09 zur Grundlage eines Urteils gemacht und in einem ähnlichen Fall die Klage des Branchenbuchanbieters "TM-TeleMedia" abgewiesen.
Das Amtsgericht sah insbesondere in der Aufmachung des von www.branche100.eu verwendeten Formulars ein irreführendes Verhalten. Bereits die fett gedruckte Überschrift "Brancheneintragungsantrag Ort: Nohfelden" lasse eher an ein amtliches Schreiben denken als an ein Angebot oder an Werbung. Der Gebrauch des Wortes "Antrag" sei auch deshalb verwirrend, weil das Schreiben an den Beklagten adressiert sei, dieser nach der Konzeption des Schreibens aber offenbar als Antragsteller gegenüber der Klägerin auftreten solle.
Die gesamte Gestaltung des "Brancheneintragungsantrags", welche die Überprüfung der Eintragungsdaten ganz in den Vordergrund rücke, zeige deutlich, dass es dem Anbieter nicht darum ging, den beklagten Unternehmer von seinen Leistungen zu überzeugen und so zu einem Vertragsschluss zu bewegen. Andernfalls wären nämlich auch werbende Aussagen über die Internetseite www.branche100.eu zu erwarten gewesen, die jedoch komplett fehlen.
Der Branchenbuchanbieter spekuliere vielmehr gezielt darauf, dass der angeschriebene Unternehmer aufgrund der Gestaltung des Formulars und der teilweisen falschen Adressierung die Entgeltklausel übersehe. Eine andere Erklärung der Gestaltung gebe es nicht. Das Amtsgericht zog daraus den Schluss, dass eine Täuschung vorliege.
Der Branchenbuchanbieter konnte das Gericht auch nicht mit der Vielzahl von bereits ergangenen Gerichtsentscheidungen, die eine Täuschungshandlung verneint hatten, überzeugen. Gerade das Gegenteil ergebe sich aus der großen Zahl der vorgelegten Entscheidungen. Denn aus dem Umstand, dass das Geschäftsgebaren in großem Umfang als Täuschung empfunden werde, ergebe sich, dass das benutzte Formular gerade nicht leicht überschaubar hinsichtlich der Preisgestaltung sei, sondern dass es geradezu auf Verwirrung und Täuschung des flüchtigen Lesers angelegt sei.
Aus diesem Umstand ergebe sich auch die Arglist, nämlich das zielgerichtete Verhalten des Branchenbuchanbieters, der ausweislich der von ihm vorgelegten Gerichtsurteile derartige Eintragungsdatenbanken unter anderem unter dem Namen www.branche100.eu", www.branche123.de und www.branche24.de betreibe. Aus den vorgelegten Urteilen ergebe sich weiter, dass die hinter den Seiten stehenden Gesellschafter eine Vielzahl von Gesellschaften betreiben, ohne dass inhaltlich ersichtlich wäre, was von diesen Firmen inhaltlich anderes betrieben würde als das Versenden irreführender "Brancheneintragungsanträge" unter verschiedenen Namen.
All diese Firmen verwenden Angebotsunterlagen, die zu einer Vielzahl von Prozessen geführt haben, weil die angeschriebenen Gewerbetreibenden bzw. Freiberufler von einer Unentgeltlichkeit des Anschreibens ausgegangen seien. Dies unterstreiche, dass der Anbieter sich der Täuschungswirkung des Formulars bewusst sei, das in den verschiedenen Schwesterunternehmen über Jahre nahezu unverändert benutzt worden sei, ohne Konsequenzen aus den dadurch verursachten Missverständnissen beim Adressaten zu ziehen.
Dass www.branche100.eu mit den Schwesterunternehmen dies seit Jahren unverändert tue, spreche für sich. Auch der Umstand, dass es sich bei dem Beklagten in hiesigem Fall um einen Notar handele, heiße nicht, dass dieser keinem Irrtum unterlegen sein könne. Denn wer bewusst unklare Formulierungen verwende, um einen Irrtum zu erzeugen, könne die Verantwortung für den Erfolg grundsätzlich nicht deshalb verlieren, weil der erfolgreich Getäuschte die Unklarheit bei Anwendung höherer Sorgfalt hätte erkennen können. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 22.05.2005, Az. BGH X ZR 123/03 entschieden.
Der Branchenbuchanbieter nutze bewusst den Umstand aus, dass jeder Gewerbetreibende aus Werbezwecken grundsätzlich daran interessiert sei, in Branchenverzeichnissen vollständig und korrekt erfasst zu sein, und insofern eine gewisse Neigung habe, den "Brancheneintragungsantrag" vervollständigt und korrigiert zurück zu senden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.07.2011
Quelle: ra-online, Amtsgericht St. Wendel