Dokument-Nr. 27240
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- NJW-RR 2017, 866Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2017, Seite: 866
- Grundloses starkes Abbremsen trotz "Grün" zeigender Ampel begründet überwiegendes Mitverschulden an AuffahrunfallLandgericht Saarbrücken, Urteil20.11.2015, 13 S 67/15
- Vollbremsung nach Anfahren an Ampel - Notwendiger Sicherheitsabstand beim Anfahren an AmpelKammergericht Berlin, Urteil10.09.2007, 22 U 224/06
Amtsgericht Solingen Urteil06.01.2017
Vollbremsung aus disziplinarischen Gründen nach Anfahren an grüner Ampel begründet vollständige Haftung für AuffahrunfallAkt der Selbstjustiz im Straßenverkehr nicht hinnehmbar
Unternimmt ein Fahrzeugführer nach dem Anfahren an einer grünen Ampel eine Vollbremsung, um auf den nachfolgenden Fahrzeugführer disziplinarisch einzuwirken, haftet er vollständig für einen dadurch bedingten Auffahrunfall. Akte der Selbstjustiz dürfen im Straßenverkehr nicht hingenommen werden. Dies hat das Amtsgericht Solingen entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall kam es im Juni 2015 in Solingen zu einem Verkehrsunfall zwischen zwei Pkw-Fahrern. Der Fahrer eines Opel Corsa füllte sich von der vorausfahrenden Fahrerin eines Opel Astra provoziert, da diese angeblich eine beleidigende Geste in seine Richtung vorgenommen habe. Er überholte daher die Autofahrerin und hielt an einer auf "Rot" zeigenden Ampel an. Der Autofahrer stieg aus dem Fahrzeug aus und ging zur Autofahrerin, um sie zur Rede zu stellen. Anschließend begab er sich wieder zu seinem Fahrzeug und fuhr an, sobald die Ampel "Grün" zeigte. Die hinter ihm befindliche Autofahrerin fuhr ebenfalls an. Plötzlich bremste der Autofahrer jedoch das Fahrzeug stark ab, wodurch es zu einem Auffahrunfall kam. Da das Fahrzeug der Autofahrerin dabei beschädigt wurde, erhob sie gegen den Autofahrer Klage auf Zahlung von Schadensersatz. Der Autofahrer gab an, die Vollbremsung ausgeführt zu haben, weil er ein Klappern gehört habe und daher von einem Getriebeschaden ausgegangen sei.
Anspruch auf Schadensersatz wegen Auffahrunfall
Das Amtsgericht Solingen entschied zu Gunsten der Klägerin. Ihr stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz zu. Der Beklagte hafte vollständig für den Auffahrunfall. Der Klägerin sei keine Pflichtverletzung anzulasten.
Kein Verstoß gegen Pflicht zur Einhaltung eines Mindestabstands
Die Klägerin habe nach Auffassung des Amtsgerichts nicht gegen die aus § 4 Abs. 1 StVO ergebende Pflicht zur Einhaltung eines Mindestabstands verstoßen, da die Vorschrift beim Anfahren bei Grün nicht gelte. Andernfalls würden die Grünphasen nicht ausgenutzt und der Verkehr behindert werden.
Eventuelle Unaufmerksamkeit beim Anfahren aufgrund Vollbremsung aus disziplinarischen Gründen unbeachtlich
Zwar könne der Klägerin eventuell nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises eine fehlende Aufmerksamkeit oder erhöhte Bremsbereitschaft vorgeworfen werden, so das Amtsgericht. Das Verhalten des Beklagten habe aber ein Akt der Selbstjustiz dargestellt. Dieser dürfe im Straßenverkehr nicht hingenommen werden. Wer absichtlich nur deshalb scharf abbremst, um den nachfolgenden Verkehrsteilnehmer zu disziplinieren oder zu maßregeln, hafte für die Folgen eines Auffahrunfalls selbst dann zu 100 %, wenn der Nachfolgende den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis dafür, dass er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet habe, nicht entkräften könne.
Behauptung zum Getriebeschaden nicht plausibel
Das Amtsgericht hielt die Begründung des Beklagten zur Vollbremsung für nicht plausibel und nachvollziehbar. Es sei unklar, weshalb der Beklagte von dem Klappern auf einen Getriebeschaden geschlossen habe und warum wegen eines Getriebeschadens eine Vollbremsung notwendig sei.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 01.04.2019
Quelle: Amtsgericht Solingen, ra-online (vt/rb)
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