Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im März 2013 kam es an einer Kreuzung zu einem Auffahrunfall. Hintergrund dessen war, dass eine Autofahrerin, nachdem die Ampel auf "Grün" schaltete, zwar anfuhr, jedoch vor dem Kreuzungsbereich plötzlich stark abbremste. Eine hinter ihr befindliche PKW-Fahrerin fuhr aufgrund dessen hinten auf. Die Auffahrende klagte anschließend unter Anerkennung eines Mithaftungsanteils von 1/3 auf Zahlung von Schadensersatz. Die Vorausfahrende wies jedoch jegliche Verantwortung für den Auffahrunfall zurück. Sie führte als Grund für das starke Abbremsen an, dass sich von rechts eine Radfahrerin genähert und sie die Befürchtung gehabt habe, dass diese einen Rotlichtverstoß begehen werde.
Das Amtsgericht Homburg gab der Klage auf Grundlage einer Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Auffahrenden statt. Die Vorausfahrende habe zwar grundlos stark abgebremst. Jedoch treffe der Auffahrenden ein schweres Verschulden, weil sie unaufmerksam gewesen sei bzw. keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten habe. Gegen diese Entscheidung legten beide Parteien Berufung ein.
Das Landgericht Saarbrücken entschied zu Gunsten der Auffahrenden und hob daher die Entscheidung des Amtsgerichts auf. Der Auffahrenden sei lediglich ein Mitverschulden in Höhe von 1/3 anzulasten. Es sei zu beachten, dass die Vorausfahrende durch ihr überraschendes und verkehrswidriges Abbremsen die maßgebliche Unfallursache gesetzt habe. Die Auffahrende habe davon ausgehen dürfen, dass die Vorausfahrende während der Grünphase der Ampel zügig weiterfahren würde. Gegenüber dem schwerwiegenden Verkehrsverstoß der Vorausfahrenden falle das Verschulden der Auffahrenden vergleichsweise gering aus.
Die Vorausfahrende habe nach Ansicht des Landgerichts gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift dürfe der Vorausfahrende nicht ohne zwingenden Grund stark abbremsen. Auch wenn die Vorausfahrende befürchtet habe, die Radfahrerin könne direkt vor ihr auf die Fahrbahn fahren, habe bei objektiver Betrachtung kein zwingender Grund für ein starkes Abbremsen vorgelegen. Werde eine Kreuzung durch Lichtzeichen geregelt, habe der durch "Grün" bevorrechtigte Verkehrsteilnehmer allein aufgrund einer Annäherung eines anderen, wartepflichtigen Verkehrsteilnehmers an die Kreuzung keine Veranlassung zu einem starken Bremsen. Der durch "Grün" Bevorrechtigte dürfe grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Querverkehr stillsteht und sei daher gehalten, die Grünphase auszunutzen, um einen ungehinderten Verkehrsfluss zu gewährleisten.
Der Auffahrenden sei nach Auffassung des Landgerichts ein Mitverschulden anzulasten, da sie gegen ihre Pflicht zur besonderen Aufmerksamkeit und erhöhter Bremsbereitschaft verstoßen habe. Die Pflicht zur Einhaltung eines Mindestabstands sei dagegen nicht verletzt worden, da eine solche Pflicht beim Anfahren bei "Grün" gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO nicht bestehe.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 05.10.2017
Quelle: Landgericht Saarbrücken, ra-online (vt/rb)