Dokument-Nr. 20387
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- NJW-RR 2014, 1430Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2014, Seite: 1430
Amtsgericht Solingen Urteil16.04.2014
Kein Anspruch auf Unterlassung eines privaten Glockenspiels bei geringfügiger LärmbelästigungÜberwiegendes öffentliches und privates Interesse an Glockenspiel lässt geringfügige Lärmbelästigung zurücktreten
Einem Wohnungsinhaber steht dann kein Anspruch auf Unterlassen eines privaten Glockenspiels zu, wenn davon eine nur geringfügige Lärmbelästigung ausgeht und das öffentliche und private Interesse am Glockenspiel überwiegt. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Solingen hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 1955 wurde sechs Meter über einem Juwelierladen in der Innenstadt von Solingen ein Glockenspiel installiert. Seitdem ertönte wochentags in der Zeit von 9 bis 19 Uhr zu jeder Viertel-,halben, Dreiviertel und vollen Stunde eine Glockenmelodie. Am Sonntag wurde bis auf die Adventssonntage das Glockenspiel nicht betrieben. Im Jahr 2007 zog gegenüber dem Gebäude des Juwelierladens etwa auf Höhe des Glockenspiels eine Zahnarztpraxis ein. Seit dem Jahr 2013 nutzte der Zahnarzt die Räumlichkeiten zu Wohnzwecken. Ab diesem Zeitpunkt empfand der Zahnarzt das Glockenspiel als störend und klagte auf Unterlassung.
Kein Anspruch auf Unterlassung wegen Glockenspiel
Das Amtsgericht Solingen entschied gegen den Zahnarzt. Ihm habe kein Anspruch auf Unterlassung nach § 1004 Abs. 1, § 906 Abs. 1 BGB zugestanden. Zwar sei durch das Glockenspiel der zulässige Lärmpegel von 60 Dezibel überschritten worden. Es habe sich dabei aber nur um eine geringfügige Überschreitung gehandelt. Diese habe hinter dem öffentlichen und privaten Interesse am Glockenspiel zurücktreten müssen.
Öffentliches und privates Interesse an Glockenspiel überwiegte
Zu Gunsten des Glockenspiels habe nach Auffassung des Amtsgerichts zunächst gesprochen, dass es dem Zahnarzt zumutbar gewesen sei eine Einschätzung zu den Folgen der beabsichtigten Wohnnutzung durch das Glockenspiel vorzunehmen. Dies habe vor allem im Hinblick darauf gegolten, dass er die Räumlichkeiten seit einigen Jahren schon nutzte. Weiterhin sei zu berücksichtigen gewesen, dass sich das Glockenspiel in einer Fußgängerzone befindet. An diesem Ort treten regelmäßig vielfache Geräusche auf. Darüber hinaus sei das Glockenspiel angesichts der langen Zeit des Betriebs als prägendes Kulturgut anzusehen gewesen. Zudem empfinden viele Personen das Glockenspiel als angenehmes Geräusch.
Unterlassungsanspruch war ohnehin verwirkt
Das Amtsgericht wies ferner darauf hin, dass der Unterlassungsanspruch ohnehin nach § 242 BGB verwirkt gewesen wäre. Denn der Zahnarzt habe während des Betriebs der Zahnarztpraxis nichts gegen das Glockenspiel unternommen. Der Juwelier habe daher darauf vertrauen dürfen, dass keine rechtlichen Einwände mehr geltend gemacht werden. In diesem Zusammenhang sei die Änderung der Nutzung der Räumlichkeiten unerheblich gewesen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 22.12.2014
Quelle: Amtsgericht Solingen, ra-online (vt/rb)
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