23.11.2024
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Dokument-Nr. 10602

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Amtsgericht Osnabrück Urteil19.10.2010

Amtsgericht Osnabrück: Rechtsanwalt einer Abo-Falle haftet auf Grund Beihilfe wegen (versuchtem) Betrugs auf SchadensersatzKosten­tra­gungs­pflicht für die Abwehr von Forderungen aus Abofallen

Ein Anwalt, der unberechtigte Forderungen von einem so genannten "Abofallen"-Opfer verlangt, haftet persönlich gegenüber dem Opfer hinsichtlich der entstandenen Kosten für die Abwehr der unberechtigten Forderung. Dies hat das Amtsgericht Osnabrück entschieden und einen Osnabrücker Rechtsanwalt zur Zahlung von rund 46,- Euro Schadensersatz an einen Internetnutzer verurteilt, von dem der Anwalt Geld gefordert hatte. Der Anwalt habe in betrügerischer Absicht gehandelt, führte das Gericht aus.

Im zugrunde liegenden Fall verklagte ein "Abofallen"-Opfer einen Rechtsanwalt (Beklagter) aus Osnabrück. Der Kläger verlangte Schadensersatz für Kosten, die ihm aus der anwaltlichen Abwehr einer durch den beklagten Rechtsanwalt geltend gemachten Forderung entstanden waren.

Der beklagte Rechtsanwalt vertrat die Internetfirma NN (NN) in einer Vielzahl von Fällen. Die Firma bot auf der Seite www.NN.de Softwa­re­pro­gramme an, die legal unentgeltlich genutzt werden können.

Kläger meldete sich auf einer Internetseite an, um kostenlose Software herunter zuladen

Am 16. August 2009 meldete sich der Kläger durch Ausfüllen eines entsprechenden Anmel­de­for­mulars auf der Internetseite der Firma NN an, um als kostenlos deklarierte Software herunter zuladen.

Kläger erhielt Rechnung über 96,- Euro

Mit dem Schreiben der Firma NN vom 31. August 2009 wurde ihm aufgrund seiner Anmeldung ein Jahres­a­bon­nement zum Preis von 96,00 € in Rechnung gestellt.

Beklagter mahnte und forderte Bezahlung der Rechnung

Der Kläger lehnte die Zahlung ab und wurde mit dem anwaltlichen Schreiben des Beklagten vom 18. September 2009 erneut zur Zahlung zzgl. der Mahn- und Rechtsanwaltskosten aufgefordert.

Mit dem Auftrag des Klägers wiesen seine Prozess­be­voll­mäch­tigten mit Schreiben vom 25. September 2009 den Anspruch zurück. Der Beklagte reagierte mit Schreiben vom 29. September 2009 mit dem Forde­rungs­verzicht.

Beklagter soll Kosten für die Abwehr tragen

Der Kläger verlangt die Freistellung von der Gebüh­ren­for­derung seiner Rechtsanwälte, entstanden durch deren zur Anspruchsabwehr verursachten Tätigkeit.

Gericht verurteilt den beklagten Anwalt zur Zahlung von Schadenersatz

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 263, 23, 27 StGB ableitbaren Schaden­s­er­satz­an­spruch, geltend gemacht im Wege eines Freistel­lungs­an­spruchs in Höhe von 46,41 €. Dies sind die ihm gegenüber am 25. September 2009 anwaltlich abgerechneten Kosten, die zur Abwehr einer von dem Beklagten für die Firma NN geltend gemachten Forderung in Höhe von insgesamt 138,00 € entstanden sind. Diese für den 12-Monatszugang für www.NN.de erhobene Forderung bestand nicht, was sowohl dem Beklagten als auch der von ihm vertretenen Firma bekannt war.

Vertrag nicht zustande gekommen

Ein Vertrag über das von der Firma NN (NN) abgerechnete Monats­a­bon­nement in Höhe von 96,00 € ist nicht zustande gekommen, weil der Kläger keine seine Kostenpflicht begründende rechts­ge­schäftliche Erklärung abgegeben hat. Vielmehr ergab sich aus der von der Firma NN verwendeten Internetseite für den Beklagten das Verständnis, durch das Herunterladen von Softwa­re­pro­grammen keine Kosten zu verursachen. Unstreitig enthalten die ersten Seiten keinen Hinweis auf Kosten für das Herunterladen von Programmen, die zudem anderweitig legal kostenlos heruntergeladen werden können.

Firma suggerierte kostenfreien Download

Auf diese Art und Weise wurde dem Kläger suggeriert, jedenfalls einen Teil des Angebots der Firma NN kostenlos zu erhalten. Zum Herunterladen eines solchen unentgeltlichen Programms wird man zur Anmeldermaske geführt, auf welcher der Kostenhinweis in kleiner Schrift und außerhalb des Anmeldevorgangs mit folgendem Text enthalten ist:

"Folgende Inhalte erhalten Sie im Memberbereich! Durch Drücken des Buttons "Anmelden" entstehen Ihnen Kosten von 96 Euro inkl. Mehrwertsteuer pro Jahr (12 Monate zu je 8 Euro). Vertrags­laufzeit 2 Jahre".

Mit dem Hinweis auf den "Memberbereich" ist keine Information darüber verbunden, wie sich dieser Bereich zu den kostenlos verfügbaren Programmen verhält. Dass eine kostenlose Programmnutzung mit der Anmeldung entfällt, wird dem Nutzer nicht eindeutig vermittelt. Die optische und textliche Gestaltung des Kostenhinweises ist im Zusammenhang mit den angeführten freien Programmen deshalb irreführend. Der an einem freien Programm interessierte Verbraucher wird, wie der Kläger, zur notwendigen Anmeldung geleitet, ohne die Kostenpflicht auf sich beziehen zu müssen. Er durfte das von der Firma NN verwendete Formular in der Gesamtauslegung mit dem Inhalt verstehen, Programme unentgeltlich nutzen zu dürfen (so auch Landgericht Mannheim, Urteil v. 14.01.2010 - 10 S 53/09 -).

Firma hat den Kläger getäuscht

Durch die Erweckung des Eindrucks einer kostenlosen Softwa­re­ver­füg­barkeit hat die Firma NN den Kläger getäuscht und ihn zur Anmeldung gebracht. Darauf kam es der Firma NN an, weil sie mit der Anmeldung eine Abonne­ment­ver­pflichtung geltend machen wollte. Dass ihr tatsächlich keine Forderung zustand, war ihr bekannt.

Bei Abwehr verzichtete die Firma regelmäßig auf entsprechende Forderungen

Der Kläger weist auf das unstreitige Gebaren der Firma NN hin, bei einer Abwehr der Abonne­ment­for­derung ohne Weiteres auf eine Weiter­ver­folgung der Angelegenheit zu verzichten. Auch hier wurde dem Klägervertreter auf sein Abwehrschreiben vom 25. September 2009 mit dem Schreiben des Beklagten vom 29. September 2009 mitgeteilt, "dass wir die Angelegenheit hier endgültig eingestellt haben und unsere Mandantschaft die Angelegenheit nicht weiter verfolgen wird." Dieser ungeschränkte Forde­rungs­verzicht erfolgt bei dem aufgezeigten Gesche­hens­ablauf unwidersprochen regelmäßig. Dadurch gibt die Firma NN ihre Einschätzung zu erkennen, mit der Forde­rungs­bei­treibung keinen Erfolg zu haben. Ihr Geschäftsmodell beruht offensichtlich auf der Erwartung, in den überwiegenden Fällen Zahlungen zu erhalten.

Gericht: Firma beging (versuchten) Betrug i. S. d. § 263 StGB

Mit der vorsätzlich unberechtigten Inanspruchnahme des Klägers beging die Firma NN einen Betrug i. S. d. § 263 StGB, der zumindest das Versuchsstadium erreicht hatte. Der letzte auf eine abschließende Vermö­gens­ver­fügung zielende Akt, durch den die Zahlung erreicht werden sollte, liegt in der Einschaltung des Beklagten mit dem Auftrag, die unbegründete Forderung beizutreiben.

Gericht: Beklagter beging Beilhilfe zum Betrug

Mit seinem Schreiben vom 18. September 2009 hat der Beklagte als Rechtsanwalt den Kläger aufgefordert, die Forderung der Firma NN einschl. der Mahn- und seiner Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 138,00 € auszugleichen. Damit hat er zumindest Beihilfe gem. § 27 StGB zu dem betrügerischen Vorgehen der Firma NN geleistet. Der Beklagte hat die Firma NN unstreitig in zahlreichen Verfahren vertreten, die mit dem streit­ge­gen­ständ­lichen Sachverhalt identisch sind.

Regelmäßiger Forde­rungs­verzicht weist auf die Kenntnis über die fehlende Erfolgsaussicht einer gerichtlichen Forde­rungs­durch­setzung hin

Insbesondere ergibt sich aus dem Umstand des regelmäßigen Forde­rungs­ver­zichts nach der Abwehr des Anspruchs die Kenntnis des Beklagten von der fehlenden Erfolgsaussicht einer gerichtlichen Forde­rungs­durch­setzung. Immerhin muss ein Rechtsanwalt, der den Einzug einer Forderung übernimmt, deren Berechtigung prüfen, bevor er seine Tätigkeit aufnimmt und bevor er die jeweils weiteren Schritte zur Durchsetzung der Forderung unternimmt (so BGH, Beschluss vom 09. Juni 2008, AnwSt (R) 5/05). Dafür, nach einer sorgfältigen Prüfung die Begründetheit der Forderung angenommen zu haben, trägt der Beklagte nichts vor. Er subsumiert insbesondere seine deliktische Haftung allein mit Recht­spre­chungs­zitaten ohne einen Vortrag dazu, warum er mit der Zahlungs­auf­for­derung den Anspruch für begründet und nach der Abwehr den Forde­rungs­verzicht für sachgerecht gehalten hat. Aus der unstreitigen und gerichts­be­kannten Vielzahl der Fälle ergibt sich vielmehr die Methode, bei vergeblicher Mahnung durch die angebliche Gläubigerin mit der Einschaltung des als Rechtsanwalt tätigen Beklagten den Eindruck der Ernsthaftigkeit des außer­ge­richt­lichen Mahnverfahrens erwecken zu wollen. Damit hat sich der Beklagte die Zielvorstellung der Firma NN vorsätzlich unterstützend zu eigen gemacht. Dies führt zu seiner deliktischen Haftung gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 263, 22, 27 StGB.

Beklagter Anwalt haftet auf Schadensersatz für entstandene Kosten des Klägers

Durch die unberechtigte Inanspruchnahme sind dem Kläger Kosten zur Abwehr dieser Forderung in der mit 46,41 € unstreitigen Höhe entstanden, die als Schaden in der vom Kläger geltend gemachten Weise der Freistellung zu ersetzen sind.

Das Gericht hat die Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO zugelassen.

Erläuterungen

Nachtrag vom 08.12.2010: Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. Ein Rechtsmittel gegen das Urteil ist laut Amtsgericht Osnabrück nicht eingelegt worden.

Quelle: ra-online, Amtsgericht Osnabrück

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