21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen die Ausrüstung eines Polizisten.

Dokument-Nr. 30718

Drucken
Urteil22.07.2021Amtsgericht München820 Ls 275 Js 118454/20
ergänzende Informationen

Amtsgericht München Urteil22.07.2021

Verbringung in geschlossene Demenzstation eines ausländischen Seniorenheims ohne medizinisches Erfordernis und richterliche Genehmigung führt zu Bewäh­rungs­strafenAG München verurteilt Ehepaar wegen Freiheits­be­raubung

Das Amtsgericht München hat einen 67jährigen Rentner und dessen 56jährige erwerbsunfähige Ehefrau aus München wegen Freiheits­be­raubung zu einer Bewäh­rungs­strafe von je einem Jahr und sechs Monaten.

Der Angeklagte ist der Sohn der 92jährigen Geschädigten, deren vorläufige Betreuerin die Angeklagte bis zu ihrer Ablösung am 22.02.2019 durch eine Berufs­be­treuerin war. Am 18.01.2019 holten die Angeklagten die Geschädigte bei ihrer Entlassung aus einer geron­to­lo­gischen Kranken­hau­s­ab­teilung gemeinsam ab und verbrachten sie in ein Seniorenheim nach Tschechien, in welchem die Geschädigte bis zum 08.08.2019 ohne medizinische Notwendigkeit und ohne notwendige richterliche Genehmigung auf einer geschlossenen Station untergebracht war. Im Gegenteil hatten die Ärzte bei Entlassung eine erneute häusliche Betreuung der Geschädigten durch einen ambulanten Pflegedienst empfohlen.

Berufs­be­treu­e­rinnen finden Frau in verwahrlosten Zustand vor

Bei ihrer Befreiung durch die Berufs­be­treuerin und die betreu­ungs­ge­richtlich bestellte Verfah­rens­pflegerin am 08.08.2019 zeigte sich die Geschädigte in einem stark verschmutzten und ungepflegten Zustand. Sie wies einen massiven Dekubitus am Steißbein sowie drei tennisballgroße Hämatome am Rücken auf. Die Geschädigte hatte sehr fettige Haare und trug stark verschmutzte und klebrige Unterwäsche. Sie äußerte gegenüber den Zeuginnen, dass sie darauf warte, dass ihr Sohn wieder aus dem Urlaub komme und sie dort abhole. Die Angeklagten nahmen zumindest billigend in Kauf, dass die Geschädigte durch die nicht notwendige und nicht genehmigte Unterbringung auf einer geschlossenen Station länger als eine Woche der Freiheit beraubt wird. Die Angeklagten hatten mittlerweile deren Wohnung bezogen.

Verurteilung wegen Freiheits­be­raubung

Die Vorsitzende Richterin begründete das getroffene Urteil u.a. wie folgt: "Zu Gunsten beider Angeklagten wurde das vollumfängliche Geständnis beider Angeklagten berücksichtigt, welches dem Gericht eine umfangreiche Beweisaufnahme erspart hat. Zu Gunsten beider Angeklagten sprach ferner, dass beide noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten sind. Sie haben die Freiheitsberaubung der Geschädigten billigend in Kauf genommen, nicht jedoch beabsichtigt. Weiter war zu Gunsten beider Angeklagten zu berücksichtigen, dass diese offensichtlich mit der Pflege ihrer demenzkranken Mutter bzw. Schwiegermutter überfordert waren. Zu Lasten beider Angeklagten fiel ins Gewicht, dass sich der Zeitraum der Freiheits­be­raubung auf 7 Monate erstreckte. Zu Ungunsten beider Angeklagten wirkte sich auch aus, dass sich die Geschädigte zum Zeitpunkt ihrer "Befreiung" am 08.08.2019 in einem sehr schlechten psychischen und physischen Zustand befand. Weiter ist zu Ungunsten der Angeklagten zu berücksichtigen, dass diese die Geschädigte am 18.01.2019 unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach Tschechien verbracht haben. Beide Angeklagten erzählten der Geschädigten, dass sie sie nur vorübergehend in dem Heim unterbringen würden, während sie selbst im Urlaub seien. Dies hatte zur Folge, dass die Geschädigte Monate lang - vergeblich - auf Besuche bzw. die Abholung durch ihren Sohn wartete."

Quelle: Amtsgericht München, ra-online (pm/aw)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil30718

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI