03.12.2024
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Amtsgericht München Urteil01.02.2018

Auch in der Großstadt kann Baulärm zur Mietminderung berechtigenMietminderung nicht wegen grundsätzlich in Großstädten hinzunehmenden Baulärms von vornherein ausgeschlossen

Übermäßiger Baulärm kann auch in der Großstadt zur Mietminderung berechtigen. Dies entschied das Amtsgericht München und wies damit die Klage einer Vermieterin auf Zahlung eines im Wege der Mietminderung einbehaltenen Mietanteils nahezu vollständig zurück.

Die Beklagte des zugrunde liegenden Verfahrens bewohnt seit Anfang 1997 in München-Maxvorstadt eine Drei-Zimmer-Wohnung mit 67,18 m², deren Miete seit Oktober 2015 brutto 989,08 Euro beträgt. Sie minderte die Mietzahlungen in den Monaten von Oktober 2015 mit Juni 2016 um insgesamt 1.536,98 Euro und begründete dies mit unzumutbarem Lärm einer benachbarten Großbaustelle, auf der unter Abriss einer früheren Fabrik über hundert neue Wohneinheiten erstellt wurden: Dazu legte die Beklagte ein detailliertes Lärmprotokoll mit eingearbeiteter Fotodo­ku­men­tation sowie das Ergebnis einer eigenen mehrtägigen Schallmessung vom Mai 2016 vor.

Vermieterin weist Vorwurf unzumutbarer Lärmbelästigung zurück

Die Klägerin bestritt, dass die Baustelle unzumutbare Lärmstörungen verursacht habe. Die gesetzlichen Bauvorschriften seien eingehalten worden. Sie habe die Bautätigkeit aufgrund der erteilten Baugenehmigung auf dem Nachba­r­grundstück nicht verhindern können. In einer Großstadt müsse mit Bautätigkeiten gerechnet werden, zumal die Beklagte bewusst eine Wohnung neben einer schon stillgelegten Fabrik angemietet habe. Die unwesentlichen und ortsüblichen Immissionen habe die Vermieterin also gegenüber dem Bauherrn nicht abwehren können. Sie seien von der Beklagten folglich hinzunehmen.

Leben in Großstädten auch ungestört von Baulärm möglich

Das Amtsgericht München ließ sich das Bautagebuch einschließlich der dort erfassten Lärmwerte vorlegen, holte ein Sachver­stän­di­gen­gut­achten zur Unzumutbarkeit der Lärmbelästigung ein und gab daraufhin der Beklagten weitgehend Recht. Gemäß § 536 Abs. 1 BGB sei die vereinbarte Miete kraft Gesetzes gemindert, wenn die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel aufweise, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder erheblich mindert, oder ein solcher Mangel während der Mietzeit entstehe. Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen würden, werde der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berück­sich­tigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrs­an­schauung bestimmt. Eine Minderung sei daher entgegen der Auffassung der Klagepartei nicht deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil in Großstädten Baulärm regelmäßig hinzunehmen sei. Zwar sei es zutreffend, dass in Großstädten immer irgendwo gebaut werde. Dennoch entspreche es der allgemeinen Verkehrs­an­schauung, dass man auch in Großstädten in Wohnungen ungestört von Baulärm leben könne. Denn die übergroße Mehrzahl der Wohnungen in Großstädten sei wohl Verkehrslärm, nicht aber Baulärm ausgesetzt.

Baustellenlärm führt zu mehr als unerheblicher Gebrauchs­be­ein­träch­tigung des Mietgebrauchs

Das Gericht sei nach den durchgeführten Beweisaufnahmen davon überzeugt, dass im streit­ge­gen­ständ­lichen Zeitraum von Oktober 2015 bis einschließlich Juni 2016 von der benachbarten Großbaustelle erhebliche Lärm- und Schmut­zein­wir­kungen auf die Wohnung der Beklagten stattgefunden hätten, welche zu einer mehr als unerheblichen Gebrauchs­be­ein­träch­tigung des Mietgebrauchs der Beklagten geführt hätten, so dass die zur angemessenen Mietminderung berechtigt gewesen sei. Das Gericht halte bei Unterteilung des Baulärms für den Zeitraum Oktober 2015 bis einschließlich März 2016 in Bauphase 1 (Abriss und Grundarbeiten) und für den Zeitraum von April bis einschließlich Juni 2016 in Bauphase 2 (Hochbauarbeiten) eine Minderungsquote ausgehend von der Brutto­ge­samtmiete in Höhe von 989,08 Euro von 30 % pro Monat für die Bauphase 1 und von 25 % für die Bauphase 2 für angemessen. Der Sachverständige habe festgestellt, dass im Jahr 2015 im Zeitraum September bis Dezember 2015 an 19 Tagen Lärmimmission gemessen werden konnten, die eine Einwirkung von über 63 Dezibel an der Wohnung der Beklagten ergeben haben, was als wesentliche Beein­träch­tigung anzusehen sei. Im Jahr 2016 seien an 160 Tagen wesentliche Überschrei­tungen der Immis­si­ons­richtwerte zu verzeichnen gewesen, wobei sogar an mehr als 60 Tagen Geräu­sch­be­läs­ti­gungen von mehr als 70 Dezibel vorhanden gewesen sein.

Bei Einzug der Beklagten habe nach der Beweisaufnahme die benachbarte Fabrik noch nicht leer gestanden, so dass sie nicht konkret mit Baumaßnahmen habe rechnen müssen.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

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