21.11.2024
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Amtsgericht München Urteil04.12.2013

Mieter darf Hausflur nicht mit einem Video-Türspion überwachenÜberwachung verletzt Persönlichkeits­rechte anderer Mieter und Dritter

Die Überwachung des Hausflurs mit einem Video-Türspion verletzt das allgemeine Persönlichkeits­recht von Mitmietern und Dritten und ist somit unzulässig. Dies entschied das Amtsgericht München.

Im zugrunde liegenden Streitfall brachte eine Münchnerin an der Eingangstür ihrer im Erdgeschoß liegenden Etagenwohnung im Stadtgebiet von München einen elektrischen Video-Türspion an, da sie Angst vor ihren Etagennachbarn hatte. Der Türspion funktionierte der Gestalt, dass er tagsüber im "Live-Modus" das Geschehen im Hausflur im Bereich unmittelbar vor der Wohungs­ein­gangstür auf einen in der Wohnung befindlichen Bildschirm überträgt, aber keine Aufnahmen fertigt. In der Nacht ist das Gerät auf "Automatikmodus" geschaltet, wodurch bei Aktivierung des Bewegungs­melders die Videokamera auslöst und das Geschehen im Flur/Treppenhaus im Bereich vor der Wohnungs­ein­gangstür der Beklagten aufzeichnet und speichert. Diese Aufnahmen können dann auf dem Bildschirm in der Wohnung oder einem PC angesehen werden. Die beklagte Münchnerin sichtete morgens die Aufnahmen der vorangegangenen Nacht und löschte diese, sofern nichts Verdächtiges festgestellt wurde.

Vermieterin fordert Mieterin zur Entfernung des Video-Türspions auf

Die Kamera wurde Anfang April 2013 von der Vermieterin bei einer Hausbegehung entdeckt. Die Mieterin wurde aufgefordert, die Kamera zu entfernen, da die Überwachung des Hauseingangs durch die Kamera einen erheblichen Eingriff in das Persön­lich­keitsrecht der Mitmieter und Besucher darstelle.

Mieterin verweigert Entfernung der Kamera

Die Mieterin war der Meinung, zum Einbau und Betrieb des Türspions berechtigt zu sein, da sie Angst von ihren Nachbarn habe, mit denen sie sich seit Jahren im Streit befinde. Da sie sich weigerte, die Kamera abzubauen, wurde sie von der Vermieterin auf Entfernung der Videokamera verklagt.

Pflicht zur Beseitigung der Kamera bei Verletzung der Persön­lich­keits­rechte Dritter gerechtfertigt

Die zuständige Richterin gab der Vermieterin Recht. Die Vermieterin kann Beseitigung verlangen, wenn das allgemeine Persön­lich­keitsrecht von Mitmietern oder Dritten verletzt ist und dieser Eingriff nicht gerechtfertigt ist. Hierzu ist eine Inter­es­se­n­ab­wägung zwischen den Persön­lich­keits­rechten der Mitmieter und Dritten und dem Schutzinteresse der Vermieterin einerseits und dem Eigentumsrecht und Überwa­chungs­in­teresse der beklagten Mieterin andererseits vorzunehmen.

Anspruch auf Achtung der individuellen Persönlichkeit besteht auch gegenüber einer Privatperson

Das allgemeine Persön­lich­keitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 GG gibt dem einzelnen einen Anspruch auf Achtung der individuellen Persönlichkeit auch gegenüber einer Privatperson. Es umfasst auch die Freiheit vor unerwünschter Kontrolle oder Überwachung durch Dritte, insbesondere in der Privat- und Intimsphäre im häuslichen und privaten Bereich. Dies beinhaltet für die Mitmieter nicht nur die Freiheit, die Wohnung oder das Haus zu verlassen oder zu betreten, ohne dass ein Mitmieter dies stets überwacht und jederzeit feststellen kann. Es beinhaltet darüber hinaus auch das Recht, ungestört und nicht überwacht Besuch zu empfangen.

AG bejaht Verletzung der Privatsphäre von Mitmietern und Besuchern durch Video­über­wachung

Hier wurde die Privatsphäre der Mitmieter und Besucher verletzt, da die Videoüberwachung und insbesondere die Video­auf­zeichnung in der Nacht im häuslichen Bereich stattfand. Eine Überwachung des Hausflures, der Hauseingangstür oder anderer gemein­schafts­be­zogener Flächen ist grundsätzlich unzulässig, da diese Bereiche allgemein zugänglich sind und nicht dem alleinigen Hoheitsbereich der beklagten Mieterin unterstehen oder ihrem alleinigen Hausrecht unterfallen. Denn die Mitmieter und Besucher, die berechtigt den Flur bzw. das Treppenhaus betreten, werden per Video aufgenommen. Da die beklagte Mieterin im Erdgeschoss des Anwesens wohnt, müssen die übrigen Mitmieter bzw. deren Besucher an ihrer Wohnungs­ein­gangstür vorbei, um zu ihren Wohnungen zu gelangen. Somit werden sie, unabhängig von ihrem Verhalten, nachts gefilmt und die Aufnahmen werden gespeichert. Die Beklagte entscheidet allein, ob die Aufnahmen gelöscht werden oder nicht. Dies stellt eine massive Verletzung des allgemeinen Persön­lich­keits­rechts der Mitmieter und Besucher dar.

Video­über­wachung auch nicht aufgrund von Streitigkeiten mit den Nachbarn gerechtfertigt

Das Gericht stellt weiter fest, dass dieser Eingriff auch nicht gerechtfertigt wegen der Streitigkeiten mit den Nachbarn war. Eine Überwachung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Überwachung zur Abwehr unmittelbar bevorstehender Angriffe auf die Person der Mieterin notwendig war bzw. ist und dieser Gefahr nicht anders begegnet werden kann. Die Fertigung und Speicherung von Aufnahmen erfolgte völlig unabhängig von dem Verhalten der gefilmten Person. Die beklagte Mieterin habe andere Möglichkeiten gehabt, etwaigen Angriffen bzw. Streitigkeiten mit den Nachbarn zu begegnen. Bei gravierenden Vorfällen bleibe es ihr unbenommen, die Polizei einzuschalten. Sofern es sich um weniger schwerwiegende Vorfälle handele, bleibe es der Beklagten unbenommen, sich selbst so zu verhalten, dass die Situation nicht eskaliert.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

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