18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen einen Schreibtisch mit einem Tablet, einer Kaffeetasse und einem Urteil.

Dokument-Nr. 34006

Drucken
ergänzende Informationen

Amtsgericht München Urteil11.07.2023

Streit um Chihuahua „Keks“Keine Änderung der Eigentums­verhältnisse

Im Streit um die Herausgabe des 11-jährigen Chihuahua-Rüden „Keks“ erachtete das Amtsgericht München die Klage einer Münchnerin für überwiegend begründet und verurteilte die Beklagten zur Herausgabe des Hundes.

Sowohl die Klägerin als auch die Beklagten waren der Auffassung, Eigentümer des Hundes „Keks“ zu sein. Der von der Klägerin im Alter von einem Jahr erworbene Hund lebte seit Oktober 2021 durchgehend bei den Beklagten. Die Klägerin hatte den Hund aufgrund ihrer damaligen schwierigen persönlichen Situation in die Obhut der Beklagten gegeben. Sie sei damals hochschwanger gewesen und hätte sich von dem Kindsvater getrennt, weshalb sie das Angebot der Beklagten angenommen hätte, den Hund bei sich aufzunehmen. Nach Angaben der Klägerin hatte sie dabei jedoch von vorneherein klargestellt, dass dies nur vorübergehend sei und sie den Hund zurückholen werde, „sobald sie es wieder schaffe“. Auch das zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte Angebot der Beklagten, den Hund dauerhaft zu übernehmen, habe sie abgelehnt. Im Mai 2022 habe sie den Hund erfolglos von den Beklagten zurückverlangt. Nach Angaben der Beklagten war Chihuahua „Keks“ bereits im Juni 2021 zu ihnen gekommen. Im September 2021 hätte die Klägerin den Hund zwar nochmals herausgefordert. Nach drei bis vier Tagen sei er jedoch wieder zu Ihnen gekommen. Die Beklagten behaupteten, der Chihuahua sei zum dauerhaften Verbleib abgegeben worden.

Aussage gegen Aussage

Das AG führte zur Begründetheit der Klage wie folgt aus: Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe des Chihuahuas aus § 985 BGB, denn die Klägerin ist weiterhin Eigentümerin des Chihuahuas und ein Besitzrecht der Beklagten besteht nicht. Ein Nachweis für eine dingliche Einigung der Parteien dahingehend, dass der Hund dauerhaft und nicht nur vorübergehend bei den Beklagten verbleiben soll, liegt nach Auffassung des Gerichts hingegen nicht vor. Nach Auffassung des Gerichts steht es im Hinblick auf die Frage, ob eine Einigung der Parteien über einen dauerhaften Eigen­tums­übergang des Hundes an die Beklagten vorliege, Aussage gegen Aussage, ohne dass eine Aussage gegenüber der anderen überwiegt und ohne dass einer der Aussagen ein erhöhter Beweiswert zukommt. Weitere Beweismittel, die eine entsprechende Einigung belegen könnten, liegen hingegen nicht vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Schilderungen der Beklagten und die entsprechenden vorgelegten Unterlagen, die die Pflege des Hundes durch die Beklagten betreffen zwar ihre Bemühungen um das Tierwohl dokumentieren. Dies ist jedoch nicht geeignet, einen Nachweis über die dingliche Einigung zu führen, da insoweit der für eine Einigung erforderliche rechts­ver­bindliche Erklärungswille der Klägerin nicht erkennbar ist. Auf der bloßen Grundlage des sich wider­spre­chenden Aussagen der Parteien lässt sich hingegen keine richterliche Überzeugung begründen. Die beweis­pflichtige Beklagtenpartei ist ein Nachweis über das Vorliegen einer entsprechenden dinglichen Einigung daher nicht gelungen.

Rechts­ver­bind­licher Erklärungswille nicht nachweisbar

Eine dingliche Einigung i.S.v. §§ 929 S.1, 90a BGB ist auch nicht konkludent durch die Länge der Zeitdauer zustande gekommen. Die von der Beklagtenpartei dargelegte Pflege des Hundes und das Gewähren lassen durch die Klägerin stellt insoweit keine konkludente Einigung über einen dauerhaften Einigungs­übergang dar, da es auch insoweit an einem rechts­ver­bind­lichen Erklä­rungs­willen der Klägerin fehlt. Die Klägerin hat ihr Eigentum an dem Chihuahua auch nicht durch Dereliktion an die Beklagten verloren. Nach § 958 Abs. 1 BGB erwirbt derjenige das Eigentum an einer Sache, der eine herrenlose bewegliche Sache in Eigenbesitz nimmt. Gemäß § 959 BGB wird eine bewegliche Sache dann herrenlos, wenn der Eigentümer in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, den Besitz der Sache aufgibt. Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an der Äußerung eines Aufgabewillens durch die Klägerin. Voraussetzung hierfür wäre, dass dem Eigentümer das künftige Schicksal der betreffenden Sache völlig gleichgültig sein muss.

Keks' Schicksal war der klagenden Frau auch nicht egal

Durch die Abgabe des Hundes an die Beklagten hat die Klägerin nach Auffassung des Gerichts jedoch vielmehr gezeigt, dass ihr das Schicksal des Chihuahuas gerade nicht gleichgültig ist. Dass die Klägerin nach der Abgabe an die Beklagten einen längeren Zeitraum den Hund nicht herausverlangte, begründet hingegen keine Gleich­gül­tigkeit, denn die Versorgung des Hundes durch die Beklagten war unstreitig sichergestellt. Die Beklagten haben zudem gegenüber der Klägerin kein Recht zum Besitz im Sinne von § 986 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Insbesondere liegt kein schuld­recht­liches Besitzrecht aufgrund einer Schenkung nach § 516 Abs. 1 BGB vor. Eine Schenkung nach § 516 Abs. 1 BGB ist eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, wenn beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Zwar wird seitens der Beklagtenpartei behauptet, der Ausspruch der gegnerischen Seite, der Hund solle bei den Beklagten bleiben, stelle ein konkludentes Schen­kungs­ver­sprechen nach § 516 Abs. 1 BGB dar. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Aussage von der Klägerin bestritten wurde. Die Unauf­klär­barkeit geht, wie bereits dargelegt, hingegen zulasten der Beklagten. Ein Nachweis über entsprechende Einigung einer unentgeltlichen Zuwendung zugunsten der Beklagten ist somit nicht gegeben.“

Quelle: Amtsgericht München, ra-online (pm/ab)

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil34006

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI