Amtsgericht München Entscheidung22.10.2014
Bundesweites Stadionverbot für Fußballfan des 1. FC Nürnberg unzulässigAuffälliges Verhalten als Argument für Gefährlichkeit eines Fußballfans für Stadionverbot nicht ausreichend
Für ein bundesweites Stadionverbot reicht nicht jedes auffällige Verhalten aus, das als Argument für eine Gefährlichkeit verwendet werden kann. Jedoch kann der Verein ein bundesweites Stadionverbot verhängen aufgrund des eigenen Hausrechts und des Hausrechts der übrigen Vereine die sich gegenseitig zum Ausspruch eines solchen Verbots bevollmächtigt haben. Diese Befugnis unterliegt jedoch Beschränkungen. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts München hervor.
Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls ist ein Fußballfan des 1. FC Nürnberg, der das Spiel der 1. Bundesliga zwischen dem FC Bayern und dem 1. FC Nürnberg in der Allianz-Arena in München anschauen wollte. Er befand sich in einer Gruppe von circa 400 Anhängern des 1. FC Nürnberg in der Nähe der U-Bahn-Haltestelle Garching-Forschungszentrum. Die Gruppe wurde von Polizeibeamten zum Stadion begleitet, als Anhänger des FC Bayern versuchten, zu der Gruppe zu gelangen. Es kam zu Gewalttätigkeiten von einem Teil der Gruppe der 1. FC Nürnberg Fans gegenüber den Polizeikräften. Es wurden Äste und andere Gegenstände als Schlagwerkzeuge gegen die Polizeibeamten eingesetzt und gezielt Steine und Flaschen geworfen. Hierbei wurden mehrere Beamte zum Teil erheblich verletzt. Der Großteil der Gruppe hat sich nicht an den gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligt.
Gegen Kläger wird Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Landfriedensbruchs eingeleitet
Gegen den Kläger wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Begehung eines Landfriedensbruchs eingeleitet, das noch nicht abgeschlossen ist. Darin wird ihm vorgeworfen, zu den Anhängern des 1.FC Nürnberg gehört zu haben, die gewalttätige Übergriffe gegen Polizeibeamte begangen haben. Nach dem Stand der Ermittlungen kann die Tat nicht nachgewiesen werden.
Verein erteilt überörtliches Stadionverbot
Der Münchner Fußballverein wurde von der Polizei über das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger informiert und verhängte am 17. Juli 2013 gegen den Kläger ein bundesweit wirksames Stadionverbot bis 30. Juni 2016. Der Verein begründete das Stadionverbot mit § 4 Absatz 3 Nummer 7 der Richtlinien des Deutschen Fußball Bundes. Danach soll ein überörtliches Stadionverbot ausgesprochen werden, wenn ein Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs eingeleitet wurde.
Kläger verlangt Aufhebung des Stadionverbots
Der Kläger verlangte vom Verein die Aufhebung des bundesweiten Stadionverbotes. Da dieser das Stadionverbot nicht zurücknahm, erhob der Anhänger des 1. FC Nürnberg nun Klage vor dem Amtsgericht München gegen den Münchner Verein auf Aufhebung des bundesweiten Stadionverbotes.
Verein darf aufgrund des eigenen Hausrechts Stadionverbot verhängen
Der Amtsrichter gab dem Kläger nun Recht. Grundsätzlich sei der Verein berechtigt, ein bundesweites Stadionverbot zu verhängen aufgrund des eigenen Hausrechts und des Hausrechts der übrigen Vereine der Fussballbundes- und -regionalligen, die sich gegenseitig zum Ausspruch des Verbotes bevollmächtigt haben. Diese Befugnis unterliege jedoch Beschränkungen.
Ausgesprochene Stadionverbot hier nicht rechtmäßig
Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass das von dem Verein ausgesprochene Stadionverbot nicht rechtmäßig ist. Es lasse sich - auch nach den polizeilichen Ermittlungen - nicht feststellen, dass der Kläger die ihm vorgeworfenen Gewalttaten begangen hat. Es habe nicht nachgewiesen werden können, dass der Kläger zu denjenigen Nürnberger Anhängern gehört habe, die gewalttätig gegen die Polizeibeamten vorgegangen sind. Der Kläger sei zwar durch aggressives Verhalten aufgefallen, weil er auf einen Polizeibeamten zu gerannt und mehrmals in die Luft gesprungen sei, wobei er die Fäuste geballt und geschrien habe. Dieses Verhalten begründe noch nicht einen Anfangsverdacht für einen Landfriedensbruch und ebenso wenig den Tatbestand einer anderen in § 4 Absatz 3 der Richtlinien des Deutschen Fußball Bundes genannten Straftat.
Grundgesetz lässt grundlosen Ausschluss einzelner Zuschauer vom Zutritt des Stadions nicht zu
Das Gericht stellt fest, dass ein auffälliges Verhalten für die Verhängung eines bundesweiten Stadionverbotes jedenfalls dann nicht ausreicht, wenn dieses Verhalten nur als Argument für eine nicht näher definierte Gefährlichkeit verwendet werden kann. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das in Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz garantiert ist, und das Gebot der Gleichbehandlung, das aus Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz folgt, lassen es nicht zu, einen einzelnen Zuschauer willkürlich, das heißt ohne sachlichen Grund, vom Zutritt zu Stadien auszuschließen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 10.11.2014
Quelle: Amtsgericht München/ra-online