18.10.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.
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Amtsgericht München Urteil07.04.2011

AG München: Formular eines Adress­buch­verlags darf Kosten für Eintragung nicht verschleiernBegründung von Entgeltpflicht und Laufzeit des Vertrags müssen deutlich erkennbar sein

Das Formular eines Adress­buch­verlags ist dann täuschend, wenn es die Begründung einer Entgeltpflicht und die Laufzeit des Vertrages nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen lässt. Ein darauf hin geschlossener Vertrag kann daher wirksam angefochten werden. Dies entschied das Amtsgericht München.

Im zugrunde liegenden Fall unterhält eine Firma auf einer Webseite www.Gewer­be­da­tenbank.org ein Inter­net­ver­zeichnis, in das sich Selbständige und Gewer­be­treibende mit ihren Kontaktdaten eintragen lassen können.

Unternehmen zweifelt Vertrages wegen arglistiger Täuschung an

Im September 2010 wurde einem Handels­un­ter­nehmen ein Antragsformular übermittelt, mit dem das Angebot unterbreitet wurde, die Daten des Unternehmens in das Verzeichnis aufzunehmen. Dieses unterzeichnete das Antragformular und sandte es zurück. Kurze Zeit später erhielt es eine Rechnung über 773,50 Euro brutto. Das Unternehmen zahlte nicht, schließlich sei von einem Entgelt nicht die Rede gewesen und erklärte die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung.

AG München bejaht arglistige Täuschung des Inter­ne­tan­bieters

Die Inter­net­be­treiberin erhob darauf hin Klage vor dem Amtsgericht München. Der zuständige Richter wies diese jedoch ab. Die Annahme des Vertrags­an­gebots durch das Unternehmen sei infolge wirksamer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nichtig (§§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB), so dass der Klägerin ein Anspruch aus diesem Vertrag nicht zustehe.

Abfassung und äußeren Gestaltung des Formulars im Hinblick auf Entgelt­for­derung nicht ausreichend

Eine Täuschung liege hier in Form der Entstellung von Tatsachen vor. Das Formular eines Adress­buch­verlags sei dann täuschend, wenn es die Begründung einer Entgeltpflicht und die Laufzeit des Vertrags nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen lasse (vgl. BGH NJW-RR 2005,1082 = BGH, Urteil v. 22.02.2005 - X ZR 123/03 -). Dies träfe auf das Antragsformular der Klägerin infolge der Abfassung und äußeren Gestaltung zu.

Formblatt lässt keine Rückschlüsse auf Entgeltlichkeit der Eintragung ins Inter­net­ver­zeichnis zu

Das Formblatt werde als ""gewerbliches Verzeichnis für Handwerk, Industrie und Handel" beschrieben. Anschließend folgt rechts oben ein - nicht näher bestimmbaren Zwecken, überhaupt keinen Zwecken, dienender - Barcode. Nach dem Adressfeld mit der Beklag­te­n­an­schrift folgt dann als Betreff "Eintra­gungs­antrag Gewer­be­da­tenbank (gewerblich) und als Bezug "Ihre Firmengründung". Eine Entgeltlichkeit der Eintragung in das Inter­net­ver­zeichnis ergebe sich bei einer Lektüre des Formblatts zunächst nicht, insbesondere auch nicht aus der Verwendung des Wortes „gewerblich“. Der Adressat des Formulars müsse diese Formulierung nicht dahingehend verstehen, dass der Versand des Formblatts im Rahmen der Ausübung eines Gewerbes, somit in Gewinn­er­zie­lungs­absicht erfolge. Tatsächlich erwecke die Formulierung in ihrer konkreten Verwendung eher den Eindruck, als ob sich die Bezeichnung "gewerblich" auf den Charakter des Inter­net­ver­zeich­nisses als Gewer­be­da­tenbank beziehe, also auf den Umstand, dass die dort eingetragenen Firmen und Personen Gewer­be­treibende seien.

Art der Gestaltung des Formulars ist objektiv geeignet, das Überlesen des Wortes "Vergü­tungs­hinweis" zu fördern

Ein konkreter Hinweis auf die Entgeltpflicht finde sich erstmals innerhalb eines klein gedruckten eingerahmten Fließtextes im Bereich des rechten Seitendrittels. Dieser Fließtext erwecke den Eindruck, als sei hier durch Verwendung möglichst zahlreicher, sich inhaltlich überschnei­dender Füllwörter versucht worden, das Wort "Vergü­tungs­hinweis" in dem Fließtext zu verbergen bzw. möglichst weit nach unten zu rücken. Bereits die Überschrift enthalte eine durch Kommata getrennte Aufzählung von Positionen, die sich insgesamt auf sechs Zeilen der Spalte erstreckten. Diese Art der Gestaltung sei objektiv geeignet, das Überlesen des Wortes "Vergü­tungs­hinweis" zu fördern.

Untypische Gestal­tungsweise des Formblattes lässt vermuten, dass Entgeltlichkeit verschleiert werden soll

Im konkreten Fall gäbe es für die unpro­fes­si­onelle, für einen Gewer­be­trei­benden, der ein entgeltliches Produkt anbiete und bewerben wolle, gänzlich untypische Gestal­tungsweise des Formblattes letztlich überhaupt keine andere Erklärung, als dass - jedenfalls teilweise - "Kunden" dadurch gewonnen werden sollen, dass sie infolge Irrtums über die Entgeltlichkeit das Formblatt unterzeichnen und an die Klägerin zurücksenden.

Der Auffassung des Landgerichts Hannover (Beschluss vom 08.09.2010), dass die irreführende Darstellung auch auf bloß ungeschicktem Vorgehen bei der Formulierung beruhen mag, kann für den hiesigen Rechtsstreit nicht gefolgt werden, führte das Amtsgericht München aus. Einerseits weise das Formblatt - wie oben näher dargestellt - eine Vielzahl von mehr oder weniger subtilen Täuschungs­ele­menten auf, die insgesamt nicht den Anschein des Ungeschicks, sondern vielmehr den Anschein einer durchaus zielgerichteten Gestaltung erwecken. Zudem sei die Problematik unstreitig der Klägerin aus einer Vielzahl von Rechtss­trei­tig­keiten bekannt, ohne dass jedoch das Formblatt verändert worden sei.

Quelle: ra-online, Amtsgericht München (pm/vt/pt)

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