21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen die Silhouette einer Person, welche an einer Wand mit vielen kleinen Bildern vorbeigeht.
ergänzende Informationen

Amtsgericht München Urteil14.11.2017

Ungenehmigte Video­be­ob­achtung des Nachba­r­grund­stücks unzulässigRecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt bereits vor berechtigter Befürchtung einer Bildauf­zeichnung

Das Amtsgericht München hat entschieden, dass es einem Nachbarn untersagt ist, mittels einer an einem Baum auf seinem Grundstück installierten Videokamera das Nachba­r­grundstück zu beobachten, insbesondere Bildnisse oder Filmaufnahmen vom Grundstück oder darauf befindlichen Personen anzufertigen, zu speichern, zu vervielfältigen, aufzubewahren oder in sonstiger Weise zu verwenden.

Der Beklagte des zugrunde liegenden Streitfalls hatte auf einer dem Nachbargrundstück zugewandten Birke eine Kamera installiert, die zum Grundstück des klagenden Ehepaares hin ausgerichtet war. Diese Kamera machte nur einzelne Fotos, wenn ein Bewegungsimpuls auf dem Grundstück des Beklagten erfolgte. Der Auslösebereich war so gewählt, dass eine Person die Einzel­bild­aufnahme auslöste, wenn sie die Umfriedung überwunden hatte und sich auf dem Grundstück des Beklagten befand. Eine Person vor dem Gartentor oder auf dem Grundstück der Kläger aktivierte die Kamera nicht. Die Kamera konnte grundsätzlich auch filmen.

Kläger fühlen sich überwacht

Die Kläger behaupteten, dass die Kamera zunächst so eingestellt gewesen sei, dass das Gartentor zum Grundstück der Kläger und die Auffahrt der Kläger überwacht wurde. Aufgrund des leicht veränderbaren Blickwinkels der Kamera bestehe erhöhte Missbrauchs­gefahr. Bei Befestigung an der Garagenwand sei es dem Beklagten ohne weiteres möglich sein Grundstück zu überwachen, ohne die Rechte der Kläger zu verletzen.

Klage der Nachbarn vor dem Amtsgericht erfolgreich

Das Amtsgericht München gab dem klagenden Ehepaar Recht. Durch die Installation der Kamera, die jedenfalls auf auch auf die nachbarliche Auffahrt als einzigem Zugang zum Grundstück der Kläger gerichtet war, sei das Persön­lich­keitsrecht der Kläger beeinträchtigt. Würden Bewegungen Dritter auf dem Grundstück des Beklagten die Aufnah­me­funktion auslösen, könnten zufällig zeitgleich auf dem Grundstück der Kläger befindliche erwachsene Personen im Stehen maximal bis zum Hüftbereich, kleine Kinder in ganzer Größer erfasst werden. Beim Bücken wäre eine Ablichtung der Kläger auch in ganzer Größe möglich.

Weder angrenzender öffentlicher Bereich noch benachbartes Privat­grund­stücke darf von Kameras erfasst werden

Nach höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung müsse bei der Installation von Anlagen der Überwachung auf einem Privat­grundstück sichergestellt sein, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch benachbarte Privat­grund­stücke oder der gemeinsame Zugang von den Kameras erfasst werden, sofern nicht ein das Persön­lich­keitsrecht der Betroffenen überwiegendes Interesse des Betreibers der Anlage im Rahmen der Abwägung bejaht werden könnten. Unabhängig davon, ob die streit­ge­gen­ständliche Kamera tatsächlich ein Lichtbild der Kläger erstellt habe, bestehe durch diese Platzierung mit Ausrichtung zu der gemeinsam genutzten Auffahrt jedenfalls für die Kläger eine Verdachts­si­tuation, die sie in ihrem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht beeinträchtige. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schütze nicht nur vor tatsächlicher Bildauf­zeichnung, es schütze bereits vor der berechtigten Befürchtung einer Bildauf­zeichnung. Die Kläger würden sich, wenn sie aus ihrem Haus kommend oder zu ihrem Haus gehend ihre Auffahrt benutzen, durch die Ausrichtung kontrolliert fühlen. Die Kläger könnten weder beeinflussen, wann sie bei solchen Gelegenheiten aufgenommen werden, noch können sie feststellen, ob solche Aufzeichnungen gefertigt wurden. Unter Berück­sich­tigung der zwischen den Parteien bestehenden nachbar­schaft­lichen Streitsituation sei die Befürchtung der Kläger, überwacht zu werden, nachvollziehbar.

Auch die vom Beklagten angeführte häufige berufsbedingte Abwesenheit rechtfertige die Aufzeichnungen nicht, zumal er die Kamera auch so an seiner Wand anbringen könne, dass allein sein Grundstück beobachtet würde.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil26055

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI