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Amtsgericht München Entscheidung16.06.2017
Musik ist nicht als Lärm anzusehenAnwohner müssen Musizieren der Nachbarskinder hinnehmen
Das Amtsgericht München hat entschieden, dass es sich beim Musizieren in der Regel nicht um Lärm handelt.
Die beiden Streitparteien des zugrunde liegenden Verfahrens sind unmittelbare Nachbarn in einem allgemeinen Wohngebiet in München und jeweils Eigentümer eines mit einem freistehenden Haus bebauten Grundstücks. Die Kläger bewohnen ihr Haus in der Regel alleine. Die Beklagten bewohnen ihr Haus mit ihren vier minderjährigen Kindern. Die Kinder des beklagten Ehepaares spielen seit Jahren regelmäßig Musikinstrumente, nämlich Schlagzeug, Tenorhorn und Saxofon. Das klagende Ehepaar behauptet, die Kinder würden auch während der vorgeschriebenen Ruhezeiten regelmäßig musizieren. Die bei den Klägern eintreffende Lautstärke erreiche regelmäßig Werte von deutlich über 55 dB, teilweise bis zu 70 dB.
Nachbarn klagen wegen Lärmbelästigung
Das klagende Ehepaar erhob Klage gegen die Nachbarn. Sie verlangen, dass diese es unterlassen, in einer Weise Lärm durch Musikinstrumente zu erzeugen, dass die Nutzung ihres Anwesens wesentlich beeinträchtigt wird. Das beklagte Ehepaar behauptet, dass während des Musizierens die Türen und Fenster stets geschlossen sein. Sie bestritten, dass durch das Musizieren Geräusche verursacht werden, die über 55 dB liegen. Während der Nachtruhe würde nicht musiziert.
Von minderjährigen kann nicht ohne weiteres Einhaltung von Regeln verlangt werden
Das Amtsgericht München wies die Klage ab. Das Gericht wertete die von der Klagepartei vorgelegten Lärmprotokolle aus. Danach sind über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren weniger als eine Handvoll relevanter Fälle festgehalten worden. Das Gericht müsse daher davon ausgehen, dass in aller Regel in den Mittagsstunden gerade nicht musiziert werde. Dass es einige wenige Ausreißer gegeben habe, mag laut Gericht so sein. Hier müsse man aber berücksichtigten, dass es sich bei dem Lärmverursachern um minderjährige Kinder handele. Von diesen könne nicht ohne weiteres die Einhaltung von Regeln verlangt werden wie bei volljährigen Personen. Es liege in der Natur der Kindheit und des Erwachsenwerdens, dass man Grenzen überschreite, Regeln breche und daraus und aus den negativen Konsequenzen lerne, so das Gericht. Einen relevanten Rechtsverstoß könne das Gericht vorliegend nicht erkennen, selbst wenn das Musizieren zu Mittagszeiten untersagt sein sollte.
Geräuschpegel durch Instrumente erreicht nicht Grad der Unzumutbarkeit
Das Gericht nahm Abstand davon, die Lautstärke objektiv durch einen Sachverständigen messen zu lassen. Musik könne nach dem Verständnis des Gerichts nur dann als Lärm klassifiziert werden, wenn jemand absichtlich den Vorgang des Musizierens in eine bloße Produktion von Geräuschen pervertiere. Der zuständige Richter machte sich vor Ort ein Bild der Lage. Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass insbesondere das Schlagzeug deutlich - auch bei beidseits geschlossenen Fenstern - zu vernehmen gewesen sei. Der Geräuschpegel habe aber zur vollen Überzeugung des Richters nicht den Grad der Unzumutbarkeit erreicht. Bei der hier vorzunehmenden Güterabwägung seien laut Gericht auch die Vorgaben der Verfassung, hier insbesondere Artikel 6 GG zu berücksichtigen. Die gesunde Entwicklung junger Menschen stehe unter dem besonderen Schutz und in dem besonderen Interesse des Staates. Die Gesellschaft habe sich bei Abwägungsfragen an dieser Wertentscheidung zu orientieren. Daher sei dem Interesse der Kinder der Beklagten an der Ausübung des Musizierens der Vorrang einzuräumen, entschied das Gericht.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 16.06.2017
Quelle: Amtsgericht München/ra-online
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