18.10.2024
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Sie sehen eine Einbauküche in einer Wohnung.

Dokument-Nr. 34271

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Amtsgericht München Beschluss17.07.2024

Mieterhöhung über den Mietspiegel hinaus bei Inflation nach Erlass des MietspiegelsStich­tags­zu­schlag kann bei ungewöhnlichen Steigerungen der ortsüblichen Miete in Betracht kommen

Vermieter fordern teilweise eine Mieterhöhung, die über die Anpassung der Miete aufgrund des Mietspiegels hinausgeht. Sie begründen dies auch mit der gestiegenen Inflation seit Erlass des Mietspiegels ("Stich­tags­zu­schlag"). Das Landgericht München I setzte dem jetzt deutliche Grenzen. Es handelt sich um eine Entscheidung von erheblicher Bedeutung für eine Vielzahl von Mietver­hält­nissen in München.

Mit der Grund­sat­z­ent­scheidung teilte die 14. Zivilkammer des Landgerichts München I, sog. Mietbe­ru­fungs­kammer, erstmals ihre grundsätzliche rechtliche Einschätzung zum sog. Stichtagszuschlag mit. Ein solcher lasse sich jedenfalls nicht mit dem Anstieg des Verbrau­cher­prei­sindex (Inflation) begründen.

Sachverhalt

Die (Berufungs-)Klägerin begehrte die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Sie vertrat insbesondere die Ansicht, es sei in Zeiten hoher Inflation die Berück­sich­tigung einer Stich­tags­dif­ferenz sachgerecht. Sie forderte deshalb einen Zuschlag zu den Mietwerten des Mietspiegels 2023 wegen einer ungewöhnlichen Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete, die in der Zeit zwischen der Datenerhebung zum Mietspiegel und dem Zugang des Mieter­hö­hungs­ver­langens eingetreten sei.

Der beim Amtsgericht München zur Entscheidung berufene Richter ist dieser Auffassung nicht gefolgt und hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht München I teilte die Auffassung des Erstgerichts.

Landgericht verneint ebenfalls eine ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete für die Zeit nach der Datenerhebung zum Mietspiegel und dem Zugang des Mieter­hö­hungs­ver­langens

Zwar komme den Gerichten nach einem Urteil des BGH aus dem Jahr 2015 (Az. VIII ZR 295/15) bei Beurteilung eines Mieter­hö­hungs­ver­langens in Fällen, in denen zwischen dem Erhebungs­stichtag eines Mietspiegels und dem Zugang des Zustim­mungs­ver­langens nachträglich „ungewöhnliche Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete“ festzustellen sind, ein weiter Beurteilungsspielraum zu. In dessen Rahmen ist das Tatgericht grundsätzlich auch befugt, einen Stich­tags­zu­schlag vorzunehmen, wenn dies dem Gericht zur Bildung einer sachgerechten Einzel­ver­gleichsmiete angemessen erscheint.

Nach Einschätzung des Landgerichts hat das Erstgericht vorliegend seinen Beurtei­lungs­spielraum eingehalten. Insbesondere habe es eine ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete zutreffend verneint. Dies wurde auch damit begründet, dass ein Anstieg nach dem Index für Nettokaltmieten in Bayern von nur wenig mehr als 3 % keinen außer­ge­wöhn­lichen Mietanstieg bedeutet.

Das Landgericht München I wies darauf hin, dass sich eine „ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete“ über den Mietspiegel hinaus nicht mit einem Anstieg des Verbrauch­prei­sindex begründen lässt. Beim Berechnen des Verbrau­cher­prei­sindex bzw. der Inflationsrate wird ein sog. Warenkorb verwendet, der rund 700 Güterarten umfasst und sämtliche von privaten Haushalten in Deutschland gekauften Waren und Dienst­leis­tungen repräsentiert. Dem Verbrau­cher­prei­sindex könne nach Ansicht der 14. Zivilkammer für den spezifischen Anstieg der Wohnungsmieten und erst recht für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete keine belastbare Aussage entnommen werden.

Auch betonte die zuständige Kammer, dass die Einführung einer „Stichtagspraxis“ zu erheblichen Rechts­un­si­cher­heiten führen, die die bedeutsame Befrie­dungs­funktion des Mietspiegels gerade in angespannten Mietmärkten gefährden könnte.

Auf den Hinweis­be­schluss der 14. Zivilkammer gemäß § 522 Abs. 2 ZPO, wonach die Entscheidung des Erstgerichts zutreffend ist, wurde die Berufung zurückgenommen.

Zum Hintergrund

Das Thema „Stich­tags­zu­schlag“ ist sehr aktuell. Es wurde bereits über eine Entscheidung des Amtsgerichts München in der Presse berichtet, in der einer auf den Stich­tags­zu­schlag gestützten Klage stattgegeben wurde.

Die 14. Zivilkammer des Landgerichts München I ist u.a. für alle Berufungen gegen Entscheidungen des Amtsgerichts München in Fragen von Mieter­hö­hungs­ver­langen allein zuständig.

Beim Amtsgericht München wird die Frage des Stich­tags­zu­schlag von den zuständigen Richterinnen und Richtern unterschiedlich beantwortet. Eine Vielzahl von Berufungen mit der streit­ge­gen­ständ­lichen Frage, ob ein Verweis auf den Verbrau­cher­prei­sindex ausreichend sei, um einen Stich­tags­zu­schlag zu begründen, sind bereits beim Landgericht München I anhängig.

Quelle: Amtsgericht München, ra-online (pm/pt)

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