18.10.2024
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Dokument-Nr. 32818

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Amtsgericht Hannover Urteil02.03.2023

Änderung des ausführenden Luftfahrt­unternehmens kein erheblicher ReisemangelKein Anspruch auf Erstattung des Reisepreises nach Rücktritt wegen Zweifel an Flugsicherheit

Das Amtsgericht Hannover hat entschieden, dass ein Reisender einen Pauschal­reise­vertrag, der unter anderem die Erbringung einer Beförderungs­leistung (hier: Flug von Düsseldorf nach Griechenland), nicht bereits deswegen kündigen kann, weil der Reise­ver­an­stalter den Flug durch ein anderes Luftfahrt­unternehmen als zunächst vereinbart durchführen lässt.

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Griechenland gebucht, die unter anderem eine Beförderung durch die Flugge­sell­schaft T. zum Gegenstand hatte, und den vertraglich vereinbarten Reisepreis in Höhe von 3.873 Euro gezahlt. Am 03.06.2022 hatte der Kläger am Flughafen Düsseldorf nach erfolgtem Check-In die Information erhalten, dass die Beförderung nach Griechenland nicht von der Flugge­sell­schaft T., sondern von der Flugge­sell­schaft L. durchgeführt werde, die im Jahr 2020 gegründet worden war. Aufgrund von Bedenken bezüglich der Flugsicherheit bei dieser Gesellschaft hatte der Kläger gegenüber der Beklagten sogleich den Rücktritt vom Reisevertrag erklärt und die Reise abgebrochen.

Erstattung des Reisepreises und Schadensersatz verlangt

Der Kläger hat im Verfahren vorgetragen, bei der Buchung der Reise großen Wert auf eine renommierte Flugge­sell­schaft gelegt zu haben und aufgrund von Rückenschmerzen auf die Verfügbarkeit der von ihm reservierten Sitzplätze und des Bordservice angewiesen gewesen zu sein, was bei der ihm unbekannten Flugge­sell­schaft L. nicht gewährleistet gewesen sei. Die Beförderung mit dieser Gesellschaft sei ihm nicht zuzumuten gewesen, zumal ihm angesichts der kurzfristig bekannt gegebenen Änderung die Möglichkeit ihrer Überprüfung genommen worden sei. Die Beklagte sei in Anbetracht dieser erheblichen Vertrag­s­än­derung verpflichtet, ihm den Reisepreis zu erstatten und ihm Schadensersatz zu leisten.

Reise­ver­an­stalter: Änderung des ausführenden Luftfahrt­un­ter­nehmens begründet keinen Reisemangel

Die Beklagte hat vorgetragen, die erfolgte Änderung des ausführenden Luftfahrt­un­ter­nehmens begründe keinen Mangel der Reise, da die Flugge­sell­schaft L. - dieses war zwischen den Parteien unstreitig - eine nach den Vorschriften des Luftfahrt-Bundesamtes zugelassene Flugge­sell­schaft mit Sitz in Köln sei, die ebenso unter Einhaltung der Vorschriften der EASA europaweit beanstandungs- und fehlerfrei Flüge durchführe. Auch der streit­ge­gen­ständliche Flug sei pünktlich und beanstan­dungsfrei durchgeführt worden. Im Übrigen sei die Beauftragung eines Subcharters nach den Vorgaben des Europarechts und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu dem Zweck einer pünktlichen Beförderung des Klägers geboten gewesen.

AG: Vertrags­kün­digung nur bei einem erheblichen Reisemangel

Das AG Hannover hat die Klage abgewiesen. Gemäß § 651 l Abs. 1 BGB kann der Reisende den Vertrag kündigen, unter anderem wenn die Pauschalreise durch den Reisemangel erheblich beeinträchtigt wird, mithin ein Reisemangel im Sinne des § 651 i Abs. 2 BGB gegeben ist. In dem vorliegenden Sachverhalt kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die von der Beklagten vorgenommene und dem Kläger erst vor dem Boarding mitgeteilte Änderung des ausführenden Luftfahrt­un­ter­nehmens einen Reisemangel im Sinne des § 651 i Abs. 2 Satz 1 BGB begründet. Ein Reisemangel im vorgenannten Sinne wäre hingegen nicht erheblich. Für die Feststellung der Erheblichkeit einer Reise­be­ein­träch­tigung ist nach überzeugender allgemeiner Auffassung maßgeblich, wie gravierend sich der Mangel für den Reisenden ausgewirkt hat und welchen Anteil der Mangel in Relation zur gesamten Reiseleistung hat. Dabei ist das Maß, mit dem ein Mangel die Reise beeinträchtigt, aufgrund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beein­träch­tigung orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen. Diese Gesamtwürdigung ist aus der Sicht eines Durch­schnitts­rei­senden orientiert am Reisezweck und Reisecharakter unter Würdigung aller Umstände vorzunehmen, wobei eine hohe Minderungsquote ein Indiz sein kann, eine bestimmte Minderungsquote aber nicht Voraussetzung für die Annahme einer erheblichen Beein­träch­tigung der Reise ist. Hiervon ausgehend muss die Reise in ihrer Gesamtheit objektiv erheblich beeinträchtigt sein.

Erheblicher Reisemangel nicht feststellbar

Daran gemessen kann in dem vorliegenden Sachverhalt aus der maßgeblichen Sicht eines Durch­schnitts­rei­senden ungeachtet der Änderung des ausführenden Luftfahrt­un­ter­nehmens ein zur Kündigung der Reise berechtigender erheblicher Reisemangel nicht festgestellt werden. Gegenstand der Reise waren neben der für die Realisierung des Reisezwecks vorausgesetzten Beförderung des Klägers und seiner Mitreisenden per Flug nach Griechenland in erster Linie seine Unterbringung und all-inclusive-Verpflegung in einem Hotel in einem Reisezeitraum von einer Woche. Zwar kommt auch den Flügen zum Urlaubsort - nicht zuletzt unter den Gesichtspunkten der Sicherheit und Pünktlichkeit - erhebliche Bedeutung zu. Im Gegensatz zu der Unterbringung, der umfassenden all-inclusive-Verpflegung und Betreuung im Hotel mit seinem vertraglich im Einzelnen vereinbarten Leistungs­angebot, die insofern im Vordergrund der beklagtenseits zu erbringenden Leistungen standen, stellen die Flüge eine für die Durchführung der Reise notwendige Leistung von vergleichsweise geringerem Gewicht dar.

Flug ohne Beanstandungen durchgeführt

Hinsichtlich des von der L. für die Beklagte durchgeführten Fluges nach Griechenland ist zwischen den Parteien unstreitig, dass er pünktlich und ohne Beanstandungen durchgeführt wurde. Bestimmte Flugsi­cher­heits­mängel bei Flügen der L. oder lediglich konkrete Anhaltspunkte für deren Vorliegen in der Vergangenheit hat der Kläger nicht vorgetragen. Anhaltspunkte in diesem Sinne ergeben sich jedenfalls nicht bereits aufgrund der geringen Anzahl von im Besitz der L. befindlichen Luftfahrzeugen oder des Zeitpunkts der Erteilung ihrer Zulassung, da ein allgemeiner Erfahrungssatz dahingehend, dass kleine oder neu gegründete Flugge­sell­schaften unzuverlässiger oder unsicherer seien als ältere oder größere, nicht existiert.

Abstrakten Sorge mangelnder Flugsicherheit irrelevant

Damit beruhte die Entscheidung des Klägers, nach erfolgtem Check-In die Reise abzubrechen bzw. zu kündigen, letztlich auf einer lediglich abstrakten Sorge, dass die L. ihm nicht die Sicherheit und den Komfort bieten werden, wie er dies bei der T. erwartet hätte. Aus der objektiven Sicht eines Durch­schnitts­rei­senden, die zur Entscheidung des in Rede stehenden Sachverhalts maßgeblich ist, ist vor diesem Hintergrund allenfalls ein Reisemangel von vergleichsweise geringem Gewicht gegeben, der lediglich einen Teil der Reise, die gegenüber den übrigen Reiseleistungen nachrangige Beförderung zwei Reisetagen betroffen hätte; eine objektiv erhebliche Beein­träch­tigung der gesamten Reise ist insoweit nicht zu erkennen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Quelle: Amtsgericht Hannover, ra-online (pm/ab)

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