Dokument-Nr. 15512
Permalink https://urteile.news/
Amtsgericht Dieburg Urteil23.04.2012
Kündigung wegen Eigenbedarfs angesichts des hohen Alters eines Mieters unwirksamEigenbedarfskündigung kann gemäß § 574 BGB widersprochen werden
Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs kann gemäß § 574 BGB widersprochen werden, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter eine Härte bedeutet. Eine solche liegt zum Beispiel vor, wenn dem Mieter aufgrund seines hohen Alters nicht zugemutet werden kann, umzuziehen. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Dieburg hervor.
In dem zu Grunde liegenden Fall wurde einer 83-jährigen Mieterin wegen Eigenbedarf gekündigt. Die Vermieterin hatte die Wohnung zuvor gekauft und wollte diese nun selber nutzen. Sie würde damit die Distanz zu ihrem Arbeitsplatz verringern uns sie könne intensiveren Kontakt mit ihrer Familie halten. Zudem strebe sie angesichts ihrer Lebenssituation die Schaffung eines sozialen Netzwerks aus der Nachbarschaft und der Familie an. Die Mieterin legte gegen die Kündigung gemäß § 574 BGB Widerspruch ein. Sie meinte, ein Eigenbedarf bestehe nicht und es liege eine unbillige Härte wegen ihres Alters und ihres Gesundheitszustands vor. Die Vermieterin klagte daraufhin auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung bestand nicht
Das Amtsgericht Dieburg entschied gegen die Vermieterin. Ihr habe kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung zugestanden, da die Mieterin der Kündigung wirksam widersprochen hatte.
Vermieterin begründete Eigenbedarf vernünftig und nachvollziehbar
Die von der Vermieterin ausgesprochene Kündigung wegen Eigenbedarfs (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) sei an sich berechtigt gewesen. So das Amtsgericht weiter. Sie habe ihren Wunsch nach Eigennutz vernünftig und nachvollziehbar begründet und damit ihren Eigennutzungswillen plausibel dargelegt. Er sei auch angesichts ihres höchst persönlichen Interesses und der nach Art. 14 GG geschützten Eigentumsgarantie gerechtfertigt gewesen.
Widerspruch der Mieterin war rechtmäßig
Aus Sicht des Gerichts habe die Mieterin der Eigenbedarfskündigung jedoch gemäß § 574 BGB widersprechen dürfen, da die Beendigung des Mietverhältnisses für sie eine Härte bedeutet habe. Es sei zu beachten gewesen, dass die Vorschrift einen Ausnahmecharakter zur Eigentumsgarantie darstelle und daher streng ausgelegt werden müsse. Es müsse eine umfassende Interessenabwägung stattfinden.
Interessenabwägung erfolgte zu Gunsten der Mieterin
Die Interessenabwägung habe hier ergeben, so das Amtsgericht weiter, dass das Interesse der Mieterin an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses stärker zu bewerten war. Es sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Mieterin 83 Jahre alt und in ihrer Nachbarschaft verwurzelt sowie in ihrer Gesundheit eingeschränkt war, was einen Umzug erschwert hätte. Zudem begründe der Wunsch eines älteren Menschen am Verbleib in der Nachbarschaft, ein erhebliches Interesse für die Aufrechterhaltung eines Mietverhältnisses. Demgegenüber sei zu beachten gewesen, dass die Vermieterin vor Erwerb der Wohnung gewusst habe, dass dort eine ältere Person lebte, für die ein Umzug eine besondere Härte darstellen würde.
Mietverhältnis wurde unbefristet fortgesetzt
Das Gericht bestimmte die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit (§ 574 a Abs. 2 Satz 2 BGB). Denn es sei nicht ersichtlich gewesen, dass sich der Gesundheitszustand der Mieterin zukünftig bessern würde.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.03.2013
Quelle: Amtsgericht Dieburg, ra-online (vt/rb)
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil15512
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.