Dokument-Nr. 4135
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Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen Urteil24.04.2007
2. Nachtragshaushaltsgesetz 2005 in NRW ist verfassungswidrigKreditgrenze überschritten
Das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2005 des Landes Nordrhein-Westfalen ist wegen Überschreitung der Kreditgrenze verfassungswidrig. Dies hat der Verfassungsgerichtshof NRW entschieden und damit einem entsprechenden Antrag der Mitglieder der SPD-Landtagsfraktion stattgegeben.
Nach Art. 83 Satz 2 der Landesverfassung NRW (LV) dürfen die Einnahmen aus Krediten entsprechend den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in der Regel nur bis zur Höhe der Investitionsausgaben in den Haushaltsplan eingestellt werden. Die im Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2005 veranschlagte Netto-Neuverschuldung übersteigt die dort ausgewiesene Summe der Investitionen um 1,4251 Milliarden €. Nach Ansicht des Gesetzgebers rechtfertigt sich die Überschreitung der Kreditgrenze aus der Unmöglichkeit ihrer Einhaltung. Die nach der Landtagswahl 2005 vorgefundenen umfangreichen Haushaltsverschlechterungen hätten durch Einsparungen nicht kompensiert werden können.
Dem ist der Verfassungsgerichtshof NRW nicht gefolgt. Er hat festgestellt, dass die Überschreitung der Kreditgrenze gegen Art. 83 Satz 2 LV verstößt. In der mündlichen Urteilsbegründung führte Präsident des Verfassungsgerichtshofs Dr. Bertrams hierzu u.a. aus:
Von der in Art. 83 Satz 2 LV normierten Regelverschuldungsgrenze dürfe grundsätzlich nur zur Abwehr einer - hier nicht in Rede stehenden - Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und darüber hinaus allenfalls zur Bewältigung exzeptioneller Sondersituationen abgewichen werden. Eine derartige Sondersituation liege nicht schon dann vor, wenn während des laufenden Haushaltsjahres ein Regierungswechsel erfolge und die neue Landesregierung sich aufgrund der vorgefundenen Haushaltssituation nicht in der Lage sehe, die von ihr als zwingend notwendig erachteten Ausgaben ohne Überschreitung der Kreditgrenze zu tätigen. Jeder neu gewählte Haushaltsgesetzgeber müsse von den konkret gegebenen Bedingungen ausgehen und sein Handeln danach einrichten. Die hierdurch bedingten temporären Einschränkungen stellten seine politischen Gestaltungsmöglichkeiten nicht grundsätzlich in Frage. Denn diese seien ihrerseits durch das geltende Verfassungsrecht begrenzt, zu dem auch die restriktive Kreditregelung des Art. 83 Satz 2 LV gehöre. Die Vorschrift sei haushaltsverfassungsrechtlicher Ausdruck des Demokratieprinzips. Indem sie den finanziellen Handlungsspielraum des aktuellen Gesetzgebers beschränke, sichere sie die Handlungsfähigkeit künftiger Gesetzgeber. Dieses Schutzanliegen beanspruche auch bei einem Regierungswechsel im laufenden Haushaltsjahr Beachtung.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 24.04.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen
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