Im zugrunde liegenden Fall wollte ein Hauseigentümer sein ganzes Dach in der Farbe der Photovoltaikanlage decken und beantragte eine entsprechende Zulassung. Die Anlage war grau-schwarz und befand sich auf der Südseite des Daches. Da die örtliche Bauvorschrift als Dachziegelfarbe rot bis rotbraun vorschrieb, lehnte die zuständige Behörde den Antrag ab. Sie führte dazu aus, dass die Förderung regenerativer Energien zwar im Interesse des Gemeinwohls sei, jedoch könne daraus kein Erfordernis einer abweichenden Farbe der Dachdeckung abgeleitet werden. Nach erfolglosem Widerspruch, erhob der Hauseigentümer Klage. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen gab der Klage statt. Dagegen richtete sich die Berufung der Behörde.
Auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschied zu Gunsten des Hauseigentümers. Ihm habe ein Anspruch auf Befreiung von der örtlichen Bauvorschrift gemäß § 56 Abs. 5 Landesbauordnung Baden-Württemberg (LBO BW) zugestanden.
Der Verwaltungsgerichtshof führte zunächst aus, dass der Hauseigentümer einen Anspruch auf Installation einer von der Dachfarbe abweichenden schwarz-grauen Photovoltaikanlage zugestanden habe. Denn nach § 56 Abs. 2 Nr. 3 LBO BW seien Abweichungen von Bauvorschriften zur Verwirklichung von Vorhaben zur Energieeinsparung, wie etwa Photovoltaikanlagen, zuzulassen, wenn die Abweichung mit öffentlichen Belangen vereinbar ist. Sind solche Anlagen aus technischen Gründen nicht in roter oder rotbrauner Farbe erhältlich, so müsse die Abweichungsregelung auch die Farbvorgabe in der örtlichen Bauvorschrift erfassen. Dabei habe auch nicht außer Betracht bleiben dürfen, dass die Behörde selbst die Solarenergienutzung ausdrücklich ermöglichen wollte und einen Vorrang regenerativer Energien vor der farblichen Einheitlichkeit der Dachlandschaft einräumte. Daher sei die Anbringung von Photovoltaikanlagen auch dann mit § 56 Abs. 2 LBO BW mit den öffentlichen Belangen vereinbar, wenn sie von der festgesetzten Farbe der Dacheindeckung abweichen.
Hat der Hauseigentümer einen Anspruch auf eine farbabweichende Photovoltaikanlage, so der Verwaltungsgerichtshof weiter, habe er zugleich einen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung gemäß § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 LBO BW von der örtlichen Bauvorschrift im Hinblick auf die Farbgestaltung des gesamten Daches. Zu berücksichtigen sei nämlich gewesen, dass durch die Anbringung der Solarmodule etwa 99 % der Fläche der südlichen Dachhälfte schwarz-grau war und dass zugleich das Ziel verfolgt wird, eine weitgehende Einheitlichkeit der farblichen Gestaltung der Dacheindeckung zu erreichen. Daher haben Gründe des Allgemeinwohls die Zulassung einer der Farbe der Module entsprechenden Farbe der übrigen Dacheindeckung erfordert.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs stehe es im Widerspruch, wenn Photovoltaikanlagen auf den Dächern des Baugebiets zugelassen werden, die nur in schwarz, schwarz-grau oder schwarz-blau erhältlich sind und dennoch eine rote bis rotbraune Dacheindeckung gefordert wird. Zudem sei es unerheblich gewesen, dass solche Anlagen nur für eine bestimmte Zeit genutzt werden und nach Entfernung der Module die "falsche" Farbe der Dacheindeckung zum Vorschein kommt. Ein solches Szenario lasse sich dadurch vorbeugen, dass in die Befreiungsentscheidung ein entsprechender Widerrufsvorbehalt aufgenommen wird.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 19.08.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, ra-online (vt/rb)