18.10.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil11.09.2012

Verlängerung der Sperrzeit für Gaststätten mit Spielgeräten in Kehl unwirksamBeurteilung der Zumutbarkeit nächtlichen Lärms darf nicht nur auf subjektiven Einschätzungen von Anwohnern beruhen

Die Sperr­zeit­ver­ordnung der Stadt Kehl zum Schutz der Wohnbevölkerung vor nächtlichen Ruhestörungen durch Gaststätten mit Spielgeräten ist unwirksam. Die Annahme der Stadt, die Nachtruhe der Wohnbevölkerung im Geltungsbereich der Verordnung werde durch Lärm von "Automa­ten­gast­stätten" unzumutbar gestört, ist nicht ausreichend nachgewiesen. Dies entschied der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg und wies damit mehrere Normen­kon­trol­lanträge von Gaststät­ten­be­treibern und Automa­ten­auf­stellern aus Kehl zurück.

Gegenstand des zugrunde liegenden Verfahrens war eine gaststät­ten­rechtliche Sperr­zeit­ver­ordnung, die den Beginn der allgemeinen Sperrzeit (3 Uhr bzw. in der Nacht von Samstag auf Sonntag 5 Uhr) für Gaststätten mit Geldspiel­geräten in bestimmten Gebieten mit schutz­be­dürftiger Wohnbevölkerung von Sonntag bis Donnerstag auf Uhr und in den Nächten von Freitag auf Samstag sowie von Samstag auf Sonntag auf 2 Uhr vorverlegte. Die Stadt sah sich dazu durch eine auffällige Häufung von Beschwerden über nächtliche Belästigungen und Ruhestörungen in der Nachbarschaft inner­städ­tischer Gaststätten mit Geldspiel­geräten veranlasst. Mehrere Gaststät­ten­be­treiber und Automa­ten­auf­steller aus Kehl hatten die Verordnung angegriffen. Sie sahen sich in ihrer Berufsfreiheit verletzt und argumentierten, eine Vorverlegung der Sperrzeit aus Gründen des Lärmschutzes sei nicht gerechtfertigt.

Stadt hat Feststellungen zur nächtlichen Lärmsituation nicht ausreichend durch schall­tech­nische Lärmmessungen oder -prognosen belegt

Der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg folgte dieser Auffassung. Eine Verlängerung der in der Gaststät­ten­ver­ordnung des Landes Baden-Württemberg bestimmten allgemeinen Sperrzeit sei nur bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses oder besonderer örtlicher Verhältnisse zulässig. Dies erfordere ein erhöhtes lokales Gefah­ren­po­tenzial. Lärmimmissionen könnten als schädliche Umwelt­ein­wir­kungen im Sinne des Bunde­s­im­mis­si­ons­schutz­ge­setzes ein solches Gefah­ren­po­tenzial darstellen. Ihre Zumutbarkeit beurteile sich nach der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm). Insoweit genügten subjektive Einschätzungen von Anwohnern nicht. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit des Lärms seien belastbare Feststellungen zur nächtlichen Lärmsituation im gesamten Geltungsbereich der Verordnung zu treffen, und zwar in der Regel durch schall­tech­nische Lärmmessungen oder -prognosen. Daran fehle es hier. Die Stadt habe den im Geltungsbereich der Verordnung von Gaststätten ausgehenden Lärm nicht nach den Vorgaben der TA Lärm gemessen oder prognostiziert. Die von ihr lediglich berück­sich­tigten Anwoh­ner­be­schwerden bezögen sich zudem nur auf ein Fünftel der von der Verordnung betroffenen Gaststätten mit Geldspiel­geräten. Außerdem erfasse die Sperr­zeit­ver­ordnung auch Gaststätten mit nur einem oder zwei Geldspiel­geräten, für welche die Stadt nicht einmal ansatzweise ein erhöhtes Gefähr­dungs­po­tenzial durch Lärm ermittelt habe. Gleiches gelte für die zahlenmäßig überwiegenden "Automa­ten­bistros", bei denen es bislang keine oder nicht gehäuft Anwoh­ner­be­schwerden gegeben habe. Schließlich beziehe die Verordnung auch Gebiete ein, für die unzumutbare Lärmimmissionen derzeit weder nachgewiesen seien noch überhaupt in Frage stünden.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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