15.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil16.01.2008

Scientology muss für Infor­ma­ti­o­ns­ver­an­stal­tungen Sonder­nut­zungs­ge­bühren zahlen

Für Infor­ma­ti­o­ns­ver­an­stal­tungen der Church of Scientology International, Los Angeles, (Klägerin) in der Innenstadt von Stuttgart dürfen Sonder­nut­zungs­ge­bühren erhoben werden, weil sie als Werbe­ver­an­staltung gelten und weder gemeinnützigen Zwecken noch öffentlichen Interessen dienten. Dies hat der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg (VGH) entschieden und damit die Berufung der Klägerin gegen ein gleichlautendes Urteil des Verwal­tungs­ge­richts Stuttgart zurückgewiesen.

Die Stadt Stuttgart erteilte der Klägerin im Herbst 2002 eine Genehmigung für Veranstaltungen ihrer „ehrenamtlichen Geistlichen“, die im Rahmen einer Rundreise durch Europa in drei Zelten auf einer Fläche von insgesamt 180 m2 ihre uneigennützige Arbeit vorstellen und zur „Harmonisierung von Seele und Körper“ anleiten sollten. Die Stadt setzte hierfür eine Sonder­nut­zungs­gebühr von 18.568 EUR fest. Die hiergegen erhobene Klage blieb auch vor dem Verwal­tungs­ge­richtshof ohne Erfolg.

Die Bedenken der Klägerin gegen die Gültigkeit der für die Erhebung von Sonder­nut­zungs­ge­bühren geltenden Satzung teilt der VGH nicht; denn sie unterscheide in zulässiger Weise nach dem objektivierten Nutzen an der jeweiligen Art von Sondernutzung. Die Klägerin gehöre nicht zu den als gemeinnützig anerkannten Religi­o­ns­ge­mein­schaften mit dem Recht der Steuerbefreiung, für deren Infor­ma­ti­o­ns­stände überhaupt keine Sonder­nut­zungs­ge­bühren erhoben werden dürften. Die Sondernutzung habe auch weder im öffentlichen Interesse elegen noch ausschließlich gemeinnützigen Interessen gedient, heißt es in dem Urteil weiter. Dafür reichten weder die Information über den Einsatz der „ehrenamtlichen Geistlichen“ in Katas­tro­phen­ge­bieten und in Entwick­lungs­pro­jekten noch die praktischen Anleitungen und Übungen der ehrenamtlichen Geistlichen, die der Harmonisierung von Seele und Körper dienen sollten.

Des weiteren entschied der VGH, dass auch die Höhe der Sonder­nut­zungs­gebühr nicht zu beanstanden sei. Die Stadt habe zutreffend den für „Werbe­ver­an­stal­tungen (Promotion)“ vorgesehenen Gebührensatz zu Grunde gelegt. Mit der Darstellung ihrer Aktivitäten verfolge die Klägerin das Ziel, bei den Besuchern ein positives Bild zu erzeugen und den vielfältigen kritischen Stimmen in Medien und Öffentlichkeit wirksam entge­gen­zu­treten. Der werbende Charakter der Veranstaltung sei gerade vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Klägerin und ihre Unter­glie­de­rungen in großem Umfang wirtschaftlich tätig seien. Es komme nicht darauf an, dass unmittelbar bei der Veranstaltung keine Bücher oder Kurse angeboten oder verkauft worden seien. Dass die für „Werbe­ver­an­stal­tungen“ anderer erhobenen Sonder­nut­zungs­ge­bühren durchweg niedriger gewesen seien, liege an der kürzeren Zeitdauer sowie an dem geringeren Flächenbedarf der Veranstaltungen der anderen Straßennutzer.

Nach Ansicht des VGH kann die Klägerin der Beurteilung, dass die Veranstaltung jedenfalls mittelbar ihren ökonomischen Interessen gedient habe, nicht entgegenhalten, dass sie sich selbst als Religi­o­ns­ge­mein­schaft verstehe. Selbst wenn ihr die Eigenschaft einer Religions- oder Weltan­schau­ungs­ge­mein­schaft zukommen sollte, was der Senat habe offen lassen können, sei sie nicht von der Einhaltung allgemeiner wertneutraler Normen befreit und müsse daher straßen­rechtliche Vorschriften einhalten. Das behördliche Kontroll­ver­fahren der Sonder­nut­zungs­er­laubnis und das damit verbundene Gebührenrecht seien prinzipiell mit dem Grundrecht der Glaubens­freiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) zu vereinbaren. Die Gebührensatzung räume der Stadt auch kein Ermessen ein, bei dessen Ausübung Grundrechte zu berücksichtigen seien. Deswegen sei es auch unbeachtlich, wenn der Gemeinderat und die Verwaltung der Stadt seit 1997 das Ziel verfolgen sollten, der Klägerin im Stadtgebiet keinerlei Möglichkeit der Werbung und Missionierung zu geben. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Stadt in einzelnen Fällen anderen Nutzern die Gebühr ermäßigt habe. Denn die Ermäßigungen seien erfolgt, weil die länger zurückliegenden Sondernutzun-gen durch Baustellen gestört worden seien.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VGH Baden-Württemberg vom 26.02.2008

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