Im zugrunde liegenden Streitfall hatte die Stadt Wiesbaden die notwendige Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zum Plakatieren anlässlich der bevorstehenden Landtags- und Bundestagswahl - wie bei allen anderen Parteien - gemäß ihrer "Plakatierungsrichtlinien" (Ziffer 1.2g der Richtlinien der Landeshauptstadt Wiesbaden für die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen zur Aufstellung von beweglichen Plakatständern und -tafeln sowie Transparenten der Parteien und Wählergemeinschaften in Wahlkampfzeiten, genehmigt durch Magistratsbeschluss Nr. 0987 vom 8. November 2005) von dem vorherigen Nachweis einer entsprechenden Haftpflichtversicherung abhängig gemacht und die Partei auf diese Regelung mehrfach hingewiesen.
Der von der NPD angesichts der in weniger als zwei Wochen stattfindenden Bundes- und Landtagswahl gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war nicht erfolgreich. Zwar attestierte das Verwaltungsgericht Wiesbaden der NPD die grundsätzliche Dringlichkeit des Eilantrags zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes kurz vor der Wahl, lehnte jedoch einen Anspruch der Partei auf Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zum Aufstellen der Wahlplakate ab.
Das Gericht legt in seiner Begründung dar, dass die Aufstellung von Plakatständern im öffentlichen Straßenraum eine erlaubnispflichtige Sondernutzung darstellt, die der Erlaubnis der Straßenbehörde bedarf. Das Straßengesetz enthalte hierzu keine näheren Vorgaben, nach welchen Maßstäben die Erlaubnis versagt werden kann oder muss; über einen Antrag habe die Stadt daher nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Hierbei seien in erster Linie straßenrechtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, aber auch alle sonstigen Rechtsnormen zu beachten, um die Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustands zu vermeiden. Es sei aber auch allgemein anerkannt, dass für die Zeit des Wahlkampfes, jedenfalls in der Regel in den letzten sechs Wochen vor dem festgesetzten Wahltermin, der „heißen“ Wahlkampfphase, den zur Wahl zugelassenen Parteien und Gruppierungen aufgrund der Bedeutung der Wahlen in einem demokratischen Staat und der Bedeutung der Parteien für die Wahlen ein Anspruch zusteht, in angemessener Weise Wahlsichtwerbung im Straßenraum zu betreiben. Dadurch werde in der Regel das Ermessen der Erlaubnisbehörde dahingehend eingeschränkt, dass entsprechende Sondernutzungserlaubnisse zu erteilen sind. Die Wahlsichtwerbung als gewissermaßen selbstverständliches Wahlkampfmittel dürfe daher durch gänzliche oder auch nur weitgehende Verweigerung vorgesehener Erlaubnisse grundsätzlich nicht beschnitten werden.
Die Stadt Wiesbaden ist nach Auffassung des Gerichts auch unter Berücksichtigung der verfassungsmäßigen Rechte der Parteien jedoch nicht verpflichtet, die im Übrigen gebührenfreie Sondernutzungserlaubnis ohne jegliche Bedingungen und Beschränkungen zu erteilen. Die Stadt übernehme durch die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis auch eine Schutzpflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Dieser werde sie dadurch gerecht, indem sie den Nachweis einer entsprechenden Haftpflichtversicherung fordere. Es bestehe ein berechtigtes Interesse daran, dass beispielsweise Sach- und Personenschäden bei einer auf Wahlwerbung zurückzuführenden Schadensrealisierung, durch eine Versicherung des Erlaubnisinhabers abgedeckt seien. Die Wahlplakate würden häufig unmittelbar am Straßenrand aufgestellt oder in einiger Höhe an Bäumen oder Laternenmasten angebracht. Wenn sie umfallen oder sich die Befestigung lösen würden, könnten erhebliche Personen- und Sachschäden entstehen. Hinzu komme, dass die Plakate bis zu 6 Wochen im öffentlichen Straßenraum verbleiben dürften. Gerade eine an das Gesetz gebundene, dem Gemeinwohl verpflichtete Stadt, müsse nicht sehenden Auges das Risiko hinnehmen, dass Ansprüche aus Personenschäden mangels Deckung durch eine Versicherung unbeglichen und Rechtsansprüche mangels Solvenz unverwirklicht bleiben.
Auch das Recht auf Gleichbehandlung bzw. Chancengleichheit der Parteien untereinander sei nicht verletzt, da die Stadt Wiesbaden ihre gängige Verwaltungspraxis konsequent angewandt habe, indem sie von allen Parteien vor Erteilung der Sondernutzungserlaubnis einen entsprechenden Versicherungsnachweis verlangt habe. Die Plakatierungsrichtlinie bestehe seit fast acht Jahren. In allen seit Inkrafttreten durchgeführten Wahlkämpfen hätten die teilnehmenden Parteien entsprechende Versicherungen nachgewiesen.
Die NPD selbst habe im Bundestagswahlkampf 2009 den Nachweis einer Haftpflichtversicherung hinsichtlich des Besitzes und der Verwendung von Reklameeinrichtungen und Wahlplakaten sowie aus dem Anbringen dieser Plakate nachgewiesen und daraufhin die beantragte Sondernutzungserlaubnis erhalten.
Die NPD habe nicht glaubhaft gemacht, dass sich Versicherungen weigern würden, mit ihr dementsprechende Verträge zu schließen. Soweit die NPD darauf hinweise, dass in den letzten Jahren kein Versicherungsunternehmen bereit gewesen sei, den Abschluss von Haftpflichtversicherungsverträgen für die Überlassung von kommunalen öffentlichen Einrichtungen mit ihr abzuschließen, sagt dies nach Auffassung des Gerichts nichts über die Möglichkeit des Abschlusses einer Versicherung zum Aufstellen von Wahlplakaten aus. Insbesondere habe die NPD nach Kündigung des Haftpflichtvertrages durch eine Versicherung im Jahr 2011 nicht nachgewiesen, dass es ihr in der Zwischenzeit unmöglich gewesen sei, auch durch Vertragsverhandlungen mit anderen Versicherungen, jedenfalls unter Beschränkung auf bestimmte Haftungsrisiken für das Aufstellen von Wahlplakaten, eine neue Versicherung abzuschließen. Sie habe nicht vorgetragen, dass beispielsweise Vertragsverhandlungen mit ausländischen Versicherungen geführt worden seien, und habe auch keine Angebots- bzw. Ablehnungsschreiben vorgelegt. Sollte die NPD meinen, einem Boykott der Versicherungswirtschaft ausgesetzt zu sein, müsse sie hiergegen gegebenenfalls zivilgerichtlichen Rechtsschutz suchen. Hierzu habe sie auch seit 2011 ausreichend Zeit gehabt.
Das Gericht hält die Vorlage eines Versicherungsnachweises auch für das geeignete Mittel, Geschädigten im Falle einer Schadensrealisierung einen möglichst solventen Schuldner in Form einer Versicherung gegenüberzustellen. Soweit die NPD der Auffassung sei, es genüge die Abgabe einer Haftungsübernahme bzw. Freistellungserklärung gegenüber der Stadt Wiesbaden, überzeuge dies nicht. Im Falle einer Schadensrealisierung müssten sich die Geschädigten dann an die Partei als solche wenden. Diese hafte grundsätzlich lediglich mit ihrem Vermögen. Dass dieses gerade bei kleineren Parteien unter Umständen nicht ausreiche, um auch nur durchschnittliche Schadenshöhen bzw. eine kleinere Anzahl Geschädigter zu befriedigen, liege auf der Hand. Sollte bei der NPD eine Ausnahme von dem Versicherungsnachweis gemacht werden, so müsste dies nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz auch für die anderen Parteien gelten. Dies würde nach Auffassung des Gerichts allerdings zu einer Potenzierung des Problems im Hinblick auf die "Flut" der Wahlplakate im Stadtgebiet der Stadt Wiesbaden und zu einem völlig unkalkulierbaren Risiko führen.
Anhaltspunkte dafür, dass die Stadt Wiesbaden gezielt auf die Wahlkampfführung einer für die Landtags- und Bundestagswahlen zugelassenen und durch das Bundesverfassungsgericht nicht verbotenen Partei einwirken und quasi „durch die Hintertür“ eine unerwünschte Wahlwerbung durch eine Verwaltungsentscheidung verhindern wolle, seien ebenfalls nicht ersichtlich. Die zugrundeliegenden Richtlinien seien bereits mit Magistratsbeschluss der Stadt Wiesbaden vom 8. November 2005 genehmigt worden. Es habe daher an der NPD gelegen, sich frühzeitig mit den örtlichen Voraussetzungen vertraut zu machen.
(1) Der Gebrauch der öffentlichen Straßen über den Gemeingebrauch hinaus (Sondernutzung) bedarf der Erlaubnis der Straßenbaubehörde. Die Erlaubnis soll nicht erteilt werden, wenn behinderte Menschen durch die Sondernutzung in der Ausübung des Gemeingebrauchs erheblich beeinträchtigt würden.
(2) Die Erlaubnis darf nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt werden. Bedingungen und Auflagen sind zulässig. Eine auf Zeit erteilte Erlaubnis kann widerrufen werden, wenn es das Wohl der Allgemeinheit erfordert.
(3) Der Erlaubnisnehmer hat dem Träger der Straßenbaulast alle Kosten zu ersetzen, die diesem durch die Sondernutzung zusätzlich entstehen. Hierfür kann der Träger der Straßenbaulast angemessene Vorschüsse und Sicherheiten verlangen.
(4) Bei der Errichtung und bei dem Betrieb der Sondernutzungsanlage hat der Erlaubnisnehmer die anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Arbeiten an der Straße bedürfen der Zustimmung der Straßenbaubehörde.
(5) Wechselt der Träger der Straßenbaulast, so bleibt eine gemäß Abs. 1 erteilte Erlaubnis bestehen.
(6) Der Erlaubnisnehmer hat keinen Ersatzanspruch bei Widerruf der Sondernutzungserlaubnis oder bei Sperrung, Änderung oder Einziehung der öffentlichen Straße. Im Falle des Abs. 2 Satz 3 ist der Betroffene vom Träger der Straßenbaulast angemessen zu entschädigen. Über die Entschädigung entscheidet das Regierungspräsidium.
(7) Ist nach den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts eine Erlaubnis für eine übermäßige Straßenbenutzung oder eine Ausnahmegenehmigung erforderlich, so bedarf es keiner Erlaubnis nach Abs. 1. Vor ihrer Entscheidung hat die zuständige Behörde die sonst für die Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde zu hören. Die von dieser geforderten Bedingungen, Auflagen und Sondernutzungsgebühren sind dem Antragsteller in der Erlaubnis oder Ausnahmegenehmigung aufzuerlegen.
(1) Der Erlaubnisnehmer hat der Stadt alle Kosten zu ersetzen, die ihr durch die Sondernutzung zusätzlich entstehen. Bei durch Baumaßnahmen veranlassten Sondernutzungen, insbesondere durch Bauzäune, Gerüste und Container, haften ungeachtet einer Erlaubnis auch der Bauherr und das bauausführende Unternehmen auf Kostenersatz. Zur Deckung von Ansprüchen der Stadt auf Kostenersatz können jederzeit angemessene Vorschüsse und Sicherheitsleistungen verlangt werden. Dies gilt auch, wenn Beschädigungen an der Straße oder Straßeneinrichtungen zu besorgen sind.
(2) Der Erlaubnisnehmer hat die Stadt von allen Ansprüchen Dritter freizustellen, die wegen der Sondernutzung oder der Art ihrer Ausübung gegen die Stadt erhoben werden. Die Stadt kann von dem Erlaubnisnehmer jederzeit den Abschluss einer Versicherung wegen solcher Ansprüche sowie den Nachweis regelmäßiger Prämienzahlung verlangen.
(3) - (4) [...]
(1) Als Sondernutzungen sind gebührenfrei: 1. Kreuzungen der Straße mit ober- oder unterirdischen Leitungen der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Fernwärme oder Wasser sowie der öffentlichen Abwasserleitungen jeweils mit den Hausanschlüssen,
2. von der Straßenbauverwaltung allgemein eingeführte private Hinweisschilder zur besseren Orientierung der Verkehrsteilnehmer,
3. Informationsstände politischer Parteien, karitativer, kirchlicher, gemeinnütziger Organisationen,
4. Plakatständer und -tafeln, wenn sie von politischen Parteien oder Wählervereinigungen aus Anlass von Wahlen und im Rahmen der politischen Meinungsbildung aufgestellt werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 16.09.2013
Quelle: Verwaltungsgericht Wiesbaden/ra-online