18.10.2024
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Verwaltungsgericht Wiesbaden Urteil08.05.2013

Anfragen über gemeindliche Einnahmen aus dem Betrieb von Windkraft­anlagen sind unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß zu beantwortenGemein­de­vorstand kann sich nicht auf Datenschutz und Steuergeheimnis berufen

Das Verwal­tungs­gericht Wiesbaden hat entschieden, dass der Gemein­de­vorstand verpflichtet ist, Anfragen eines Gemein­de­ver­treters über die gemeindlichen Einnahmen aus dem Betrieb von Windkraft­anlagen unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß zu beantworten.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls, ein Gemein­de­ver­treter und Mitglied der CDU- Fraktion, hatte mit Schreiben vom 22. September 2012 den Vorsitzenden der Gemein­de­ver­tretung unter anderem um Auskunft über die gemeindlichen Einnahmen aus dem Betrieb von Windkraft­anlagen für den Zeitraum 2001-2011 gebeten. Bei der begehrten Auskunft sollte zwischen Pachteinnahmen, Gewer­be­steu­e­r­ein­nahmen, eventuell zusätzlichen Einnahmen bei der Grundsteuer und sonstigen Einnahmen differenziert werden.

Bürgermeister beruft sich auf das Steuergeheimnis

Diese Fragen wurden dem Kläger in der Sitzung der Gemein­de­ver­tretung am 5. Oktober 2012 vom Bürgermeister nur teilweise beantwortet, da dieser sich aufgrund des Steuer­ge­heim­nisses insbesondere über die Höhe der Einnahmen nicht äußern wollte.

Vorsitzender der Gemein­de­ver­tretung weist Widerspruch gegen Ablehnung der Auskunft als unzulässig zurück

Nachdem eine erneute Anfrage des Klägers vom 27. Oktober 2012 nicht auf die Tagesordnung einer nicht-öffentlichen Sitzung der Gemein­de­ver­tretung genommen worden war, erhob der Kläger Widerspruch gegen die Ablehnung der begehrten Auskunft. Diesen Widerspruch wies der Vorsitzende der Gemein­de­ver­tretung als unzulässig zurück.

Anfrage über Auskünfte zu Auswirkungen der Errichtung eines Windparks ebenfalls als unzulässig zurück gewesen

Eine weitere Anfrage des Klägers vom 30. November 2012, mit der er Auskünfte über die Auswirkungen der Errichtung eines Windparks an der B 260 auf den Wald und die Jagdpacht erstrebte, wurde ebenfalls von dem Vorsitzenden der Gemein­de­ver­tretung als unzulässig zurück gewesen.

Anfragen der Gemein­de­ver­treter sind schriftlich oder mündlich in Sitzung der Gemein­de­ver­tretung zu beantworten

Gegen beide Ablehnungen erhob der Kläger Klage vor dem Verwal­tungs­gericht Wiesbaden, das seiner Klage nun zum Teil Recht gab. Das Gericht urteilte, dass der Gemein­de­vorstand aufgrund der Hessischen Gemeindeordnung verpflichtet sei, Anfragen der Gemein­de­ver­treter schriftlich oder mündlich in einer Sitzung der Gemein­de­ver­tretung zu beantworten. Denn die Überwachung der Verwaltung der Gemeinde durch die Gemein­de­ver­treter erfolge insbesondere durch die Ausübung des Fragerechts in den Sitzungen der Gemein­de­ver­tretung und durch schriftliche Anfragen. Die Gemein­de­ver­treter hätten gegenüber dem Gemein­de­vorstand nicht nur die bloße Funktion, sondern gerade auch die Pflicht zur Überwachung und dürften daher zum Zweck der Überwachung von ihrem Fragerecht an den Gemein­de­vorstand Gebrauch machen.

Anfragen nur für Angelegenheiten mit Bezug zur Gemeinde zulässig

Allerdings sei dieses Fragerecht eines Gemein­de­ver­treters nicht unbegrenzt zu gewähren, sondern reiche nur soweit wie die Kontroll­be­fugnisse der Gemein­de­ver­tretung. Es seien daher nur solche Anfragen zulässig, die sich auf Angelegenheiten der Gemeinde beziehen, insbesondere zu wichtigen Verwal­tungs­an­ge­le­gen­heiten der Gemeinde. Nach Auffassung des Gerichts ist die Errichtung des Windparks fraglos als ein besonders wichtiges Projekt der Gemeinde Heidenrod einzustufen, was in der Öffentlichkeit und der Presse demzufolge besonders intensiv beobachtet und verfolgt werde. Deshalb sei der Gemein­de­vorstand ohnehin von Gesetzes wegen bereits von sich aus verpflichtet, die Gemein­de­ver­tretung laufend über dieses Projekt zu unterrichten. Wenn aber schon eine laufende Unter­rich­tungs­pflicht des Gemein­de­vor­stands gegenüber den Gemein­de­ver­tretern bestehe, so sei der Gemein­de­vorstand umso mehr verpflichtet, auf entsprechende Anfragen von Gemein­de­ver­tretern zu einem solchen Großbauvorhaben die begehrten Auskünfte zu erteilen. Im Übrigen sei die Erteilung der Auskunft nicht mit einem besonderen Aufwand verbunden.

Auskunfts­pflicht besteht auch bei perso­nen­be­zogenen Daten

Diesem Auskunfts­be­gehren stehen nach den Ausführungen des Gerichts weder daten­schutz­rechtliche Regelungen noch das Steuergeheimnis entgegen. Nach den Vorschriften des Daten­schutz­ge­setzes bestehe seitens des Gemein­de­vor­stands grundsätzlich auch bei perso­nen­be­zogenen Daten eine Auskunfts­pflicht, die lediglich bei streng persönlichem Charakter der Daten eingeschränkt sein könne. Dabei sei insbesondere auf die Inter­es­sen­wahr­nehmung der Betroffenen abzustellen und zu prüfen, inwieweit eine solche Übermittlung zuzumuten sei. Hinsichtlich der Gewer­be­steu­er­zah­lungen sei die Auskunft für die Betroffenen aber durchaus zumutbar.

Auskunft­s­er­teilung bei Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses zulässig

Die Wahrung des Steuer­ge­heim­nisses habe eine Durchbrechung erfahren, wonach eine Offenbarung bei Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses zulässig sei. Dies sei auf den Fall der Ausübung der Kontroll­be­fugnis gegenüber dem Gemein­de­vorstand anzuwenden. Könnte der Gemein­de­vorstand unter Hinweis auf das Steuergeheimnis Auskünfte verweigern, so das Gericht, würde die gesetzlich vorgesehene Kontroll­be­fugnis weitestgehend ausgehöhlt werden. Im Übrigen sei der Kläger als kommunaler Mandatsträger nach den Vorschriften der Abgabenordnung und der Hessischen Gemeindeordnung zur Verschwie­genheit verpflichtet. Soweit bei Beantwortung der Fragen in der Sitzung der Gemein­de­ver­tretung ausreichende Vorkehrungen für den Geheimschutz, zum Beispiel durch den Ausschluss der Öffentlichkeit getroffen und damit dem Geheim­hal­tungs­be­dürfnis ausreichend Rechnung getragen werde, stehe auch der Auskunft sensibler Steuerdaten nichts entgegen.

Auskünfte zu Fragen über noch ungewisse Auswirkungen der Windkraft­anlagen müssen nicht erteilt werden

Darüber hinaus war die Klage des Klägers erfolglos. Soweit der Kläger Auskunft über die Auswirkungen der Windkraft­anlagen erstrebe, sei die Klage unbegründet, da dem Kläger als Gemein­de­ver­treter zwar ein Fragerecht zustehe, dieses jedoch nicht unbeschränkt gelte. Das Fragerecht müsse dem Zweck der Überwachung dienen. Fragen, die sich auf noch ungewisse Auswirkungen der Windkraft­anlagen beziehen, gehörten nicht dazu. So könnten Fragen über die Auswirkungen, wie zum Beispiel über den Flächen­ver­brauch, nicht konkret und abschließend beantwortet werden. Dies sei erst dann möglich, wenn durch eine Genehmigung weiterer Windkraft­anlagen nach dem Bunde­s­im­mis­si­ons­schutz­gesetz das verbindliche Parklayout festgelegt worden sei. Es bestehe auch keine Pflicht der Gemein­de­ver­tretung, eine Schätzung oder Prognose einzig zur Beantwortung der Fragen des Klägers vorzunehmen. Zwar seien die Fragen des Klägers für oder gegen die Entscheidung über den Windpark an späterer Stelle entscheidend, aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Diese Fragen bezüglich der Auswirkungen neuer Windkraft­anlagen würden im Rahmen einer noch ausstehenden Debatte in der Gemein­de­ver­tretung zur Diskussion gestellt und geklärt werden. Eine solche Diskussion mache aber keinen Sinn, wenn gerade diese Auswirkungen noch nicht genau bestimmt werden könnten. Dafür bedürfe es erst des Abschlusses des Verfahrens in den zuständigen Ausschüssen der Gemein­de­ver­tretung.

§ 50 Hessische Gemeindeordnung - Aufgaben

Erläuterungen
(1) Die Gemein­de­ver­tretung beschließt über die Angelegenheiten der Gemeinde, soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt. Sie kann die Beschluss­fassung über bestimmte Angelegenheiten oder bestimmte Arten von Angelegenheiten auf den Gemein­de­vorstand oder einen Ausschuss übertragen. Dies gilt jedoch nicht für die in § 51 aufgeführten Angelegenheiten. Die Übertragung bestimmter Arten von Angelegenheiten auf den Gemein­de­vorstand kann in der Hauptsatzung niedergelegt werden. Die Gemein­de­ver­tretung kann Angelegenheiten, deren Beschluss­fassung sie auf andere Gemeindeorgane übertragen hat, jederzeit an sich ziehen. Ist die Übertragung in der Hauptsatzung niedergelegt, ist die Vorschrift des § 6 Abs. 2 zu beachten.

(2) Die Gemein­de­ver­tretung überwacht die gesamte Verwaltung der Gemeinde, mit Ausnahme der Erfüllung der Auftrags­an­ge­le­gen­heiten im Sinne des § 4 Abs. 2, und die Geschäfts­führung des Gemein­de­vor­stands, insbesondere die Verwendung der Gemein­de­ein­nahmen. Sie kann zu diesem Zweck in bestimmten Angelegenheiten vom Gemein­de­vorstand in dessen Amtsräumen Einsicht in die Akten durch einen von ihr gebildeten oder bestimmten Ausschuss fordern; der Ausschuss ist zu bilden oder zu bestimmen, wenn es ein Viertel der Gemein­de­ver­treter oder eine Fraktion verlangt. Gemein­de­ver­treter, die von der Beratung oder Entscheidung einer Angelegenheit ausgeschlossen sind (§ 25). haben kein Akten­ein­sichtsrecht. Die Überwachung erfolgt unbeschadet von Satz 2 durch Ausübung des Fragerechts zu den Tages­ord­nungs­punkten in den Sitzungen der Gemein­de­ver­tretung, durch schriftliche Anfragen und aufgrund eines Beschlusses der Gemein­de­ver­tretung durch Übersendung von Ergeb­nis­nie­der­schriften der Sitzungen des Gemein­de­vor­stands an den Vorsitzenden der Gemein­de­ver­tretung und die Vorsitzenden der Fraktionen. Der Gemein­de­vorstand ist verpflichtet, Anfragen der Gemein­de­ver­treter und der Fraktionen zu beantworten.

(3) Der Gemein­de­vorstand hat die Gemein­de­ver­tretung über die wichtigen Verwal­tungs­an­ge­le­gen­heiten laufend zu unterrichten und ihr wichtige Anordnungen der Aufsichts­behörde sowie alle Anordnungen, bei denen die Aufsichts­behörde dies ausdrücklich bestimmt hat, mitzuteilen.

Quelle: Verwaltungsgericht Wiesbaden/ra-online

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