18.10.2024
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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil11.11.2009

VG Stuttgart: Zwang zum Abschluss einer privaten Kranken­ver­si­cherung für Landesbeamte unwirksamBestimmung verstößt gegen Fürsorge- und Alimen­ta­ti­o­ns­pflicht des Dienstherrn

Eine Bestimmung in der Beihil­fe­ver­ordnung des Landes Baden-Württemberg, nach der Beihilfe nur Landesbeamten gewährt wird, die eine private Zusatz­kran­ken­ver­si­cherung abgeschlossen haben, ist unwirksam. Dies hat das Verwal­tungs­gericht Stuttgart entschieden.

Die 1951 geborene Klägerin trat 1970 als Beamtin in den Dienst des Landes Baden-Württemberg. Damals war der Abschluss einer privaten Zusatz­ver­si­cherung für von der Beihilfe anteilig nicht gedeckte Aufwendungen im Krankheitsfall nicht vorgeschrieben und die Klägerin schloss keine derartige Versicherung ab. Seit 1999 ist die Klägerin im (vorzeitigen) Ruhestand.

Pflicht zum Abschluss einer Krank­heits­kos­ten­ver­si­cherung für jedermann

Zum 1. Januar 2009 führte der Bundes­ge­setzgeber (durch Einfügung des § 193 Abs. 3 des Versi­che­rungs­ver­trags­ge­setzes) die Pflicht zum Abschluss einer Krank­heits­kos­ten­ver­si­cherung für jedermann ein. Damit soll vermieden werden, dass Personen, die sich nicht oder zu spät gegen Krankheit versichern, zum Kostenrisiko für die Allgemeinheit - d.h. in der Regel für die Träger der Sozialhilfe - werden.

Beihilfe nur möglich, wenn private Zusatz­ver­si­cherung nachgewiesen werden kann

Das beklagte Land änderte in diesem Zusammenhang seine Beihil­fe­ver­ordnung. Beihilfe wird danach nur Personen nur gewährt, die nachweislich eine private Zusatz­ver­si­cherung abgeschlossen haben.

Land lehnt Beihilfe mit Hinweis auf Versi­che­rungs­pflicht ab

Das Land lehnte im Januar 2009 den Antrag der Klägerin auf Gewährung von (weiterer) Beihilfe unter Hinweis auf die Versi­che­rungs­pflicht ab. Mit ihrer dagegen erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, wenn sie nunmehr eine private Kranken­ver­si­cherung abschließe, koste sie das für sich, ihren Ehemann und ihre Tochter mindestens 420,- € im Monat. Sie erhalte aber nur ein Ruhegehalt von 1.547,- € monatlich.

Land fehlt für Zielverfolgung gesetz­ge­be­rische Kompetenz

Die Bestimmung in der Beihil­fe­ver­ordnung des Landes, wonach Beihilfe nur Personen gewährt wird, die eine Krankenversicherung abgeschlossen haben, ist unwirksam, so das Verwal­tungs­gericht Stuttgart. Denn mit dieser Bestimmung werden überhaupt keine beihil­fe­recht­lichen Ziele verfolgt, sondern (nur) das Ziel des Versi­che­rungs­ver­trags­ge­setzes, möglichst lückenlos alle Bundesbürger gegen Krank­heits­kosten zu versichern. Für diese Zielverfolgung fehlt dem Land zudem die gesetz­ge­be­rische Kompetenz. Denn der Bund hat im geänderten Versi­che­rungs­ver­trags­gesetz lediglich als „Sanktion“ für einen Verstoß gegen die Versi­che­rungs­pflicht einen Prämienzuschlag eingeführt, falls dann später doch eine Versicherung abgeschlossen wird. Weitere Sanktionen sieht der Bundes­ge­setzgeber nicht vor. Daher ist das Land gehindert, weitergehende Sanktionen einzuführen.

Beamtin wäre gezwungen erheblichen Betrag für Versicherung aufzubringen oder Beihil­fean­spruch zu verlieren

Zudem verstößt die Bestimmung jedenfalls bei Beamten wie die Klägerin, die während der aktiven Dienstzeit und auch zu Beginn ihrer Pensionierung Beihil­feansprüche hatten, ohne dass es des Abschlusses einer zusätzlichen privaten Kranken­ver­si­cherung für von der Beihilfe anteilig nicht gedeckte Aufwendungen im Krankheitsfall bedurfte, deren Versor­gungs­ansprüche etwa 1.550,- € monatlich betragen und von denen auch ihr Ehemann und ihre Tochter leben, gegen die Fürsorge- und Alimen­ta­ti­o­ns­pflicht des Dienstherrn. Denn sie führt dazu, dass die Klägerin gezwungen ist, entweder einen nicht ganz unerheblichen monatlichen Betrag - hier 420,- € - von ihrer Pension für die Versicherung zu verwenden, oder jeden Beihil­fean­spruch zu verlieren.

Quelle: ra-online, VG Stuttgart

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