21.11.2024
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Dokument-Nr. 12819

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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil02.12.2011

Einbür­ge­rungs­an­spruch trotz unzureichender Deutsch­kenntnisse

Der Anspruch eines Ausländers auf Einbürgerung setzt ausnahmsweise dann keine ausreichenden Deutsch­kenntnisse voraus, wenn der Ausländer wegen Krankheit im Zeitpunkt der Entscheidung über die Einbürgerung nicht mehr in der Lage ist, diese Kenntnisse zu erwerben. Ob sich ein Einbür­ge­rungs­be­werber die entsprechenden Kenntnisse der deutschen Sprache in der Vergangenheit hat aneignen können, ist nicht entscheidend. Mit dieser Begründung das Verwal­tungs­gericht Stuttgart den Anspruch einer türkischen Staats­an­ge­hörigen (Klägerin) auf Einbür­ge­rungs­zu­si­cherung bejaht und die Stadt Heilbronn (Beklagte) zur Erteilung dieser Zusicherung verpflichtet.

Die 1949 geborene Klägerin ist Hausfrau und lebt seit 1991 mit ihrem Ehemann und den sechs gemeinsamen Kindern, die mittlerweile deutsche Staats­an­ge­hörige sind, im Bundesgebiet. Sie ist im Besitz einer Nieder­las­sungs­er­laubnis. Die Klägerin ist Analphabetin und spricht die deutsche Sprache nicht. Im Juni 2009 erlitt sie einen Schlaganfall, ist seither schwerbehindert und leidet unter komplexen kognitiven Störungen. Die Klägerin hatte im März 2010 bei der Beklagten die Einbürgerung beantragt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.04.2011 ab, da nicht ersichtlich sei, dass sich die Klägerin in den Jahren vor ihrer Erkrankung hinreichend bemüht habe, die deutsche Sprache zu erlernen.

Dem ist das Verwal­tungs­gericht nicht gefolgt. Nach Auffassung des Gerichts hat die Klägerin - abgesehen vom Erfordernis der Aufgabe ihrer türkischen Staats­an­ge­hö­rigkeit - einen Einbür­ge­rungs­an­spruch. Die Klägerin sei wegen ihrer Krankheit nicht mehr in der Lage, ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache und Kenntnisse der Rechts- und Gesell­schafts­ordnung und der Lebens­ver­hältnisse in Deutschland zu erwerben. Dabei komme es allein darauf an, ob der Einbür­ge­rungs­be­werber zum Zeitpunkt der Entscheidung über seine Einbürgerung wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt diese Kenntnisse nicht mehr erwerben könne. Die maßgebende Vorschrift des Staats­an­ge­hö­rig­keits­ge­setzes (§ 10 Absatz 6 StAG) stelle nicht darauf ab, ob sich ein Einbür­ge­rungs­be­werber die entsprechenden Kenntnisse in der Vergangenheit habe aneignen können. Vom Erfordernis der ausreichenden Sprach­kenntnisse sei deshalb auch dann ausnahmsweise im Krankheitsfall abzusehen, wenn sich der Einbür­ge­rungs­be­werber bereits seit vielen Jahren oder Jahrzehnten in Deutschland aufhalte und er sich in früherer Zeit die geforderten Kenntnisse hätte aneignen können.

Quelle: ra-online, VG Stuttgart (pm/pt)

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