23.11.2024
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Verwaltungsgericht Neustadt Beschluss14.06.2016

Schließung einer Gaststätte wegen unzureichender Deutsch­kenntnisse zu Unrecht angeordnetMangelnde Deutsch­kenntnisse lassen nicht die Annahme von Unzuver­läs­sigkeit zu

Zu Unrecht wurde gegenüber einer vietnamesischen Staats­an­ge­hörigen die Schließung ihrer Gaststätte wegen unzureichender Deutsch­kenntnisse angeordnet. Dies hat das Verwal­tungs­gericht Neustadt a.d. Weinstraße entschieden.

Im vorliegenden Fall verfügt die aus Vietnam stammende Antragstellerin, die in der Innenstadt von Bad Dürkheim ein asiatisches Schnell­re­staurant betreibt, über eine Aufent­halt­s­er­laubnis, die ihr das Nachgehen einer selbständigen Tätigkeit gestattet. Im Mai 2015 und Januar 2016 erteilte die Antragsgegnerin, die Stadt Bad Dürkheim, der Antragstellerin jeweils eine vorläufige Erlaubnis zum Betreiben der Gaststätte.

Bescheinigung über Anmeldung an Volkshochschule für Sprachkurse durch Antragstellerin vorgelegt

Zuletzt bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin ihre deutschen Sprach­kenntnisse zu verbessern. In der Folgezeit legte die Antragstellerin eine Bescheinigung der Volkshochschule Bad Dürkheim vor, ausweislich derer sie für die Sprachkurse "Deutsch als Fremdsprache für Anfänger" und "Deutsch I" angemeldet war.

Unterstellung von mangelnder Zuverlässigkeit aufgrund unzureichender Deutsch­kenntnisse

Mit Bescheid vom 10. Mai 2016 lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung einer unbefristeten Gaststättenerlaubnis ab und verfügte die Schließung der Gaststatte mit Ablauf des 31. Mai 2016 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit der Begründung, die Antragstellerin sei der deutschen Sprache nicht mächtig und könne ausschließlich durch Hinzuziehen von Freunden kommunizieren. Ohne Deutsch­kenntnisse fehle es aber bereits an den "Grundbausteinen" zum Betreiben eines Gewerbes. Aufgrund ihrer mangelnden Deutsch­kenntnisse sei die Antragstellerin nicht in der Lage, ein Gewerbe zu betreiben und besitze daher nicht die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit.

Schutz der Allgemeinheit wegen unzureichender Deutsch­kenntnisse unplausibel

Hiergegen hat die Antragstellerin Widerspruch eingelegt und zugleich am 27. Mai 2016 um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz mit der Begründung nachgesucht, die Antragsgegnerin nehme zu Unrecht an, dass sie, die Antragstellerin, die erforderliche gaststät­ten­rechtliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Bisher habe es keinerlei Beanstandungen gegeben, weder aus Behörden- noch aus Kundensicht. Es sei nicht plausibel, dass die Allgemeinheit vor ihren unzureichenden Deutsch­kennt­nissen geschützt werde solle. Sie bediene sich in ihrem Betrieb der Hilfe ihrer Arbeitskräfte. Die Bedienungen sprächen gut Deutsch und könnten problemlos die Bestellungen der Gäste aufnehmen.

VG: Betrie­bs­schließung ermes­sens­feh­lerhaft

Das Gericht hat dem Eilantrag stattgegeben. Zur Begründung haben die Richter ausgeführt: Die Anordnung der Betrie­bs­schließung sei ermes­sens­feh­lerhaft ergangen. Ausschließ­liches Kriterium für die angeordnete Schließung der Gaststätte seien für die Antragsgegnerin die mangelnden Deutsch­kenntnisse der Antragstellerin gewesen, die die gaststät­ten­rechtliche Unzuverlässigkeit der Antragstellerin zur Folge hätten. Diese Auffassung teile das Gericht jedoch nicht.

Keine Anforderungen an deutsche Sprach­kenntnisse im Gaststät­tenrecht und allgemeinem Gewerberecht

Das Gaststät­tenrecht stelle ebenso wie das allgemeine Gewerberecht grundsätzlich keine Anforderungen an deutsche Sprach­kenntnisse. § 1 der Gewerbeordnung gestatte Ausländern aus Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union ebenso wie deutschen Staats­an­ge­hörigen und EU-Bürgern den Betrieb eines Gewerbes in Deutschland. Ob die Betreffenden dazu einer auslän­der­recht­lichen Erlaubnis bedürften, bestimme sich nach der Art der unter­neh­me­rischen Aktivität in Deutschland. Die Antragstellerin verfüge über eine Aufent­halt­s­er­laubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit und müsse daher den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes der zuständigen Behörde grundsätzlich nur anzeigen. Zwar sehe die Gewerbeordnung für bestimmte gewerbliche Tätigkeiten eine Erlaub­nis­pflicht vor. So müssten Gewer­be­treibende, die im Bewachungs­gewerbe tätig sein wollten, über die für die Ausübung des Gewerbes notwendigen rechtlichen Vorschriften unterrichtet worden sein. Diese Unterrichtung erfolge mündlich und die zu unterrichtende Person müsse über die zur Ausübung der Tätigkeit und zum Verständnis des Unter­rich­tungs­ver­fahrens unverzichtbaren deutschen Sprach­kenntnisse verfügen. Das Gaststät­ten­gesetz verlange demgegenüber in keiner Vorschrift ausdrücklich Kenntnisse der deutschen Sprache als unabdingbare Voraussetzung für die Erteilung einer Gaststät­te­n­er­laubnis. Zwar müsse der Gewer­be­treibende vor Aufnahme des Gaststät­ten­be­triebs über die Grundzüge der für den in Aussicht genommenen Betrieb notwendigen lebens­mit­tel­recht­lichen Kenntnisse unterrichtet worden sein. Die Unterrichtung erfolge auch hier mündlich. Allerdings sei die Zuziehung eines Dolmetschers zulässig. Dies unterstreiche, dass mangelnde Deutsch­kenntnisse nicht ausreichend seien, um die Ausstellung einer Gaststät­te­n­er­laubnis zu versagen. Vorliegend habe die Industrie- und Handelskammer Pfalz der Antragstellerin bescheinigt, dass sie über die Grundzüge der für den Betrieb einer Schank- und Speise­wirt­schaft notwendigen lebens­mit­tel­recht­lichen Kenntnisse unterrichtet worden sei und mit ihnen als vertraut gelten könne.

Weder Steuer­rück­stände noch Lebens­mit­tel­verstöße aktenkundig

Die Unzuver­läs­sigkeit der Antragstellerin könne auch nicht damit begründet werden, diese sei wegen ihrer nicht ausreichenden Deutsch­kennt­nissen nicht in der Lage, ihr Geschäft selbst zu betreiben und auf eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung tätig zu werden. Es seien weder Steuer­rück­stände noch lebens­mit­tel­rechtliche Verstöße aktenkundig. Es stehe der Antragstellerin auch frei, als selbständig Gewer­be­treibende sich der Hilfe Dritter z.B. beim Einkauf, beim Kochen oder bei der Bestellung in der Gaststätte zu bedienen. Soweit die Antragsgegnerin auf mögliche Verstän­di­gungs­probleme mit Kunden etwa bei der Bestellung von Speisen in ihrer Gaststätte hingewiesen habe, rechtfertige dies ebenfalls nicht die Annahme einer Unzuver­läs­sigkeit. Die Antragstellerin habe hierzu unwidersprochen vorgetragen, die Bedienungen sprächen gut Deutsch und könnten problemlos die Bestellungen der Gäste aufnehmen. Die Antragsgegnerin könne diesbezüglich die Gaststät­te­n­er­laubnis der Antragstellerin gegebenenfalls mit einer Auflage versehen, während der Öffnungszeiten der Gaststätte sicherzustellen, dass jederzeit deutsch sprechendes Personal anwesend zu sein habe. Es sei aber gewer­be­rechtlich unver­hält­nismäßig, von der Antragstellerin zu verlangen, als für die Gaststätte Verantwortliche selbst über ausreichende Deutsch­kenntnisse zu verfügen, um eine erlaub­nis­pflichtige Gaststätte betreiben zu dürfen.

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt/ ra-online

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