18.10.2024
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Verwaltungsgericht Neustadt Beschluss04.11.2015

Fahrten­buch­auflage für Motorrad bei nicht aufklärbarer Identität des Fahrers rechtmäßigErweiterung der Fahrten­buch­auflage für alle weiteren genutzten Fahrzeuge bedarf der vorherigen Verhältnis­mäßig­keits­prüfung

Wurde mit einem Motorrad die zulässige Höchst­geschwindig­keit auf der Bundesstraße um 73 km/h überschritten und wirkt der Halter bei der Ermittlung des Fahrers nicht ausreichend mit, kann ihm für die Dauer von 12 Monaten eine Fahrten­buch­auflage auferlegt werden. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Neustadt in einem Eilverfahren.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der im Landkreis Südliche Weinstraße wohnhafte Antragsteller ist Halter eines Motorrads und zweier Pkws. Mit seinem Motorrad wurde im Juni 2015 auf der Bundesstraße 48 in der Gemarkung Leimen, Fahrrichtung Johanniskreuz, die dort zulässige Höchst­ge­schwin­digkeit von 100 km/h um 73 km/h überschritten. Die Bußgeldstelle versuchte durch Anhörung des Antragstellers den Fahrer des Kraftrades zu ermitteln. Der Antragsteller bestritt seine Fahre­rei­gen­schaft, woraufhin bei ihm eine Wohnungs­durch­suchung zum Auffinden des auf dem Messfoto ersichtlichen Motorradhelms sowie der im Tatzeitpunkt getragenen Motor­rad­kleidung durchgeführt wurde. Die Wohnungs­durch­suchung blieb jedoch ergebnislos.

Antragsteller wird Führung eines Fahrtenbuches auferlegt

Nach Einstellung des Bußgeld­ver­fahrens gab der Landkreis Südliche Weinstraße dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Führung eines Fahrtenbuches für die Dauer von 12 Monaten für das Motorrad und die beiden Pkws auf.

Antragsteller hält Anordnung der Fahrten­buch­auflage für die beiden Pkws für rechtswidrig

Der Antragsteller hat im Oktober 2015 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führte er aus, dass die Polizei ihrer Ermitt­lungs­pflicht nicht ausreichend nachgekommen sei, da sie ihn im Ordnungs­wid­rig­kei­ten­ver­fahren nicht als Zeugen sondern als Betroffenen angehört habe. Ferner sei die Anordnung der Fahrtenbuchauflage für die beiden Pkws rechtswidrig, weil nicht zu befürchten sei, dass mit diesen Fahrzeugen verkehrs­rechtliche Zuwider­hand­lungen begangen würden.

Verkehrsverstoß rechtfertigt Anordnung eines Fahrtenbuchs

Den Eilantrag des Antragstellers lehnte das Verwal­tungs­gericht Neustadt hinsichtlich der Fahrten­buch­auflage betreffend das Motorrad ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Fahrten­buch­auflage für das Motorrad rechtmäßig sei. Mit dem auf den Antragsteller zugelassenen Kraftrad sei den Verkehrs­vor­schriften zuwider­ge­handelt worden, indem der Fahrer dieses Fahrzeugs am 14. Juni 2015 um 10.48 Uhr auf der Bundesstraße 48 in der Gemarkung Leimen, Fahrrichtung Johanniskreuz, statt der dort zulässigen Höchst­ge­schwin­digkeit von 100 km/h 173 km/h (nach Toleranzabzug) gefahren sei. Dieser Verkehrsverstoß sei geeignet, die Anordnung eines Fahrtenbuchs zu rechtfertigen. Es habe sich bei der Überschreitung der Höchst­ge­schwin­digkeit außerorts von 100 km/h um 73 km/h um einen Verkehrsverstoß gehandelt, der nach dem Bußgeldkatalog mit einer Geldbuße in Höhe von 600 Euro, einem Fahrverbot von drei Monaten und der Eintragung von zwei Punkten im Fahreig­nungs­re­gister geahndet werde. Bereits im Fall der erstmaligen Begehung eines Verkehrs­ver­stoßes, der bei seiner Ahndung zur Eintragung von wenigstens einem Punkt im Fahreig­nungs­re­gister geführt hätte, sei die Auferlegung eines Fahrtenbuchs gerechtfertigt und verhältnismäßig. Nicht erforderlich sei, dass es zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrs­teil­nehmer gekommen sei und eine Wieder­ho­lungs­gefahr bestehe.

Durchgeführte Maßnahmen zur Ermittlungen des Täters ausreichend

Der für die Begehung des Verkehrs­ver­stoßes verantwortliche Fahrzeugführer habe auch nicht ermittelt werden können. Die Bußgeldstelle habe durch Anhörung des Antragstellers versucht, den Fahrer des Kraftrades zu ermitteln. Der Antragsteller habe seine Fahre­rei­gen­schaft bestritten und die beim Antragsteller durchgeführte Wohnungs­durch­suchung zum Auffinden des auf dem Messfoto ersichtlichen Motorradhelms sowie der im Tatzeitpunkt getragenen Motor­rad­kleidung habe keine Anhaltspunkte auf den Fahrer ergeben. Damit habe es keine Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen hinsichtlich des Täters gegeben.

Auch die behördliche Ermes­sen­s­ent­scheidung, die Dauer der Fahrten­buch­auflage auf ein Jahr festzulegen, sei nicht zu beanstanden.

Erstreckung der Fahrtenbuch auf alle weiteren Fahrzeuge unzulässig

Der Eilantrag des Antragstellers sei aber hinsichtlich der Fahrten­buch­auflage betreffend die beiden Pkws begründet. Eine Anordnung, die mehrere oder alle Fahrzeuge eines Halters betreffe, stelle im Verhältnis zur Einzelanordnung eine erhebliche Erweiterung dar und bedürfe deshalb einer ihre Auswirkungen berück­sich­ti­genden Verhält­nis­mä­ßig­keits­prüfung. Die Behörde müsse eine Prognose darüber anstellen, ob über das Fahrzeug, mit dem die der Fahrten­buch­auflage zugrunde liegende Verkehrs­zu­wi­der­handlung begangen worden sei, hinaus Verkehrs­verstöße mit anderen Fahrzeugen des Halters ebenfalls nicht aufgeklärt werden könnten. Vorliegend habe der Antragsgegner in der angefochtenen Verfügung nicht begründet, warum das Fahrtenbuch auf alle Fahrzeuge zu erstrecken sei. Bei der Einschätzung, ob sich das Verhalten des Antragstellers in dieser Form bei einem der anderen auf ihn zugelassenen Perso­nen­kraftwagen auch so zutragen könnte, seien nicht nur der Fahrzeugbestand, sondern auch die Handlungsweise des Antragstellers in den Blick zu nehmen. Hinsichtlich der Fahrweise sei zu berücksichtigen, dass der Tatort auf der B 48 zwischen Leimen und Johanniskreuz auf einer bei Motorradfahrern äußerst beliebten Fahrstrecke liege, was allgemein bekannt sei. Aus einer Geschwin­dig­keits­über­schreitung mit einem Kraftrad speziell auf dieser Strecke könne daher zur Überzeugung des Gerichts nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass auch mit den auf den Antragsteller zugelassenen Perso­nen­kraftwagen Verkehrs­verstöße wie der am 14. Juni 2015 festgestellte begangen würden und anschließend der Fahrer nicht benannt würde.

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt/ra-online

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