21.11.2024
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Dokument-Nr. 32345

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Verwaltungsgericht Neustadt Beschluss27.10.2022

Datenerhebung im Rahmen des Zensus 2022 rechtmäßigAusgestaltung des Zensus 2022 entspricht den verfassungs­rechtlichen Vorgaben und ist auch mit Daten­schutz­grund­verordnung vereinbar

Das Statistische Landesamt Rheinland-Pfalz ist berechtigt, im Zuge der Gebäude- und Wohnungszählung (GWZ) im Rahmen des Zensus 2022 die im Gesetz zur Durchführung des Zensus im Jahr 2022 (ZensG 2022) näher bezeichneten, strukturellen Angaben einschließlich sog. statistischer Hilfsmerkmale zu erheben. Dies geht aus einem Beschluss des Verwal­tungs­ge­richts Neustadt/Wstr. hervor.

Die Antragsteller bewohnen ein Anwesen im Landkreis Kaiserslautern. Der Antragsgegner erinnerte die Antragsteller mit Schreiben vom 27. Juni 2022 an die Beantwortung und Rückleitung der Daten­an­for­derung zur GWZ bis zum 10. Juli 2022, nachdem diese ihrer Erklä­rungs­pflicht bis zu diesem Zeitpunkt nicht nachgekommen waren. Mit der Erinnerung wurde den Antragstellern mitgeteilt, dass sie die Fragen Online beantworten oder in Papierform an einen näher bezeichneten privaten Dienstleister senden könnten, der den Papierbogen digitalisiere und zur Geheimhaltung verpflichtet sei. Am 4. Juli 2022 legten die Antragsteller dagegen Widerspruch ein. Der Widerspruch wurde mit Wider­spruchs­be­scheid vom 4. August 2022 zurückgewiesen. Nach Zustellung des Wider­spruchs­be­scheids erhoben die Antragsteller am 12.9.2022 Klage und suchten um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach, mit der Begründung, dass die einschlägigen Rechts­vor­schriften des Zensusgesetzes 2022 und die dort geregelte Behandlung von Hilfsmerkmalen verfas­sungs­widrig seien. Der wirksame Schutz digital gespeicherter Daten könne grundsätzlich nicht gewährleistet werden, eine Deanony­mi­sierung sei nicht ausgeschlossen. Der US-amerikanische IT-Dienstleister, der in den Betrieb der Internetpräsenz "www.zensus2022.de" eingebunden sei, könne auf technische Daten zugreifen und biete im öffentlichen Teil der Website ein Kontaktformular an, über das Nutzer Statistikämter anschreiben könnten. Hierzu seien persönliche Daten einzugeben, deren Weitergabe an unbefugte Dritte nicht ausgeschlossen werden könne. Das vertraglich zugesicherte Versprechen des Dienstleisters, Daten ausschließlich auf europäischen Servern zu verarbeiten, sei mit Blick auf den "CLOUD Act" unzureichend. Die Einbindung des Dienstleisters sei damit zugleich unions­rechts­widrig.

Heranziehung der Auskünfte Zensus 2022 rechtmäßig

Das VG hat den Eilantrag abgelehnt. Durch die Heranziehung der Antragsteller zu den im Rahmen der GWZ im Zensus 2022 angeforderten Auskünften sei das Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung nicht verletzt. Die Ausgestaltung des Zensus 2022 entspreche den Vorgaben, die das Bundes­ver­fas­sungs­gericht zum Zensus 2011 sowie in dem zur Volkszählung ergangenen Urteil vom 15. Dezember 1983 gemacht habe. Die rechtlichen Schutz­me­cha­nismen des ZensG 2022 blieben dabei nicht hinter denjenigen des Zensusgesetzes 2011 zurück. Der Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit sei gewahrt. Auch unter Berück­sich­tigung der Fortentwicklung der statistischen Wissenschaft seien Möglichkeiten einer grund­rechts­scho­nenderen Datenerhebung nicht ersichtlich. Verbleibende Restrisiken der Deanony­mi­sierung und Reiden­ti­fi­zierung seien zwar nicht auszuschließen, als notwendige Folge einer im überwiegenden Allge­mein­in­teresse angeordneten Statistik jedoch hinzunehmen. Die Heranziehung zur Auskunft­s­er­teilung verstoße auch nicht gegen daten­schutz­rechtliche Bestimmungen und sei insbesondere mit den Regelungen der Datenschutzgrundverordnung vereinbar.

Website-Hosting durch US-amerikanischen Dienstleister steht Rechtmäßigkeit der Durchführung des Zensus 2022 nicht entgegen

Das Hosting des öffentlichen Bereichs der Zensus 2022-Homepage durch einen US-amerikanischen Dienstleister stehe der Rechtmäßigkeit der Durchführung des Zensus 2022 nicht entgegen. Die Verarbeitung von Hosting-Daten durch den Dienstleister erfolge nur in europäischen Rechenzentren und unter ausschließ­licher Nutzung europäisch registrierter IP-Adressen. Befragungsdaten der Auskunfts­pflichtigen zum Zensus seien von der Verarbeitung nicht umfasst, sondern lediglich allgemein zugängliche Metadaten, wie IP-Adresse des Abrufs, Internetbrowser, Betriebssystem oder Uhrzeit des Seitenaufrufs. Der Antragsgegner dürfe auf die vertraglichen Zusagen des Dienstleisters vertrauen. Die Einlassungen der Antragsteller zu einem denkbaren Zugriff US-amerikanischer Sicher­heits­be­hörden im Rahmen des sog. "CLOUD-Act" blieben spekulativ und stünden einer Datenerhebung durch den Antragsgegner auch deshalb nicht entgegen, weil das Bundes­ver­fas­sungs­gericht verbleibende Restrisiken trotz Anspannung aller zumutbaren Vorkehrungen als grundsätzlich notwendige Folge einer im überwiegenden Allge­mein­in­teresse angeordneten Statistik akzeptiert habe.

US-Dienstleister beim Aufruf des Online-Fragebogens nicht mehr eingebunden

Überdies sei der US-amerikanische IT-Dienstleister nach Auskunft des Bundes­be­auf­tragten für den Datenschutz aufgrund zwischen­zeitlich vorgenommener Änderungen beim Aufruf des Online-Fragebogens nicht mehr eingebunden, sodass auch eine Übermittlung von Metadaten nicht mehr erfolge. Damit griffen auch die von dem EuGH (Rechtssache C-311/18 "Schrems II") geäußerten Bedenken gegen eine Übertragung perso­nen­be­zogener Daten von EU-Bürgern in die Vereinigten Staaten nicht durch

Befragungsdaten werden verschlüsselt übermittelt

Die Übermittlung der eigentlichen Befragungsdaten erfolge unter Einhaltung der Vorgaben des Zensus­vor­be­rei­tungs­ge­setzes 2022 verschlüsselt, womit der Gefahr des Zugriffs unbefugter Dritter wirksam begegnet werde. Dabei stehe es den Antragstellern frei, den Fragebogen in Papierform einzureichen. Die hierfür zur technischen Umsetzung in Gestalt der Digitalisierung eingebundene Firma sei zur Geheimhaltung verpflichtet. Sie habe kein Daten­zu­griffsrecht und erbringe damit unter daten­schutz­recht­lichen Aspekten keine Dienstleistung, die einen intensiveren Zugriff auf Daten der Antragsteller erlaube, als beispielsweise die Beauftragung eines privaten Postun­ter­nehmens, das mit Übergabe eines Briefs jedenfalls potenziell gleichfalls Zugriff auf die darin enthaltenen Daten habe. Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum Oberver­wal­tungs­gericht Rheinland-Pfalz zulässig.

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt, ra-online (pm/ab)

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