15.11.2024
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Verwaltungsgericht Neustadt Beschluss01.08.2016

Fahrer­laub­nis­entzug nach Bedrohungen von Personen mit Schreck­schusswaffe und nicht vorgelegtem ärztlichen Gutachten zur Fahreignung zu Recht entzogenAuch nicht strafbares Verhalten oder wegen geringer Schuld nicht strafwürdiges Verhalten kann Bedenken an Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen auslösen

Das Verwal­tungs­gericht Neustadt hat entschieden, dass die Stadt Speyer einer Bewohnerin, die in ihrer Wohnung zwei Mitarbeiter von Kabel Deutschland mit einer Schreck­schusswaffe bedroht hat, zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen hat, nachdem die Frau das von ihr geforderte Gutachten eines Arztes in einer Begut­ach­tungs­stelle für Fahreignung nicht beigebracht hat.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die 1961 geborene Antragstellerin ist seit 2011 im Besitz der Fahrerlaubnis der Klassen B, M, S und L. Am 12. November 2015 ereignete sich in ihrer Wohnung in Speyer folgender Vorfall: Die Antragstellerin bedrohte zwei Mitarbeiter von Kabel Deutschland, die sie in ihre Wohnung gelassen hatte, mit einer Schreck­schusswaffe. Die Männer flüchteten daraufhin aus der Wohnung und machten laut Strafanzeige bei der Polizei von dem Vorfall Meldung. Nach Aufsuchen des Wohngebäudes überwältigten Polizeibeamte die Antragstellerin vor Ort, verbrachten diese in Handschellen gefesselt zur Polizei­dienst­stelle und verständigten, da eine Fremdgefährdung nicht ausgeschlossen werden konnte, die Stadt Speyer zwecks Einweisung in eine psychiatrische Klinik, die dann auch erfolgte. Sichergestellt wurden bei dem Polizeieinsatz in der Wohnung der Antragstellerin neben der Schreck­schusswaffe ein Magazin sowie 45 Platzpatronen und acht CS-Gaspatronen, die nach dem Vortrag der Antragstellerin wegen des abgefeilten Schlagbolzens aber nicht mit der Waffe hätten abgefeuert werden können; es habe sich um eine Deko-Waffe gehandelt.

Stadt fordert Vorlage des Abschluss­be­richts der psychiatrischen Klinik

Die Stadt Speyer forderte nach der Entlassung der Antragstellerin aus der psychiatrischen Klinik im März 2016 von der Antragstellerin die Vorlage des Abschluss­be­richts der "Landes­ner­ven­klinik" bis zum 31. März 2016. Auf diese Weise sollte geklärt werden, ob eine Krankheit, die eine weitere Geeignetheit der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen auszuschließen geeignet ist, Grund für das Verhalten der Antragstellerin am 12. November 2015 gewesen war.

Stadt entzieht wegen nicht vorgelegter Gutachten die Fahrerlaubnis

Die Antragstellerin kam diesem Verlangen nicht nach, woraufhin die Stadt Speyer die Antragstellerin am 25. April 2016 aufforderte, ein ärztliches Gutachten eines Arztes in einer Begut­ach­tungs­stelle für Fahreignung zur Klärung ihrer Fahreignung beizubringen. Auch hierzu war die Antragstellerin nicht bereit. Daraufhin entzog die Stadt Speyer der Antragstellerin mit Bescheid vom 29. Juni 2016 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis.

Antragstellerin verweist auf gefühlte Notlage

Die Antragstellerin legte dagegen Widerspruch ein und suchte um vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz nach. Zur Begründung führte sie aus, dass sich bei dem Vorfall am 12. November 2015 ein größerer Geldbetrag auf dem Tisch im Wohnbereich befunden habe. Sie sei der Überzeugung gewesen, dass die beiden Personen, welche in ihre Wohnung hinein gestürmt seien, nicht im Auftrag von Kabel Deutschland unterwegs gewesen seien, sondern ihr Geld hätten wegnehmen wollen. In ihrer Not habe sie dann eine Scheinwaffe ergriffen, die sie ohnehin habe entsorgen wollen, und habe die Männer vertreiben wollen. Hierbei habe sie keinesfalls die Scheinwaffe in Richtung der hinein stürmenden Männer gehalten. Aufgrund dieses Sachverhalts hätten keinerlei Anhaltspunkte dafür bestanden, sie könne ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr nicht mehr sicher zu führen. Die Anordnung eines Fahreig­nungs­gut­achtens sei daher zu Unrecht erfolgt.

Forderung nach Vorlage eines ärztlichen Gutachtens einer Begut­ach­tungs­stelle gerechtfertigt

Das Verwal­tungs­gericht Trier lehnte den Eilantrag ab. Zur Begründung führten die Richter aus, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis offensichtlich rechtmäßig sei. Die Antragsgegnerin sei berechtigt gewesen, von der Antragstellerin die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens einer Begut­ach­tungs­stelle zu fordern. Auch wenn die Antragstellerin den Vorfall vom 12. November 2015 teilweise anders geschildert habe als er in der Strafanzeige vom 12. November 2015 wiedergegeben werde, sei der Sachverhalt (Bedrohung von Personen mit einer Schusswaffe) jedenfalls aufgrund der anschließenden Einweisung der Antragstellerin in die "Landes­ner­ven­klinik" geeignet, Bedenken an der Fahreignung der Antragstellerin in gesund­heit­licher Hinsicht ("geistige Eignung") zu begründen.

Beibringung eines ärztlichen Gutachtens einer Begut­ach­tungs­stelle zur Überprüfung der Fahreignung nicht zu beanstanden

Um diese Bedenken auszuräumen, habe die Antragsgegnerin zunächst entsprechend dem Verhält­nis­mä­ßig­keits­grundsatz von der Antragstellerin die Vorlage des Abschluss­be­richts der "Landes­ner­ven­klinik" bis zum 31. März 2016 verlangt. Auf diese Weise habe geklärt werden sollen, ob eine Krankheit, die eine weitere Geeignetheit der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen auszuschließen geeignet sei, Grund für das Verhalten der Antragstellerin am 12. November 2015 gewesen sei. Da die Antragstellerin von diesem für sie milderen Mittel zum Nachweis ihrer Fahreignung keinen Gebrauch gemacht habe, weil sie - so ihr Argument - mit der Vorlage derartiger Kranken­h­aus­be­richte schlechte Erfahrungen gemacht habe, habe die Antragsgegnerin, um die zu Recht bestehenden und durch die Weigerung der Antragstellerin, den Abschluss­bericht des Krankenhauses vorzulegen, verstärkten Zweifel an der Fahreignung der Antragstellerin zu überprüfen, die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens einer Begut­ach­tungs­stelle verlangen dürfen.

Gutachten zur Fahreignung dient Schutz Dritter vor zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeigneten Fahrer­laub­nis­in­habern

Der Umstand, dass die Staats­an­walt­schaft Frankenthal/Pfalz das Ermitt­lungs­ver­fahren im Mai 2016 eingestellt habe, stehe dem Vorgehen der Antragsgegnerin nicht entgegen. Aus der Einstellung des Strafverfahrens könne nicht der Schluss gezogen werden, dass die Zweifel an der Fahreignung der Antragstellerin aufgrund des Vorfalls vom 12. November 2015 und der anschließenden Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus unberechtigt gewesen seien. Auch ein nicht strafbares Verhalten oder zwar strafbares aber wegen geringer Schuld nicht strafwürdiges Verhalten könne Bedenken an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen auslösen, denen nachzugehen sei. Denn es gehe im Fahrer­laub­nisrecht anders als im Strafrecht nicht um Verfolgung und Ahndung begangener Rechtsverstöße, sondern um den Schutz Dritter vor zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr ungeeigneten Fahrer­laub­nis­in­habern und -bewerbern.

Quelle: Verwaltungsgericht Neustadt/ra-online

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