21.11.2024
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Verwaltungsgericht Koblenz Beschluss06.08.2012

Rechte Demonstration am Christopher-Street-Day zulässigAblehnende Haltung der Rechtsextremen gegenüber Homosexuellen genügt nicht für Versamm­lungs­verbot

Eine Kundgebung der Rechten gegen den die Bildung krimineller Vereinigungen unter Strafen stellenden § 129 Strafgesetzbuch darf am 18.August 2012 trotz des Christopher-Street-Days (CSD) stattfinden. Dies hat das Verwal­tungs­gericht Koblenz nun entschieden.

Im vorliegenden Fall hatte die Stadt den von einem bundesweit bekannten führenden Mitglied der rechten Szene angemeldeten Aufzug, der zwei Tage vor dem Prozessbeginn gegen mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer des rechtsextremen "Aktionsbüros Mittelrhein" vor dem Landgericht Koblenz stattfinden soll, untersagt und den Sofortvollzug des Verbotes angeordnet.

Stadt befürchtet Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung

Da fast zeitgleich mit der Veranstaltung der Christopher-Street-Day-Aufzug beginne, bestehe angesichts der allgemein bekannten Haltung der rechten Szene gegenüber Homosexuellen eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Hiergegen hatte der Veranstalter Widerspruch eingelegt und einen Antrag beim Verwal­tungs­gericht Koblenz auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt.

VG hebt Verbots­ver­fügung auf; Stadt darf aber Auflagen erlassen

Der Antrag hatte Erfolg. Das Verwal­tungs­gericht stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verbots­ver­fügung wieder her, wies dabei allerdings ausdrücklich darauf hin, dass es der Stadt unbenommen bleibe, Auflagen bezüglicher der Veranstaltung zu erlassen, um die Einhaltung der Gesetze sicherzustellen. Das Verbot der Veranstaltung sei nach der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Überprüfung offensichtlich rechtswidrig.

Versamm­lungs­verbot nur bei nachweisbarer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zugelassen

Angesichts der in Artikel 8 des Grundgesetzes garantierten Versammlungsfreiheit, einem Grundrecht von hoher Bedeutung, welches Minderheiten genauso wie Mehrheiten schütze, dürfe eine Versammlung nur ausnahmsweise und unter Wahrung bestimmter verfas­sungs­recht­licher Anforderungen untersagt werden. Dementsprechend lasse das Versammlungsgesetz ein Versammlungsverbot nur im Falle einer sich im Zeitpunkt des Erlasses der Verbots­ver­fügung aufgrund nachweisbarer Tatsachen abzeichnenden unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu, also dann, wenn ein Schaden­s­eintritt mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit zu erwarten stehe. Zudem habe das Grundrecht der Versamm­lungs­freiheit nur dann zurückzutreten, wenn dies zum Schutz anderer, ihm mindestens gleichwertiger Rechtsgüter erforderlich sei. Überdies sei ein Versamm­lungs­verbot schließlich - als letztes Mittel - nur dann zulässig, wenn der Gefahr nicht durch Beschränkungen der Versammlung hinreichend begegnet werden könne. Demgegenüber habe die Stadt Koblenz ihre Gefähr­dungs­prognose in Bezug auf den parallel stattfindenden Christopher-Street-Day-Aufzug lediglich auf die ablehnende Haltung der rechten Szene Homosexuellen gegenüber gestützt, ohne auf nachweisbare, eine hieraus resultierende konkrete Gefährdung im vorliegenden Einzelfall belegende Tatsachen verweisen zu können. Nach der aktuellen Planung der Veranstalter des Christopher-Street-Day-Aufzuges verlaufe dieser vielmehr in einem erheblichen räumlichen Abstand von der Kundgebung des Antragstellers vor dem Landgericht in der Karme­li­ter­straße. Nach Polizeiangaben seien zwar überdies zwei Gegen­de­mon­s­tra­tionen aus dem bürgerlichen Lager angemeldet worden und Recherchen im Internet zufolge mobilisiere auch die Antifa­schis­tische Aktion gegen den rechten Aufmarsch. Dies bedeute jedoch, wenn es auch in vergleichbaren Fällen oftmals zu Handgreif­lich­keiten zwischen Anhängern der rechten Szene und Gegen­de­mon­s­tranten gekommen sei, nicht automatisch, dass der Auslöser hierfür im erstgenannten Personenkreis zu suchen sei. Auch hierfür habe weder die Stadt Anhaltspunkte genannt, noch seien solche anderweitig erkennbar.

Vor Verbot­s­er­teilung Entgegenwirkung durch Auflagen zu prüfen

Als "Nichtstörer" könne der Antragsteller indessen nur im Falle eines Notstandes in Anspruch genommen werden, also dann, wenn die Gefahr nicht auf andere Weise, etwa durch ausreichende, notfalls durch Amts- und Vollzugshilfe zu ergänzende polizeiliche Mittel und Kräfte oder - wenn die Gefahr von dort ausgehe - eine versamm­lungs­rechtliche Verfügung gegen die Veranstalter der Gegen­de­mon­s­tration, abgewehrt werden könne. Vor einem völligen Verbot sei zudem zu prüfen, ob drohenden Gefahren nicht bereits durch entsprechende Auflagen entgegengewirkt werden könne. Hinsichtlich derartiger alternativer Möglichkeiten einer Gefahrenabwehr fehle es ebenfalls an jeglichen Feststellungen der Stadt. Das Polizei­prä­sidium Koblenz habe vielmehr auf entsprechende Nachfrage des Gerichts mitgeteilt, dass der erforderliche Kräftebedarf bereits ermittelt und Einsatzkräfte des Landes, anderer Bundesländer und des Bundes angefordert worden seien, mit denen man aufgrund des derzeitigen Lagebildes die Einsatzlage am 18. August für beherrschbar halte. Danach genüge die angefochtene Verfügung ganz offensichtlich nicht den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen an das Verbot einer Versammlung.

Quelle: Verwaltungsgericht Koblenz/ ra-online

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